Neoliberale Exitstrategie

Lt. FAZ v. 13.10. strebt die Regierungskoalition einen raschen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft an. „Jetzt muss mit einer Exit-Strategie begonnen werden“ heißt es in dem Entwurf für einen Koalitionsvertrag. „Die Beteiligung des Staates an Wirtschaftsunternehmen ist so eng wie möglich zu begrenzen.“ Ein Expertenrat soll einen Plan für einen Ausstieg entwerfen.“ Welche Relevanz diese Formulierung hat, ist unklar: Expertenratschläge können alles rechtfertigen. Insgesamt ist der krisenbedingte Einstieg des Staates in die Wirtschaft in der BRD weitaus geringer als etwa in England oder in den USA.

Zombiepolitik

Gordon Brown profiliert sich als Thatcherwiedergänger: er kündigte für die nächsten 2 Jahre Privatisierungen in Höhe von 16 Milliarden Pfund (17,2 Mrd €) an. Das wäre die größte Privatisierungsaktion seit Thatchers Zeiten. Er nannte die Hochgeschwindigkeitsverbindung zum Kanaltunnel, „High Speed 1“, die Themsebrücke und den Themsetunnel bei Dartford östlich von London. Außerdem sollen Studentenkredite verkauft werden, von denen die Regierung im vergangenen Jahr schon einen Block von sechs Mrd. abstoßen wollte, den 35-Prozent-Regierungsanteil an dem Uranaufbereiter Urenco und das Wett-Konsortium „Tote“, dessen Privatisierung seit 2001 im Wahlprogramm von Labour steht. „Wir wollen Besitzstände verkaufen, um die Schuldenfrage anzugehen“, sagte Brown. Nicht genannt wurden allerlei andere relevantere staatliche Assets wie die Post, einige Energie- und Wasserbetriebe, die Atomindustrie oder die BBC. Näheres stellte jüngst das marktradikale Adam Smith-Institut in einer Studie „Privatization – Reviving the Momentum“ (2009) zusammen.

Reichlands Adlonkapitalismus oder: Geschwurbel auf hohem Niveau

IMG_2704Es ist ja auch peinlich, wenn der Kapitalismus so deutlich ins Stottern gerät. Die coolen Sprüche schaden eher, es geht nun um großen Ernst, der Gutmensch kommt zurück. Bio-Spitzenköche. Philharmoniker. CDU-MdBs. Trainer. Vorstände. Rettungsschirmherren. Literaten. Unternehmer. Extrembergsteiger. Pianisten. Direktoren. Vorsitzende. Geschäftsführer. Ethiker. Mächtige. Visionäre. Vorstandssprecher. Abenteurer. CEOs. Vermögende. Akademiker. Leiter. Komponisten. Initiatoren. Kulturkapitalisten. Aufsichtsräte. Gründer. Kurz: die Reformschwurbelgruppe im Berliner Reichlandhaupthotel: dem Adlon, am 4.-5.11.2009, auf dem Kongress „Die Welt des Vermögens„. Vermögen ist gut, Reichtum schlecht. Hingehen. 1750.- zzgl. Mwst. bezahlen. Lauschen. Investieren. Neoliberal? Nie gehört. Es geht um die „öko-humane Marktwirtschaft“. Ich freu mich drauf.

Ryanair für Reiche

nachdem Ende 2008 eine halbe Handvoll Manager der US-Krisenkonzerne voll reumütig vom Privatjet auf das Privatauto umgestiegen waren, um (völlig folgenlos) sich und ihre Unschuld im Kongress zu Gehör zu bringen, gibt es neue Entwicklungen: die Lufttaxis werden kleiner und billiger. Dieser Tage soll die erste Low-Cost-Privatjet-Firma Europas mit dem Namen Jetbird in Köln/Bonn ihren Auftritt haben, denn von den 300 Privatjet-Besitzern in Deutschland wollen schon 39 ihr Ding verkaufen. Die erste Flugstunde mit Jetbird kostet nur 3300, die zweite sogar bloß noch 2200, und Köln-Nizza hin- und zurück kostet schlappe 7200 Euro (SZ 31.8.2009).

10 000 Hektar für 15 Millionen Euro oder: Rettet den Staatsfisch!

SeefischDie Junge Welt vom 23.7.09 führte ein Gespräch mit Carsten Preuß, Initiator einer öffentlichen Petition gegen Gewässerprivatisierung – die zwar trotz großer Resonanz in den letzten Tagen – seit vorgestern kamen 7000 Unterschriften hinzu! – auf der Kippe steht, aber dazu beigetragen hat, dass der schleichende Verkauf von Seen vor allem in Ostdeutschland zunehmend ein Thema wird. Zwei Tage Zeit bleiben! Auf der Tagesordnung steht nach Preuß bundesweit die Privatisierung von weiteren 15 000 Hektar durch die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG). Die Website der BVVG empfängt den Leser „herzlich“ und stellt ihm sofort eine spannende Frage:

Sie wollen Acker- und Grünland erwerben oder interessieren sich für Bauland, Gebäude oder Gewässer im ländlichen Raum? Dann sind Sie richtig auf der Webseite der BVVG. Wir privatisieren im Auftrag des Bundes provisionsfrei in den ostdeutschen Ländern ehemals volkseigene land- und forstwirtschaftliche Flächen und andere Vermögenswerte.

Eine Übersicht zur Privatisierung vermerkt:

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Rathauszocker

Roland Kirbach hat in der ZEIT vom 16.7.09 einen ebenso wütenden wie gehaltvollen Artikel über Kultur und Struktur des cross-border Leasing – Deasters publiziert, der unbedingt lesenswert ist. Er skizziert nicht nur anhand einer Menge Beispiele Umfang und Folgen dieser gigantischen Privatverramschung öffentlicher Güter, sondern zeigt auch implizit den Normalismus der neoliberalen Entdemokratisierung: Hunderte von Millionen gingen über den Tisch und dahin, aber die Verträge blieben geheim, die Volksrepräsentanten bekamen nichts zu sehen, von Budgethoheit ist keine Rede, Unruhestifter wurden gebrandmarkt und im Zweifel monatelang von Privatdetektiven und der Justiz verfolgt, die Profiteure behielten ihre Profite, die Arrangeure laufen wohlbereichert frei herum – und die Abwicklung des Deasasters wird (noch) durch Steuerzahler und Konsumenten bezahlt. Das ist die Kultur der Privatisierung. Wieder wird eine Binsenweisheit klar: „Rekommunalisierung“ oder „Verstaatlichung“  sind kein Hilfsmittel gegen eine desaströse Privatisierungskultur, solange Teile des Staatsapparates selbst komplett entdemokratisiert sind.

Neue Initiative des Philantrokapitalismus

2975434_c7yq8-lSeit Jahrzehnten ist Reichland nicht mehr von einer solchen Krise geschüttelt worden. Superreiche verarmen wirklich beispiellos. Und doch: es gibt tapfere und vorbildliche Philantrokapitalisten, die gerade in Zeiten der Verelendung und der Krise zusammenstehen und als Keimzelle des Guten wirken.

So die laut Independent vorgeblich 100 Milliardäre et.al. („In attendance will be 100 billionaires, captains of industry, celebrities and philanthropists„), die sich die Tage – am 3. März 2009 – laut Fabsugar und Hellomagazine oder Red Carpet Fashion Awards im Dorchester getroffen haben sollen und sich erfreut über die eingeladenen Vordermann, Jovovich und Stone und doch zugleich auch besorgt über die Armutsbevölkerung Afrikas beugten. Vivienne Westwood oder Paul Coelho waren auch dabei in der Runde des Fortune Forum, dem auch die guten Herren Clinton, Gore und Douglas angehörten. Ebenso Bill Waman, 72, genau, der Bursche von den Stones. Und mehr noch:

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Krise des Finanzmarktkapitalismus

Das Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS hat unter dem Titel „Die Krise des Finanzmarkt-Kapitalismus – Herausforderung für die Linke“ heute als Kontrovers-Heft 01/2009 (ein Policy Paper der Stiftung) einen Beitrag zur Analyse der gegenwärtig sich entwickelnden Krise publiziert, das hier (Ifg-krisenthesen) in einer vorläufigen Fassung als pdf zugänglich ist.

Schlechte Laune in Reichland

reichland66.jpgJa, harte Zeiten in Reichland. Wie hart sind sie denn? Vor gut einem Jahr lag der Dow Jones Index bei 14,279, heute liegt er 8,497.31. Wie sieht es mit den amerikanischen Superreichländern aus: Kasinomogul Sheldon Adelson verlor 24,9 Mrd $ (91 %) und lag Anfang Oktober 2008 bei irrelevanten 2,6 Mrd $ – das sind so 4,1 Mio Dollar Verlust – in der Stunde. Der Wal-Mart Walton-Clan schrumpfte um 19 % auf 86,9 Mrd. $, Warren Buffett um 25 % auf 49,7 Mrd$, Brin & Page von Google verloren 12,1 Mrd $ – 56 %) und liegen nun bei 9,5 Mrd. $, Bill Gates verlor 40 % auf 17,7 Mrd $, Larry Ellison von Oracle verlor 31 % auf 18,6 Mrd., Murdoch verlor 63 % auf 2,8 Mrd $ und Charles Schwab verlor 57 % (von 4,6 auf 35 Mrd $). Michael Dell verlor um 56 %, Steve Jobs um 46 %. Auch wenn das in der Menge beträchtlich, im Einzelfall – man erinnere sich an die dot-com-Blase – eher üblich ist, legen sich solche Trends doch aufs Gemüt. Die Stimmung trübt ein. Der Yellowstone-Elite-Club der 350 Reichsten ist pleite und kann nicht mal mehr Hamburger kaufen. Der Lamborghini-Händler in Oregan-County hat zugemacht. Die Spectrem-Studie für $24,500.00 $ wird das alles und die schlechte Laune untersuchen.

Change – Elend

1506646976_5f2b56fa26.jpgDer Finanzmarkt ändert sich – und damit auch die Welt des Eigentums. Zum Beispiel eine Tickermeldung vom 7.10. 2008 abends: Die Pensionskassen der US-Bürger haben als Folge der Finanzmarktkrise in den vergangenen 15 Monaten 2000 Mrd. $ verloren. Diese Zahl nannte am Dienstag der Leiter der Kongress-Rechnungsbehörde CBO, Peter Orszag, vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses. Der untersucht derzeit, wie sich die Immobilien- und Bankenkrise auf die Pensionskassen auswirkt. Viele Arbeitnehmer würden wegen der Verluste wahrscheinlich gezwungen, auf größere Konsumausgaben zu verzichten und mehr zu sparen – oder später in Rente zu gehen, sagte Orszag. “ Mehr zur Sache hier.

Dear American

Dear American:

I need to ask you to support an urgent secret business relationship with a transfer of funds of great magnitude.

I am Ministry of the Treasury of the Republic of America. My country has had crisis that has caused the need for large transfer of funds of 800 billion dollars US. If you would assist me in this transfer, it would be most profitable to you.

I am working with Mr. Phil Gram, lobbyist for UBS, who will be my replacement as Ministry of the Treasury in January. As a Senator, you may know him as the leader of the American banking deregulation movement in the 1990s. This transactin is 100% safe.

This is a matter of great urgency. We need a blank check. We need the funds as quickly as possible. We cannot directly transfer these funds in the names of our close friends because we are constantly under surveillance. My family lawyer advised me that I should look for a reliable and trustworthy person who will act as a next of kin so the funds can be transferred.

Please reply with all of your bank account, IRA and college fund account numbers and those of your children and grandchildren to wallstreetbailout@treasury.gov so that we may transfer your commission for this transaction. After I receive that information, I will respond with detailed information about safeguards that will be used to protect the funds.

Yours Faithfully Minister of Treasury Paulson

Reichlandstil

moneyfactory.gifOft wird gerade in Zeiten, in denen sogar ein paar Superreiche in Schwierigkeiten geraten sind, die selbstverständliche Art stilvoller Restreichtumsnutzung übersehen, die Einrichtungen wie das US-Schatzamt ermöglichen. Zweifellos gerade heutzutage eine zentrale Aufgabe neben der Verwandlung des US-Haushalts in der Welt größten Abfalleimer. Diese unverzichtbare Regierungseinrichtung beherbergt das US Bureau of Engraving and Printing (http://www.moneyfactory.gov/), über das der stilsichere Reiche ungeschnitte Währung erwerben kann – so ist ein Bogen mit 32 zusammenhängenden Eindollarscheinen ausgesprochen günstig für 55 $ zu bekommen. Das eignet sich nun sehr schön zum Verpacken kleiner Geschenke, wie Edwina Rogers, Gattin des Washintoner Lobbyisten Ed Rogers, in einem kleinen Film uns zeigt. Edwina kennt sich da aus, denn sie war 2001 und 2002 Direktoren dem National Economic Council des Weissen Hauses, bei Mr. President Bush.