Tagung: Alternativen zur Wohnungsprivatisierung (2.Mai 2007, Bochum)

Für den 2. Mai lädt das Mieterfoum Ruhr zu einer Fachtagung zum Thema „Alternativen zur Privatisierung öffentlich verbundener Wohnungen und Wohnungsunternehmen“ ein. 10 bis 17 Uhr, Jahrhunderthaus Bochum, Alleestraße 80, 44793 Bochum. Mit mit u.a. DMB, GdW, Städtetag, Personalvertretung, Regionalplanung, Mietshäusersydikat, GLS-Bank, Wissenschaft.

Die Frage der Zukunft der verbliebenen öffentlichen Wohnungsbestände (ca. 3 Mio. Wohnungen, vorrangig kommunal kontrolliert) ist im vergangenen Jahr bundesweit zu einem politischen Top-Thema geworden. Teilerfolge in der Abwehr der Privatisierungswelle dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass sehr starke Kräfte und Faktoren auf eine weitere Fortsetzung der Verkaufspolitik drängen.
Gegenüber der Hegemonie der Finanzmärkte und des neo-liberalen Ausstiegs aus der aktiven Wohnungsmarktpolitik muss der zukünftige Stellenwert, die Rolle und Funktion des öffentlichen Sektors positiv herausgestellt werden. Ein reaktivierter öffentlicher Sektor benötigt allerdings Rahmenbedingungen, die ihn vor weiteren Ausverkäufen schützen und die Aufgabenerfüllung sichern.

Fragestellungen:
– Was leisten öffentlich verbundene Wohnungsunternehmen heute für die Sicherung einer sozialen Wohnraumversorgung und die soziale/nachhaltige Stadtentwicklung?
– Wie verändern sich die Herausforderungen unter den Marktbedingungen der Zukunft?
– Welche Rolle im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge müsste der öffentliche Sektor in Zukunft spielen?
– Vor welchen Hindernissen steht der Sektor bei Erfüllung dieser Rolle?
– Welche Auffanglösungen/Alternativen für öffentliche Wohnungsbestände bieten sich an, wenn ein Verkauf nicht verhindert werden kann/soll?
– Wie sind diese Alternativen aus Sicht der Mieter und der sozialen Wohnungspolitik zu bewerten?
– Welche Rahmenbedingungen für den öffentlichen Sektor sollten neu geschaffen werden?
– Welche Optionen gibt es für einen dauerhaft der spekulativen Kapitalmarktlogik entzogenen sozialen/öffentlichen Sektor?

Ablauf:
10 Uhr – Begrüßung und Einführung: Ausgangssituation, Bedrohungsszenario, Fragestellungen
10.30 Uhr – Stellenwert und Funktion öffentlich verbundener Wohnungsunternehmen in Deutschland
– Sicht des DMB: Dr. Franz-Georg Rips, Deutscher Mieterbund, Berlin
– Sicht des GdW: Dr. Bernd Hunger, Gesamtverband der Wohnungswirtschaft, Berlin (angefragt)
– Sicht des Städtetages/Kommunen: Hans-Peter Neuhaus, Leiter des Wohnungsamtes der Stadt Dortmund
– Beispiel LEG-NRW: Jutta Hüffelmann, stellv. Gesamtbetriebsratsvorsitzende der LEG-NRW
– Stellenwert für die Regionalentwicklung und den Stadtumbau West: Dr. Thomas Rommelspacher, Bereichsleiter Planung im Regionalverband Ruhrgebiet
12.15 Uhr – Mittagspause
13.15 Uhr – Alternativen zur Kapitalmarkt-Privatisierung einzelner Bestände oder Wohnungsunternehmen
– Modell „Wohnen in Bürgerhand“: Falk Zientz, GLS Gemeinschaftsbank eG, Bochum
– Modell Mietshäuser-Syndikat: Helma Haselberger, Mietshäuser Syndikat, Freiburg
– Modell Erbpacht: Dr. Gert Ellinghaus, Norddeutsche Real Estate GmbH
– Kritische Stellungnahmen: Dr. Franz-Georg Rips, Deutscher Mieterbund, Berlin, Dr. Andrej Holm, Humboldt Universität (Institut für Sozialwissenschaften), Berlin
Diskussion mit dem Publikum
15.00 Uhr – Kaffeepause
15.15 Uhr – Schaffung neuer gesetzicher Rahmenbedingungen für einen dritten Sektor im Wohnbereich
– Impulsreferat „Neue Gemeinnützigkeit, Housing Investment Trusts, Sozial-Pfandbrief“: Prof. Dr. Stefan Kofner, Hochschule Zittau/Görlitz, Institut für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung
Podiumsdiskussion:
Brauchen wir neue Rahmenbedingungen für eine soziale Wohnungswirtschaft?
Prof. Dr. Stefan Kofner , Dr. Franz-Georg Rips, Dr. Andrej Holm, Knut Unger u.a.
Moderation: Michael Wenzel
17.00 Uhr – Ende der Tagung

Formlose Ameldung bitte an:
Martin Krämer (Mieterforum Ruhr e. V.)
c/o Mieterverein Bochum e. V.
Brückstr.58, 44787 Bochum
Tel: (0234) 96 11 434 / Fax: (0234) 96 11 411
E-Mail: Martin.Kraemer(at)mvbo.de

P/OeG Newsletter Januar 2007

1. Bericht PRESOM
2. Freiburg Bürgerentscheid gegen Privatisierung
3. WSF Nairobi-Berichte (p/ög, U.Brand, P.Wahl)
4. zwei Fragen aus der Newsletter-Redaktion
5. Termine/Konferenzen/Ankündigungen

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1. PRESOM Athens Workshop
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„Privatisation and the European Social Model
(26/27 January 2007)“

Das von der Europäischen Union im 6. Rahmenprogramm geförderte
Forschungsprojekt PRESOM (Privatisierung und das Europäische
Sozialmodell) hat mit einer Tagung in Athen sein zweites Programmjahr
gestartet. Gastgeber war die Nicos Poulantzas Gesellschaft in Athen.
Ziel des PRESOM Projektes ist es, eine wissenschaftlich gesicherten
Einschätzung der Auswirkungen von Liberalisierung und Privatisierung
auf das Europäische Sozialmodell zu erarbeiten.

Zum Auftakt gab es eine Podiumsdiskussion mit griechischen
Gewerkschaftsvertretern, auf der verschiedene Aspekte der
Privatisierungspolitik in Europa erörtert wurden. Jürgen Huffschmid,
einer der Koordinatoren des PRESOM Projektes stellte zunächst die Ziele
und Fragestellungen der Projektes vor. Anschließend gab Malcolm Sawyer
von der Business School der Universität in Leeds einen Einblick in
seine Forschung zu den finanzpolitischen Auswirkungen der
Privatisierungspolitik und argumentierte, dass die Privatisierungen
keineswegs zu einer Entlastung der öffentlichen Haushaltsschulden
führen. Im Gegenteil: gerade in langfristiger Perspektive wird die
Sicherung öffentlicher Infrastrukturen und die Versorgung mit sozialen
Dienstleistungen für die öffentlichen Haushalte teurer, wenn sie von
privaten Anbietern gekauft oder geleast werden müssen. Christoph
Hermann von der Forschungs- und Beratungstelle für betriebliche
Arbeitnehmerfragen (FORBA) in Wien stellte die ersten Überlegungen zum
Europäischen Sozialmodell vor. Problem sei es dabei vor allem, dass der
Begriff einer blackbox gleich von verschiedenen politischen Kräften
gebraucht und mit jeweils eigenen Inhalten gefüllt werde. Insbesondere
die Liberalisierungslobby in der EU gebrauchen den Begriff vor allem
als Instrument um bisher bestehende nationalstaatliche Regelungen
auszuhebeln. Die Linke habe es bisher verpasst, den Begriff des
Europäischen Sozialmodells nach eigenen Vorstellungen zu definieren.
Marica Frangakis, von der Nicos Poulantzas Gesellschaft stellte die
ersten Ergebnisse der PRESOM Forschung vor und differenzierte das
Privatisierungsgeschehen sowohl in zeitlichen Wellen als auch nach
Ländergruppen. Insbesondere unterschied sie ein skandinavisches, ein
west-, ein ost- und ein südeuropäisches Privatisierungsmuster. Karoly
Lorant, ungarischer Abgeordneter des Europaparlaments, gab einen
Überblick zum Privatisierungsgeschehen in den mittel- und
osteuropäischen Ländern. Anders als die Privatisierungsprozesse in
Westeuropa erfolgte der Ausverkauf staatlicher Beteiligungen hier nicht
schrittweise, sondern schockartig im Rahmen einer abrupten
gesellschaftlichen Transformation. Die anschließende Diskussion rankte
sich vor allem um die Gefahren und Perspektiven einer Europäisierung.
Während einerseits vor allem auf die neoliberalen Impulse der
Europäischen Union verwiesen wurden, plädierten andere dafür, die
europäische Ebene stärker als politische Arena zu begreifen und sich
entsprechend mit eigenen Vorstellungen in die Europäisierungsprozesse
einzubringen.

Auf der eigentlichen PRESOM Tagung wurde der erste Jahresbericht
diskutiert und die Ergebnise der ersten drei Arbeitsgruppen (WP 1:
Hintergrund und Geschichte der Liberalisierung und Privatisierung in
der EU; WP 2: Theoretische Ansätze zur Privatisierung; WP 3: Konzepte
des Europäischen Sozialmodells) vorgestellt. Anschließend wurden die
Arbeitspläne für 2007 abgestimmt. Im Vordergrund werden dabei
Untersuchungen in den Sektoren Finanzen, Soziale Dienste
(Gesundheitsversorgung und Rentensystem) sowie Bildung stehen. Parallel
sollen die Privatisierungseffekte in den neuen Mitgliedstaaten der EU
in Osteuropa systematisch untersucht werden. Erste Zwischenergebnisse
sollen bereits in den nächsten Monaten auf verschiedenen Konferenzen
(unter anderen auf der Alternativen EcoFin-Konferenz am 20./21. April
in Berlin) zur Diskussion gestellt werden. Die nächste größere
PRESOM-Tagung wird am 29./30. Juli in Ljubljana (Slowenien)
stattfinden.
http://www.presom.eu/

2. Freiburg: Erfolg gegen Privatisierung durch Bürgerentscheid
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Friedrich Hecker (p/ög-Korrespondent – Freiburg) berichtet: In
Freiburg hat am Sonntag, 12. November 2006, ein Bürgerentscheid
erfolgreich den Verkauf der städtischen Wohnungen verhindert. 41.000
Menschen, d.h. 70,5% der Stimmen, sprachen sich gegen den Verkauf aus
und nur 29,5% dafür. Anfang April hatte der grüne Oberbürgermeister
angekündtigt, die Freiburger Wohnungen zwecks Haushaltssanierung zu
verkaufen. Mögliche Käufer: „Heuschrecken“ wie z.B. Fortress oder
Cerberus, denen es nicht um sozialen Wohnungsbau, sondern nur um
größtmögliche Profite geht. Eine schwarz-grüne Koalition beschloss dann
im Juli den Verkauf. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte schon die
Bürgerinitiative „Wohnen ist Menschenrecht“
(http://www.wohnen-ist-menschenrecht.de) genügend Unterschriften
zusammen, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Im Wahlkampf
versuchten die Grünen (von Hausbesetzern zu Hausbesitzern geworden) die
Menschen in Freiburg gegeneinander auszuspielen: Schulen z.B. könnten
nur saniert werden, wenn die Wohnungen verkauft würden. Doch die
Menschen ließen sich nicht davon beirren und im Wahlkampf engagierten
sich unzählige, die erstmals in ihrem Leben politisch aktiv waren. Die
Bürgeriniative wurde dabei von Mieterbeiräten, Gewerkschaften und
Stadtteilvereinen genauso wie von lokalen Oppositionsparteien wie SPD,
Die Linke.WASG und der Linken Liste unterstützt. 30 Jahre nach
erfolgreichen Verhinderung eines Atomkraftwerkneubaus in Wyhl haben die
Freiburger erneut gezeigt, daß die Bevölkerung Politik gegen die
Herrschenden durchsetzen kann.

3. WSF Nairobi-Berichte
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Die rls-Veranstaltung zum p/ög-Themenkreis hieß „Die Kommodifizierung
von Wasser: Von sozialer Krise zum Widerstand“: Der gesellschaftliche
Umgang mit Wasser hat vielfältige Auswirkungen auf ärmere Haushalte.
Der Workshops beleuchtete Wasser als umkämpftes, öffentliches Gut aus
der Perspektive des Nordens und des Südens und widmete sich der Frage
wie Wasserversorgung reorganisiert wird um die Akzeptanz durch
neoliberale Konzepte sicherzustellen. Im Zentrum standen verschiedene
Strategien des Widerstands von Aktivitäten gegen die Einführung von
Vorrauszahlungen bis hin zur Infragestellung der Rekommunalisierung des
Wasserverbrauchs.
Mehr zur rls auf dem WSF:
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=9929&tx_ttnews[tt_news]=703

***

Ulrich Brand berichtete in der Frankfurter Rundschau am 27.1.07:

„Die Netzwerke für eine andere Welt werden dichter“
Das Weltsozialforum 2007 in Nairobi war ein weiterer Schritt zum Aufbau
einer kritischen globalen Zivilgesellschaft. Es wurden Kampagnen für
mehr Gerechtigkeit und Demokratie verabredet.

Die New York Times schrieb vor einigen Jahren, dass sich neben den USA
eine zweite Supermacht herausbilde, nämlich eine globale
emanzipatorische Zivilgesellschaft, deren deutlichster Ausdruck das
jährliche Weltsozialforum sei. Auch wenn diese Einschätzung übertrieben
ist, zeigt sie doch: Die Legitimationskrise des herrschenden
Wirtschaftsmodells ist nicht nur auf dessen für viele Menschen
desaströse Folgen zurückzuführen, sondern auch auf den Protest von
immer mehr Menschen.
Das Weltsozialforum ist ein legitimer Gegenpol zum alljährlich
zeitgleich stattfindenden Weltwirtschaftsforum in Davos. Es ist ein
großer Erfolg, dass das WSF nunmehr zum siebten Mal stattgefunden hat
und zum ersten Mal als Gesamtforum in Afrika. Angesichts der
katastrophalen Lebensumstände vieler Menschen war die Stimmung wütender
als zuvor. Mehr als 10 000 Teilnehmende folgten dem Aufruf, am letzten
Tag 14 Kilometer durch verschiedene Slums zu gehen – für die meisten
ein schockierendes Erlebnis.
Im Zentrum vieler Veranstaltungen stand die Europäische Union und ihre
neoliberalen und militaristischen Weltordnungspolitiken. Die derzeit
verhandelten Economic Partnership Agreements zwischen der EU und vielen
afrikanischen Staaten wurden scharf als neokoloniale Politiken
kritisiert und es wird große Kampagnen von Attac und anderen dagegen
geben. Auch in vielen anderen Bereichen wurden globale Aktionstage und
Kampagnen verabredet.
Eine Diskussion bleibt zentral für die altermondialistischen (für eine
andere Welt eintretenden, Red.) Bewegungen sowie für die praktische
Gestaltung einer anderen Globalisierung. Nämlich über Protest hinaus
Alternativen zu organisieren. Insoweit wären die Bewegungen nicht nur
für die „Aufräumarbeiten“ von neoliberaler und imperialer Zerstörung
zuständig.
Eine Frage wurde häufig gestellt: Soll das Weltsozialforum ein offener
Raum bleiben, in dem sich unterschiedliche Akteure von
Friedrich-Ebert-Stiftung, Kirchen und karitativen NGOs über linke
Gewerkschaften bis hin zu radikalen Basisgruppen treffen? Hier werden
Wissen und Erfahrungen ausgetauscht, Netzwerke geknüpft, Kampagnen
geplant, sich in den je spezifischen Auseinandersetzungen gestärkt.
Insbesondere feministische Gruppen haben über das WSF ihre
transnationalen Netzwerke gestärkt.
Im Vergleich zu früheren WSF gab es in Nairobi wesentlich mehr
Strategietreffen. Da man sich dort häufiger sieht, entstehen jene
Vertrauensverhältnisse, ohne die transnationales demokratisches Handeln
nicht möglich ist.
Ein weitergehender Vorschlag lautet, einen kollektiven Akteur zu
konstituieren, der global agiert. Der senegalesische Wissenschaftler
Samir Amin schlägt die Schaffung einer Fünften Internationale vor. Ein
„neues historisches Subjekt“ sei notwendig. Dies wird scharf
kritisiert: Es sei ein Vorschlag von Intellektuellen, die angeblich
wissen, wo es langgeht. Die Vorstellung eines einheitlichen Subjekts
stehe in der Tradition der autoritären Linken.
Und dennoch trifft die Frage nach einem kollektiven Akteur ein
zentrales Problem: Wie können angesichts der Globalisierung, die
derzeit die ohnehin Stärkeren noch mehr stärkt, Eingriffe in
(welt-)gesellschaftliche Machtverhältnisse gelingen? Gegen Kriege um Öl
und „gegen den Terrorismus“, gegen die enorme Macht des Kapitals, gegen
die wirtschaftlich und ökologisch desaströsen Wirkungen des Weltmarkts,
für eine Stärkung von Demokratie und solidarischer Ökonomie?
Meine Einschätzung ist, dass Alternativen zunächst um konkrete
Konflikte herum organisiert werden. Beispielsweise haben die inzwischen
sehr gut organisierten globalen Bewegungen für Gesundheit, für
Menschenrechte, für Landreform und alternative Landwirtschaft oder für
menschenwürdiges Wohnen Erfahrungen zusammengetragen und daraus
Forderungen entwickelt, die nun in den verschiedenen Kontexten
umgesetzt werden sollen. Die Gewerkschaften unternehmen enorme
Anstrengungen internationaler Vernetzung. Viele internationale
Netzwerke wie jene gegen Wasserprivatisierung oder für das Recht auf
Wohnen haben in Nairobi afrikanische Partner gewonnen.
Entscheidend ist aber, ob und wie über diese konkreten Konflikte hinaus
es möglich wird, grundlegend in politische und ökonomische
Machtverhältnisse einzugreifen. „Eine andere Welt ist möglich!“ –
dieses Motto der altermondialistischen Bewegung verwirklicht sich durch
Bewegungen und Kampagnen, aber eben auch durch sich verändernde
Institutionen, vor allem des Staates und von Unternehmen, inklusive der
Verfügungsrechte über Eigentum.
Dann stellen sich aber weitere entscheidende Fragen: Wie können
emanzipatorische Errungenschaften gesellschaftlich abgesichert werden
und wie können Regeln eines (welt-)gesellschaftlichen Zusammenlebens
entstehen? Welche Rolle spielen hier der Staat, mit dem die meisten
Menschen heute schlechte Erfahrungen machen, und die internationale
Politik? Welchen Stellenwert haben progressive Parteien? Auf diese
Fragen entsteht heute durch Netzwerke und Kampagnen und in konkreten
Konflikten gegen die Macht von Staat und Unternehmen eine erste und
sehr dynamische Antwort.

***

Peter Wahl berichtet über „Licht und Schatten. Eine erste Bilanz des
Weltsozialforums in Nairobi“

Die Bilanz des Weltsozialforums in Nairobi fällt widersprüchlich aus.
Positiv war, dass das Forum in Afrika stattgefunden hat. Es war eine
Schwäche der früheren Sozialforen, dass die afrikanische
Zivilgesellschaft, ihre Themen und Probleme immer stark
unterrepräsentiert waren. Nairobi hat diese Lücke geschlossen. Das
Forum 2007 bot der afrikanischen Zivilgesellschaft die Gelegenheit,
sich als Teil der globalen Bewegung für Alternativen zu den
herrschenden Verhältnissen darzustellen und eine gemeinsame Identität
zu entwickeln. Viele neue Informationen, die Debatten und die
Vernetzung mit anderen haben sicher einen wertvollen Beitrag zu
Stärkung der afrikanischen Zivilgesellschaft leisten können.
Dies gilt zumindest für den anglophonen Teil des Kontinents. Denn auch
in Nairobi war die koloniale Teilung in einen anglophonen und
frankophonen Teil schmerzhaft spürbar. Die Beteiligung Westafrikas war
sehr gering. Damit reproduzierte sich mit umgekehrten Vorzeichen das,
was beim regionalen Forum 2006 in Bamako aufgetreten war.
Auch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Industrieländern, die
zum ersten Mal nach Afrika kamen, brachte das Forum wichtige
Erkenntnisse. Was sie sonst nur aus abstrakten Satistiken über Armut
und Elend kannten, wurde greifbar und mit konkreter Erfahrung
aufgefüllt. Denn die Veranstaltungen, die Zeltstadt mit ihren
Infoständen, die vielen informellen Kontakte wurden von den
existentiellen Alltagsproblemen der afrikanischen Realität dominiert –
Hygiene, Wasser, Aids, Gewalt gegen Frauen, Korruption, Verschuldung,
Straßenkinder usw. Die Akteure, die diese Themen repräsentierten, waren
vorwiegend NGOs, darunter in besonders hohem Maße kirchliche Hilfswerke
sowie große, international operierende NGOs.

Verlust an Attraktivität und Ausstrahlungskraft
Über den positiven Aspekten sollten allerdings nicht die Defizite
dieses WSF übersehen werden. Das fängt mit der deutlich geringeren
Beteiligung an. Auch wenn man nicht brasilianische Verhältnisse zum
Maßstab machen will, wo in Porto Alegre übers Wochende einfach mal
100.000 Brasilianer auflaufen, so muss man zur Kenntnis nehmen, dass
selbst die Teilnahme aus den Industrieländern generell geringer war.
Das heißt: an den Reisekosten allein kann es nicht gelegen haben. Die
Attraktivität in die Bewegung hinein ist sichtlich zurückgegangen.
Auch die politische Ausstrahlung nach außen hat spürbar nachgelassen.
Die internationale Medienberichterstattung war geringer und mehr als
früher auch negativ. Das gilt auch für Deutschland. Damit ist eine der
wichtigsten Funktionen der Foren, nämlich weltweit als Gegenpol zum
Weltwirtschaftsforum in Davos wahrgenommen zu werden, deutlich
reduziert. Die poltische Botschaft, die sonst vom WSF in die Welt
gegangen war, ist schwächer geworden.
Dabei spielen sicher auch „natürliche“ Gründe mit hinein. Der Reiz des
Neuen ist nach sieben Jahren verflogen. Und wer seriös Politik macht,
kann nicht permanent das mediale Bedürfnis nach Spektakularität
bedienen. Aber dennoch ist ein Gutteil der gesunkenen Außenwirkung
hausgemacht.

Pluralität muss Produktivkraft werden
So hat die starke single issue-Orientierungauch eine Kehrseite: eine
qualifizierte Weiterentwicklung der Kritik an der Globalsierung als
systemisches Phänomen fand in Nairobi kaum statt. So wurden z.B. die
internationalen Finanzmärkte, die immerhin den Kern des neuen
Akkumulationsregimes (vulgo: Globalisierung) bilden, in gerade mal fünf
Veranstaltungen ausdrücklich thematisiert.
Auch hat sich der Verzicht auf Großveranstaltungen mit prominenten
Bewegungsintellektuellen nicht ausgezahlt. Abgesehen davon, dass es für
die Identitätsbildung einer so heterogenen Bewegung auch solcher
verbindender Elemente bedarf, ist damit ein Stück Außenwirkung verloren
gegangen.
Übrig bleibt dann nur die unverbundene Koexistenz einer Vielzahl von
single issues. Es geht dabei überhaupt nicht darum, die Pluralität und
Offenheit des Forums einzuschränken. Vielfalt ist aber nur dann eine
Stärke, wenn die unterschiedlichen Elemente in produktive Reibung
miteinander treten, wenn Verallgemeinerung, Synthese und gemeinsame
Lernprozesse möglich werden. Ein statisches Pluralismusverständnis
führt hingegen dazu, dass das Forum zumMarkt der Möglichkeitenzerfällt
– mit dem enstprechenden Risiko der Entpolitisierung.
Insofern ist das Format des WSF in Nairobi mitverantwortlich für den
Verlust an Attraktivität nach innen wie nach außen.
Einige Hilfswerke und NGOs haben diese Entwicklung befördert, weil sie
glauben, das sei „ideologiefrei“. Schützenhilfe bekommen sie dabei von
einigen Linken, die aus einem Affekt gegen „die Promis“, den sie für
basisdemokratisch halten, in die gleiche Richtung ziehen.
Hier sind Reformen notwendig. Es kommt darauf an, ein Format zu
entwickeln, das komplementär zu den single issuesVerallgemeinerung
ermöglicht, scheinbar Disparates und Konkretes bündelt und Pluralität
zu einer Produktivkraft werden lässt.

Das Gegenteil eines Fehlers ist meist wieder ein Fehler
Die Versammlung der Sozialen Bewegunghat ein explizit politisches
Selbstverständnis. Sie will – anders als das Gesamtforum – nicht nur
ein Raum sein, sondern einen transnationalen Akteur konstituieren und
Handlungsfähigkeit entwickeln. Sie ist der Kristallisationskern der
Linken innerhalb des Forums und möchte einen bewussten Gegenakzent zur
Mehrheit der NGOs bilden. Allerdings bestätigte die Versammlung in
Nairobi die alte Binsenweisheit, dass das Gegenteil eines Fehlers meist
wieder ein Fehler ist.
Zwar wurde eine Erklärung verabschiedet, in der nichts Falsches steht,
ansonsten bestand das Meeting aber hauptsächlich darin, dass Fäuste
geballt wurden, Amandla Ngawethu,Parolen vom Typus „Hoch die …Weg
mit…“gleich im Dutzend gerufen wurden und zum Teil sektiererische
Kritik am Forum im allgemeinen und „den NGOs“ im besonderen geübt
wurde. Das ist nicht die Alternative zur Entpolitisierungtendenz des
WSF.
Notwendig ist stattdessen, Räume für eine qualifizierte Kritik der
Globalsierung auf der Höhe der Zeit zu schaffen. Auch das wäre im
Format des Forums zukünftig zu berücksichtigen.

WSF und Staat
Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen agieren außerhalb des
formellen politischen Systems. Sie versuchen an einem Problemfeld das
Meinungsklima in der Gesellschaft zu beeinflussen, ohne
parlamentarische Vertretung oder Regierungsbeteiligung anzustreben.
Auch wenn es inhaltliche und politische Übereinstimmungen zwischen
Parteien und/oder Regierungen und zumindest Teilen der
Zivilgesellschaft geben kann, folgen beide Akteurstypen in Strukturen
und Dynamik einer unterschiedlichen Logik und spielen gesellschaftlich
verschiedene Rollen. Insofern ist es weise, wenn das WSF auch weiterhin
auf eine gewisse Distanz zu Parteien und Regierungen achtet.
Das WSF 2007 zeigt aber auch, dass die Durchführung eines solchen
Großevents ohne die Unterstützung mindestens einer großen Kommune
äußerst schwierig ist. Bestimmte Schwächen in Nairobi, wie etwa das
Fehlen der angekündigten Übersetzung, sind nicht einfach ein
organisatorischer Mangel, sondern hochpolitisch. Eine globale Bewegung
muss ein Minimum an Kommunikationsgerechtigkeit garantieren. Wenn alles
in Englisch läuft, macht das nicht nur viele sprachlos, sondern
verfestigt auch noch die monokulturelle Hegemonie einer Sprache.
Solange staatliche Unterstützung für das WSF transparent ist und – wie
in Porto Alegre – nicht zu politischer Instrumentalisierung führt, kann
sie akzeptiert werden. Zumal gerade einige der einflussreichsten
Kritiker einer Kooperation mit dem Staat aus NGOs kommen, die selbst
über Staatsknete in der Größenordnung von sechststelligen
Millionenbeträgen zu verfügen pflegen. Insofern kam die Finanzierung
des WSF 2007 zwar nicht von der Kommune Nairobi oder dem Staat Kenia,
aber indirekt doch zu einem erklecklichen Teil aus staatlichen Budgets,
insbes. den Entwicklungs- und Außenministerien Skandinaviens,
Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands etc. oder aus staatlich
eingetriebener Kirchensteuern in den Industrieländern. Darüber sollte
man offen reden, statt mit zweierlei Maß messen.

Ein anderes WSF ist nötig
Das WSF war eine Erfolgsgeschichte. Aber: Wandel und Wechsel liebt, was
lebt. Damit die Erfolgsgeschichte ihre Fortsetzung findet, ist es an
der Zeit, dass das Projekt auf die Veränderungen der Rahmenbedingen
reagiert und sich erneuert.
Dazu gehört nicht nur das Format, sondern auch die Häufigkeit der
Treffen. Der Jahresturnus ist auf Dauer nicht durchzuhalten. Es muss
Raum und Zeit sein, für dezentrale, regionale und lokale Foren. Auch
was den Austragungsort angeht, dürfen früher einmal gefasste Beschlüsse
in Frage gestellt werden. Warum sollte ein WSF nicht auch einmal in
Europa stattfinden können, solange dies nicht zur Dauereintrichtung
wird?
Nötig wären auch Strukturen, die mehr Kontinuität und Kommunikation
zwischen den großen Meetings ermöglichen. Und last but not least
braucht es mehr Transparenz in den Entscheidungsprozessen. Zwar werden
angesichts der vielen praktischen und finanziellen Probleme
internationaler sozialer Bewegung ideale Standards von repräsentativer
und partizipativer Demokratie immer deutlich unterboten werden, aber
etwas mehr an Transparenz, Partizipation und damit Demokratie als
gegenwärtig ist durchaus möglich.

4. zwei Fragen: Venezuela und Irak
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* Wie läuft die De-Privatisierung der Telekomunikation in Venezuela?
Und vor allem warum läuft sie und wohin läuft sie? Ist das Ziel
Kommunikation für alle und zwar umsonst? Oder geht es um die
Rückeroberung der staatlichen Kontrolle über einen
sicherheitsrelevanten Bereich? Bedeutet die Verstaatlich vielleicht
sogar eine Militarisierung der venezolanischen Kommunikationsbranche?
(vgl. etwa http://www.nzz.ch/2007/01/08/al/newzzEWPEJBL5-12.html und
http://www.ftd.de/boersen_maerkte/geldanlage/150721.html)

* Was machen eigentlich die Ölquellen im Irak? Sprudeln sie einfach so
ruhig vor sich hin – jenseits von Besatzung und Bürgerkrieg? Oder hat
das doch irgendwie beides miteinander zu tun? Und wem gehören die
Quellen jetzt eigentlich – mal ganz formal gesehen? Und ganz praktisch?
Wer kassiert? Und was passiert mit den Petro-Dollars? wird ja wohl
mittlerweile in Dollar abgerechnet, oder? Sonst hätte der Einmarsch ja
gar nichts gebracht…
(vgl. Martina Doering: „Multis sichern sich Pfründe im Irak“ und Greg
Muttitt: „Überproportionaler Anteil am Gewinn“, beides Berliner Zeitung
vom 29.1.07, http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/ )

5. Termine/Konferenzen/Ankündigungen
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Globale Sozial Rechte vs. Neoliberalismus
Diskussionsreihe
1. Was verspricht sich die Linke von der Forderung nach „Globalen
Sozialen Rechten“?
7. 2. 2007, 19.00, Berlin, Haus der Demokratie
http://bewegungsdiskurs.de/html/programm_2007.html#eins

***

Die DHV (Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften) in Speyer
hat ein Forum „Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von
Liberalisierungszwang und Demographie“ angekündigt (27. bis 28. März
2007).
http://www.dhv-speyer.de/Weiterbildung/wbdbdetail.asp?id=360

Diskussionsmaterial dazu von Brangsch (Politische Bildung, rls):
„Daseinsvorsorge und Liberalisierung kommunaler Wirtschaftstätigkeit“
http://www.brangsch.de/partizipation/dasein1.htm

***

Im Mai 2007 startet die attacademie.2 mit überarbeitetem Kurskonzept.
Die attacademie ist ein Weiterbildungsprogramm für politisch Aktive aus
der globalisierungskritischen Bewegung mit zwei Schwerpunkten
(Reichtum/Eigentum und Globale soziale Rechte).
http://www.attac.de/attacademie/
Info-Flyer:
http://www.attac.de/attacademie/media/Ausschreibung-Attacademie2.pdf
Bewerbungsschluss ist der 15.04.07

=================

Please support the network.
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With best regards
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P/OeG Newsletter Oktober/November 2006

1. Konferenzbericht „Wasser ist keine Ware“
2. Privatisierung Immobilien/Wohnraum
3. Termine/Konferenzen/neue Literatur
4. „Frisch gebloggt“ (Neues im P/ÖG – Weblog)

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1. Wasserprivatisierung und Nachhaltigkeit
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„Wasser ist keine Ware“. Mit diesem aus der globalisierungskritischen
Bewegung stammenden Slogan ist die Stimmung gut beschrieben, die sich
im Verlauf der 2. Internationalen Nachhaltigkeitskonferenz der RLS am
26. und 27. Oktober 2006 abzeichnete. Zwei Tage lang diskutierten
Wissenschaftler, Aktivisten und Politiker aus Südafrika, Uruguay,
Venezuela, Bulgarien, Großbritannien, Österreich und Deutschland in
fünf Workshops und vier Podiumsdiskussionen mit rund 80 Teilnehmenden
teilweise höchst kontrovers die Auswirkungen der Kommerzialisierung
von Wasser für nachhaltige Entwicklung.
Komplette Dokumentation der Veranstaltung (bald auch mit Audio-
Dateien zum Anhören, für jene, die nicht kommen konnten):
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=11868&type=0

***

Infos zur WRRL
Auch die Wasserrahmenrichtline besagt: „Wasser ist keine übliche
Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und
entsprechend behandelt werden muß.“ Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
ist die erste EU-weit verbindliche Regelung, die eindeutig Bezug
nimmt auf ökonomische Instrumente zur Umsetzung umweltpolitischer
Zielsetzungen. Die Grüne Liga betreibt ein Informationsportal zum
Thema Wasserrahmenrichtlinie, unter
http://www.wrrl-info.de

***

Aqualibrium
Ein Webportal präsentiert die Ergebnisse des Forschungsprojekts
Aqualibrium, aus 14 EU-Ländern Berichte zu Stand und Debatte um die
Privatisierung und Kommerzialisierung von Wasser, mehr dazu unter
http://www.wrrl-info.de

***

Bericht der UNDP zur globalen Wasserkrise
Human Development Report 2006 von UNDP zum Thema „Beyond scarcity:
Power, poverty and the global water crisis“, jetzt zum Download unter
http://hdr.undp.org/hdr2006

2. Privatisierung Immobilien/Wohnraum
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Einen Schwerpunkt in wemgehoertdiewelt.de bildeten in den letzten
beiden Monaten Meldungen über Wohnungsprivatisierungen und Kämpfe
dagegen.
So sieht die Zeitung ‚Die Welt‘ einen Wendepunkt am Wohnungsmarkt,
anderswo sind Proteste von Mieterorganisationen erfolgreich:
bestimmte Wohnungen werden nicht verkauft. Die Freiburger erreichen
ähnliches mit ihrem Bürgerentscheid gegen die lokalen
Privatisierungspläne, während in Berlin schon wieder die Gelegenheit
lockt: Ein Kaufangebot der Gehag für die marode WBM. Die FU-Berlin
hat (schon länger) eine Dissertation über die Privatisierungen des
Landes Berlin online. Andere machen Lobby für den
Wohnungsprivatisierungsmarkt, während die sogenannten Real Estate
Investment Trusts (REITs) heftig in der Diskussion sind. Das ganze
wird beforscht und dafür gibt’s sogar Geld: eine
Forschungmittelausschreibung zu einem neueren Begriff der Diskussion
um Privatisierung öffentlicher Wohngesellschaften.
Das alles und mehr in der Kategorie ‚Wohnen‘ im p/ög-Blog:
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=ppg&tx_ttnews[cat]=48

3. Termine/Konferenzen
———————

Für kurz Entschlossene:
Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg läd herzlich ein zur Veranstaltung
„Schlanker Staat? Grenzen der Privatisierung“ mit: Prof. Ernst Ulrich
von Weizsäcker. Herausgeber des neuen Berichtes an den Club of Rome
„Grenzen der Privatisierung. Wann ist es des Guten zu viel?“, sowie:
Stefan Zackenfels, MdA, Vorsitzender Unterausschuss für
Beteiligungsvermögen und Gerlinde Schermer, Sprecherin des linken
Donnerstag-Kreises der SPD, Moderation: Martin Stürmer (Mitautor)
Wann? am Donnerstag, 23. November 2006, 18 Uhr in der St. Thomas
Gemeinde am
Mariannenplatz, Gemeindehaus, Bethaniendamm 25, 10997 Berlin.

Heribert Prantl kommentierte das Buch in der Süddeutschen Zeitung (Nr.
255, 06.11.2006, S. 4) übrigens folgend:

„….Wenn der Staat immer weniger Gestaltungsmacht hat – was kann der
Bürger dann noch demokratisch mitgestalten? Der Rückzug des Staates
darf nicht so weit gehen, dass er sich selbst in Frage stellt. Er
muss ein Mindestmaß an Sicherheit für seine von Zukunftsängsten
gebeutelten Menschen bieten. Wenn sie das Gefühl haben, dass die
staatliche Ordnung das nicht mehr leisten kann oder will, schwindet
ihre Loyalität zu Staat und Staatsform. Der Bundespräsident hat mit
seiner Weigerung, die Privatisierung der Flugsicherung zu
unterschreiben, das Nachdenken über die Grenzen der Entstaatlichung
befördert. Das Verfassungsgericht hat mit der Erlaubnis, öffentliche
Aufträge an soziale Bedingungen zu knüpfen, der Politik einen neuen
Weg gewiesen. Vielleicht wird daraus ja ein neuer Frühling des Staates.“

***

Kongress: Solidarische Ökonomie, Berlin
Vom 24. bis 26. November 2006 findet in den Räumen der Technischen
Universität der „Kongress Solidarische Ökonomie. Wie wollen wir
wirtschaften?“ statt.
Unter anderem mit Themen wie „Daseinsvorsorge in Bürgerhand: Wasser
und Strom“, „Perspektiven rückeroberter Betriebe“ oder „alte und neue
Kooperativen in Venezuela“.
http://www.solidarische-oekonomie.de

***

Seminare gegen die 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über
biologische Vielfalt 2008 in Deutschland. G8 zu COP 9!
Die BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie beteiligt sich an den Protesten
gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm: „Wir wollen unterbinden,
dass biologische Vielfalt und traditionelles Wissen weiterhin zur
grünen Beute von Konzernen werden. Wir sehen aber auch die
Kontinuität dieser neuen Form des Kolonialismus, bei der das G8-
Treffen nur ein Forum unter vielen ist. Nach der Enteignung von Land
und der Versklavung von Menschen im Laufe der kolonialen Eroberung
der Welt ist Biopiraterie eine weitere große Enteignungswelle im
Rahmen der kapitalistischen Expansion.“, siehe zu den Terminen der
Kampagne gegen Biopiraterie unter http://www.biopiraterie.de

***

Wie an anderer Stelle von uns berichtet, führte die Berliner
MieterGemeinschaft e.V. im Februar 2006 eine Konferenz mit dem Titel
„Privatisierung in Berlin – Ist Privatisierung nur eine Folge ‚leerer
Haushaltskassen‘ oder ein Instrument globaler Verwertungsstrategie?“
durch. Etwa 200 Interessierte verfolgten im DGB-Gewerkschaftshaus die
Diskussionen zu den Bereichen Wohnungsversorgung, Wasser, PPP und
Gesundheit. Während der Konferenz wurde ohne Gegenstimmen eine
Resolution beschlossen. Die Konferenz – aktueller denn je – ist
komplett aufgezeichnet worden und kann angehört werden unter
http://www.bmgev.de/privatisierung/konferenz-dokumentation/vortraege-
mp3/index.html

***

Individualität und Eigentum
Zur Rekonstruktion zweier Grundbegriffe der Moderne hat Christian
Schmidt jetzt seine Dissertation publiziert. Sowohl Individualität
als auch Eigentum erhielten ihren heutigen Sinn erst mit den
bürgerlichen Revolutionen. Die ökonomische Ordnung des Kapitalismus
beruht auf der als Besitz bekannten Zuordnung von Dingen zu Personen
und der strikten Trennung von Eigentum und Person. Christian Schmidt
rekonstruiert die beiden Grundbegriffe der Moderne und diskutiert
dabei Fragen der Entfremdung, des geistigen Eigentums und des
Eigentums im Sozialismus, mehr unter
http://www.terrashop.de/16156011/direktlink/bk_info.php

***

Copyright & Copyriot
Über die Kommerzialisierung digitalisierten Wissens, die
Aneignungskonflikte im informationellen Kapitalimus und zur Frage
„was ist Eigentum“, schreibt Sabine Nuss in ihrer Dissertation, jetzt
erschienen im Dampfbootverlag, siehe:
http://www.dampfboot-verlag.de/buecher/647-5.html

3. „Frisch gebloggt“
—————–

Gutes Weblog zum Thema Ungleichheit
www.esztersblog.com ist ein cooles Weblog aus dem Forschungs- und
Lehralltag einer Wissenschaftlerin in Kalifornien. So berichtet sie
z.B. von der Berkeley-Harvard-Inequality-Group und von ihren
Diskussionsveranstaltungen mit Themen wie etwa
„Informationstechnologie und Ungleichheit“.

„(Anti-)Privatisierung“
Die WASG bringt ihren Newsletter am 15.11.2006 als Extra-Ausgabe zum
Thema „(Anti-)Privatisierung“ heraus. Besonders schön: die Initiative
zum „Privatisierungs-Watching“, unter info.w-asg.de/uploads/media/
newsletter_2006-extra-2.pdf

Wer hat Geld für einen kritischen Dokumentarfilm?
Ein kritisches Dok-Film-Projekt betreibt Foundraising: http://
www.bahn-unterm-hammer.de

IfW Kiel macht jetzt auch in Öffentlichen Gütern
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat jetzt ein eigenes
Forschungsprogramm aufgelegt für „Öffentliche Güter und
Wirtschaftspolitik“, unter
http://www.uni-kiel.de/ifw/prog2/prog2.htm

und ein bisschen in eigener Sache:

Domain Confusement
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who-owns-the-world.com is the promotion webpage for a new book about
worldwide landownership

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We like to invite all of you to support this project, to come to the
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material to the mailing-list.

With best regards
Dieter Klein: klein-at-rosalux.de
Rainer Rilling: rilling-at-rosalux.de
Sabine Nuss: nuss-at-rosalux.de
Ingo Stützle: istuetzle-at-so36.net
Markus Euskirchen: m-at-euse.de
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‚Die Welt‘ sieht einen Wendepunkt am Wohnungsmarkt

Wendepunkt am Wohnungsmarkt
Freiburger Bürger stimmen gegen Privatisierung von städtischen
Wohnungen. Der Entscheid schmälert die Chancen für weitere Verkäufe.

Von Richard Haimann
Freiburg – Das Ergebnis war absehbar, die Konsequenzen sind es auch:
„Freiburg ist ein Wendepunkt“, sagt Thomas Beyerle, Chefresearcher der
Allianz-Immobilientochter Degi. Nachdem 70,5 Prozent der
wahlberechtigten Einwohner der Breisgau-Stadt gegen den Verkauf von 7900
städtischen Wohnungen gestimmt haben, drohen nun eine ganze Reihe von
Vorhaben, bei denen die öffentliche Hand auf Investoren angewiesen ist,
auf Eis gelegt zu werden. Beyerle: „Im schlimmsten Fall werden auch
Public-Private-Partnership-Projekte abgeblasen.“

Mit dem Wohnungsverkauf wollte Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter
Salomon 510 Mio. Euro einnehmen, um die Schulden der Stadt zu tilgen.
Nun ist die Kommune finanziell nicht mehr handlungsfähig. Experten
hatten mit dem ablehnenden Votum gerechnet, nachdem die Bürgerinitiative
„Wohnen ist Menschenrecht“ problemlos die nötigen Unterschriften für den
Bürgerentscheid zusammenbekommen.

Nicht nur in Freiburg, bundesweit gebe es erhebliche Ängste in der
Bevölkerung vor den Folgen des Verkaufs kommunaler Wohnungspakete an
ausländische Investoren, weiß Rolf Scheffler, Leiter von
Aengevelt-Research. „Die Menschen hören von hohen Renditezielen und
fürchten, dass die Mieten steigen und die Gebäude verkommen.“ Weder
Politik, noch ausländische Investoren hätten bisher diese Ängste ernst
genommen. Scheffler: „Kein Opportunity Fund hat eine aktive
Kommunikationsstrategie betrieben, um Bürger und Mieter zu gewinnen.“
Dieser Ansicht ist auch Beyerle: „Die Investoren müssen lernen, dass
eine gute Kommunikation 51 Prozent jedes gelungenen Kapitalmarktdeals
ausmacht.“ Wie zum Beweis war gestern kein angelsächsischer Investor
bereit, die Freiburger Entscheidung offiziell zu kommentieren.

Dabei dürfte das Bürgerveto Signalcharakter für andere Kommunen haben,
in denen ein Verkauf von Wohnungsunternehmen geplant ist, meint der
Degi-Chefresearcher. „Politiker werden gut überlegen, ob sie an
Verkaufsplänen festhalten und ihre Wiederwahl aufs Spiel setzen.“ Auch
Public-Private-Partnership-Projekte wie das Sale and Lease Back von
Schulen und Krankenhäuser drohten nun zu scheitern, sagt Beyerle. Bei
diesen Vorhaben verkauft eine Kommune ihre Immobilien an einen Investor
und mietet sie anschließend zurück. Ziel ist es, mit dem Erlös Schulden
zu tilgen.

Für Tobias Just, Immobilienanalyst bei Deutsche Bank Research, hat die
Trendwende bereits beim Verkauf der Dresdner Woba an Fortress im
Frühjahr begonnen. Just: „Damals gab es erstmals massiven Widerstand im
politischen Raum.“ Dieser habe inzwischen erhebliche Ausmaße angenommen.
Diese zeige das Gesetz zur Einführung der Real Estate Investment Trusts
(REITs). Wegen heftigen Widerstands in der SPD sollen die Steuer
optimierten, an einer langfristigen Bestandshaltung interessierten
Trusts keine Wohnungen erwerben dürfen. Damit bleiben die nur an einer
kurzfristigen Renditeoptimierung interessierten Opportunity Funds quasi
die einzigen Ansprechpartner jener Kommunen, die ihre
Wohnungsgesellschaften veräußern wollen, um die Haushaltslage aufzubessern.

Dabei schließt sich nach Ansicht von Just ohnehin das Zeitfenster, in
dem Kommunen noch gute Preise bei Wohnungsverkäufen erzielen können.
Wegen des Zinsanstiegs würden Investoren lediglich in wirtschaftlich
starken Regionen noch Top-Preise zahlen. Das zeigen zwei Beispiele aus
der vergangenen Woche: Für die Übernahme von 87 Prozent der Aktien der
Grundstücks- und Baugesellschaft Heidenheim mit ihren 9000 Wohnungen in
Rheinland-Pfalz blätterte Gagfah 763 Euro/qm hin. Hingegen zahlten
Morgen Stanley Real Estate Fund (MSREF) und Arsago Real Estate für 1900
Wohnungen in Dresden lediglich 630 Euro/qm.

erschienen am 14.11.2006

REITS und LEG-Verkauf: NRW-Finanzminister Linssen zuendelt am sozialen Wohnen

Fast zeitgleich mit der Ankündigung des Verkaufs der Landesanteile an der LEG hast sich NRW-Finanzminister Linssen (CDU) Presseberichten zufolge für die Einbeziehung von Wohnungen in die heftig umstrittenen Real Estate Investment Trusts (REITs) ausgesprochen. Er verstärkt damit die Kampagne der Finanzlobby und der CDU gegen das Zugeständnis von Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) an die SPD und den Bundes-Wohnungsbauminister. Für Mieterforum Ruhr ist klar: „Linssen legt gleichzeitig mehreren Lunten an die soziale Wohnraumversorgung in NRW.“

Ein Zusammenhang zwischen dem LEG-Verkauf und der REITs-Befürwortung und dem LEG-Verkauf ist naheliegend: Werden Wohn-REITs in Deutschland zugelassen, dürfte das Interesse von Finanzinvestoren an deutschen Wohn-Immobilien noch einmal immens wachsen. Denn diese steuerbefreiten Immobiliengesellschaften erlauben eine schnelle und gewinnbringende Refinanzierung des eingesetzten Eigenkapitals über die Börse. Es würden sich schnell neue Bieterstrukturen für die öffentlich verbundenen Wohnungsbestände in Deutschland aufbauen. Der für 2007 oder 2008 geplante LEG-Verkauf könnte dann mitten in die aufkommende REITs-Euphorie geraten. Das würde die Gebote in die Höhe treiben und es Linssen eventuell ermöglichen, die LEG ohne Verluste für den Landeshaushalt zu veräußern.

Diese Rechnung greift allerdings sehr kurz. Durch die Zulassung der REITs drohen vor allem Bund und Kommunen auf Dauer Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verloren zu gehen. REITs werden nicht nur den LEG-Verkauf erleichtern, sondern auch die Privatisierung zahlreicher kommunaler Wohnungsunternehmen durch die klammen Kommunen anheizen. Binnen kurzen wird dann von der öffentlich verbundenen Wohnungswirtschaft in NRW, dem letzten öffentlichen Instrument zur Beeinflussung der Wohnungsmärkte und der Stadtentwicklung, kaum noch etwas übrig bleiben.

REITs müssen auf Rendite-Maximierung aus sein, und das heißt: Mieterhöhungen, Einzelprivatisierungen, zusätzliche Kredit-Belastung der Wohnungsbestände, Personalabbau.. Die Folgekosten für den Stadtumbau, die Wohnungsversorgung der Einkommensschwächeren, die soziale Integration und die zusätzliche Arbeitslosigkeit werden auf Land und Kommunen zurückfallen. Den Hauptpreis aber werden die betroffenen Mieter zahlen und alle, die auf preisgünstige Wohnungsangebote angewiesen bleiben.

„Nach uns die Sintflut – das scheint das Motto der CDU-Wohnungspolitik in NRW zu sein“, erklärt Mieterforum-Sprecher Knut Unger. „Wenn sich diese Linie des Raubbaus am öffentlichen Wohnungsvermögen in dieser Legislaturperiode durchsetzt, werden wir danach nur noch einen Scherbenhaufen zusammenfegen können.“

Weitere Infos zu REITs unter: http://www.mieterforum-ruhr.de

Pressemitteilung Mieterforum Ruhr
Bochum, 25.10.2006


Knut Unger
Email: unger@mvwiit.de
MieterInnenverein Witten
Schillerstr. 13. ,D- 58452 Witten
Tel. ++49-(0)2302-276171
Fax. ++49-(0)2302-27320
http://www.mvwit.de

Frankurt am Main: Mieterverein streitet mit US-Investoren

Fortress-Konzern will Mieten seiner Frankfurter Wohnungen deutlich erhöhen / So genannte Sozial-Charta sorgt für Unklarheiten.
Der US-Konzern Fortress besitzt außer in Dresden auch Wohnungen in der Rhein-Main-Region – 2000 allein in der Frankfurter Innenstadt. Möglich wurde dies durch die Privatisierung öffentlichen Wohnraums. Jetzt erleben die Mieter eine Überraschung.

Wer nach der Wortbedeutung geht, muss annehmen, eine Sozial-Charta sei eine Art rechtliche Urkunde, die der Gemeinschaft dient. Doch wenn es um Privatisierung öffentlichen Wohnraums geht, liegt der Fall etwas anders: Besagte Gemeinschaft sind die Mieter einer Siedlung in der Frankfurter Innenstadt, zwischen Fahrgasse und Konstablerwache, deren Wohnungen der Gagfah (Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten) gehören. Vor rund zwei Jahren verkauft die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ihre Gagfah-Mehrheitsbeteiligung an den US-Finanzinvestor Fortress, der somit zum Gagfah-Hauptgesellschafter wird. Nach wie vor ist jedoch die Gagfah in der Rolle des Vermieters. Am 30. September 2004 tritt die „Gagfah-Sozial-Charta“ in Kraft. Sie gilt für alle Mieter, die zu diesem Zeitpunkt in einer Gagfah-eigenen Wohnung leben. In dieser Charta sind neben Kündigungsschutz und Vorkaufsrechten auch „Mieterhöhungsbegrenzungen“ geregelt. In der „vereinfachten“ Version heißt es: „Der gesetzliche Mieterhöhungsspielraum wird für die Mietverhältnisse, die bereits zum 30.9.2004 in Bezug auf Wohnungen der Gagfah bestanden haben, für insgesamt 10 Jahre eingeschränkt. Mieterhöhungen werden im Gesamtdurchschnitt bis zum 30.9.2009 begrenzt auf die jährliche Veränderungen des Verbraucherpreisindexes zuzüglich 1,5 Prozentpunkte).“
Nur in den ausführlichen Charta-Bestimmungen steht der Passus: „Diese Regelung bezieht sich auf den Gesamtdurchschnitt der Mieten, die aufgrund der am 30.9.2004 bestehenden Mietverhältnisse zu zahlen sind. Es ist deshalb möglich, dass in Bezug auf einzelne Wohnungen die Miete stärker erhöht wird.“

Gagfah fordert Mieterhöhungen
Im Oktober 2005 verschickt die Gagfah Mieterhöhungsschreiben an jene Gemeinschaft, darunter die Eheleute S., die seit 1984 in der Siedlung wohnen. Für ihre 80-Quadratmeter-Wohnung in der Fahrgasse zahlen sie bis dato 444 Euro Kaltmiete. Die Gagfah fordert eine Erhöhung um 33,70 Euro – eine Steigerung von 7,59 Prozent, und bezieht sich auf „den derzeit geltenden Mietspiegel“. Den Eheleuten S. erscheint diese Miete als zu hoch und im Widerspruch zu der Sozial-Charta. Sie wenden sich, so wie einige andere Gagfah-Mieter, an den Frankfurter Verein „Mieter helfen Mietern“. Dieser schickt Ende 2005 einen „Widerspruch gegen die Mieterhöhung“ an die Gagfah, verweist auf die Sozial-Charta und gibt an, die Eheleute S. seien mit einer dem entsprechenden Mieterhöhung um 13,88 Euro – rund drei Prozent, berechnet aus Veränderungen des Verbraucherpreisindex‘ plus 1,5 Prozentpunkte – einverstanden. >br>
Jürgen Lutz, Vorstandsmitglied und Berater von „Mieter helfen Mietern“, erläutert: Durch die von der Gagfah geforderten Mieterhöhungen „verlöre die Charta ihre Funktion als Vertrag zu Gunsten Dritter, durch den die Mieter vor deutlichen Mieterhöhungen geschützt sein sollten“. Ein solcher Vertrag berechtigt einen Dritten, in diesem Fall den Mieter, eine vertraglich vereinbarte Leistung – auch per Rechtsweg – zu fordern.
Der Verein führt außerdem an, die Mieterhöhungsschreiben enthielten „keine Darlegung, wie hoch im Bundesdurchschnitt die Gagfah-Mieten in 2005 bereits erhöht worden waren bzw. welche Berechnungen vorliegen, mit denen der Durchschnitt überwacht wird“. Der Verein fordert Einsicht in die Mieterhöhungsbilanzen der Gagfah, Angabe des durchschnittlichen Mieterhöhungs-Prozentsatzes sowie „Mitteilung der Gründe“, die die Gagfah „dazu bewogen haben“, Mieten in der Innenstadt-Siedlung anzuheben. „Erst vor einem Jahr“ war dort die Miete „wegen einer baulichen Sanierungsmaßnahme erhöht worden“.
Im Gespräch erläutert Gagfah-Pressesprecher Peter Kummer gegenüber der FR: „Die Mieterhöhungen bewegen sich sowohl innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Vorgaben als auch der Sozial-Charta. Der darin erwähnte ,Gesamtdurchschnitt‘ ergibt sich aus der Summe der Kaltmieten aller Wohnungen, die unter die Charta fallen, sei es in Hamburg, Berlin oder Frankfurt.“ Ob in die Berechnung Faktoren wie Qualität des Wohnumfelds, Wohnungsausstattung oder Infrastruktur mit einfließen, bleibt unklar.

Verein erhält kein „Prüfungsrecht“
In einem Schreiben, das der FR vorliegt, antwortet die Gagfah dem Mieter-Verein, es bestünden für ihn „keine weiteren Prüfungsrechte und schon gar keine Berechtigung, die Zustimmung zur begründeten Mieterhöhung unter Hinweis auf die Sozialcharta zu verweigern“. Weiter heißt es: „Bei dieser gegenüber den Mietern freiwilligen Beschränkung mietrechtlicher Möglichkeiten handelt es sich gerade nicht um eine vertragliche Vereinbarung, auch nicht um einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter, der mit einem eigenen Anspruchsrecht des begünstigten Mieters verbunden wäre. Auf die Einhaltung der freiwilligen Mieterhöhungsbeschränkung werden Sie sich verlassen können und müssen.“
Die Eheleute S. zahlen zurzeit 457,88 Euro Kaltmiete, exakt den Betrag, den sie und der Mieter-Verein für angemessen halten. Die Gagfah hat ihnen eine Frist bis 17. März 2006 gewährt, ansonsten müssten sie damit rechnen, dass die Gagfah „auf Erteilung der Zustimmung“ zur Mieterhöhung klage.
Ist eine Sozial-Charta nun eine rechtlich bindende Vereinbarung oder eine freiwillige Selbstverpflichtung, aus der „Dritte“ jedoch keine Rechte ableiten können? Gagfah-Sprecher Peter Kummer lässt Spielraum für Interpretationen: „Der Kündigungsschutz für langjährige Gagfah-Mieter ist in die Mietverträge mit aufgenommen worden“, aber „natürlich“ seien alle anderen Charta-Punkte „ebenso bindend“.

Tanja Kokoska, Frankfurter Rundschau, 16.05.2006

Gegner des Wohnungsverkaufs machen in Freiburg mobil

Freiburg In dieser Woche beginnt die Sammlung von Unterschriften gegen den vom grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon angekündigten Verkauf des gesamten Wohnungsbestandes in Freiburg. Zehn Prozent der Wahlberechtigten müssen zustimmen, damit das Plebiszit überhaupt stattfinden kann.
Erst glaubten viele an einen Aprilscherz, doch Salomon, der einzige grüne Großstadtbürgermeister, meinte es ernst, als er am 1. des vorigen Monats bekannt gab, den kompletten Bestand von rund 9000 städtischen Wohnungen zu veräußern. Die Freiburger Stadtspitze erwartet sich davon Einnahmen von mindestens einer halben Milliarde Euro, womit sie nicht nur das Haushaltsdefizit, sondern alle Schulden in Höhe von rund 400 Millionen Euro tilgen könnte. Die Verwaltung hat ihren Plan vorige Woche den Fraktionen des Gemeinderates vorgelegt und erklärt, es gäbe keine andere Lösung, um Schulen und andere Einrichtungen sanieren zu können.

Soziale Schieflage befürchtet

Gegen den Wohnungsverkauf haben sich bislang die SPD und die linken „Unabhängigen Listen“ im Gemeinderat ausgesprochen, weil sie soziale Schieflagen und ein noch höher steigendes Mietniveau befürchten, wenn die Stadt alle wohnungspolitischen Instrumente aus der Hand gibt. Die gleich starken Fraktionen von CDU und Grünen, die die Ratsmehrheit bilden, haben sich noch nicht endgültig festgelegt, doch die Parteispitzen signalisierten bereits Unterstützung für Salomons Verkaufskurs.

Sozialverbände, der Mieterbund, die CDU-Sozialausschüsse, Teile der Freien Wähler, Kirchenvertreter, die grüne Jugend und die grüne Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae sind gegen den Komplettverkauf. Der Ortschaftsrat des Stadtteiles Kappel hat einstimmig gegen den Verkauf votiert, und auf der Mai-Kundgebung des DGB in Freiburg musste Salomon beim Grußwort gegen ein mächtiges Pfeifkonzert anreden.

Eine neu gegründete Initiative „Wohnen ist Menschenrecht“ will diese Woche mit der Sammlung von Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen den Verkauf beginnen. Ein solches Plebiszit ist nach der baden-württembergischen Gemeindeordnung möglich, wenn mindestens ein Zehntel der Wahlberechtigten zustimmt – das wären in Freiburg 14 000 Unterschriften. Beim dann folgenden Urnengang müssten mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen, damit das Votum Wirkung erzielt. Eine einfache Mehrheit würde dann genügen, um den Deal platzen zu lassen. Noch keines der bislang drei Bürgerbegehren erreichte in Freiburg sein Ziel, in zwei Fällen ignorierte der Gemeinderat die nicht bindende Abstimmung, weil das Quorum verfehlt wurde.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens sind jedoch optimistisch, die Abstimmung zu gewinnen. „Die Empörung ist gerade jetzt groß“, erklärt SPD-Kreisvorsitzender und Stadtrat Walter Krögner.

Der Gemeinderat soll nach dem Willen der Stadtspitze am 4. Juli über den Wohnungsverkauf befinden.
Heinz Siebold, in Frankfurter Rundschau, 10.Mai.2006, Seite 9

Jenseits der roten Linie. In Dresden haben Linkspartei-Politiker fuer die Privatisierung von oeffentlichem Wohneigentum gestimmt. Aus Finanznot.

Oskar Lafontaine will sie deshalb aus der Partei werfen. Jetzt haben sie ihn in einem geharnischten offenen Brief geantwortet

Es ist ein Konflikt, in dem es um viel geht – das Selbstverständnis der Linkspartei zwischen Realpolitik und Opposition. In Dresden haben neun Linkspartei-Stadträte kürzlich dem Verkauf der kommunalen Wohungsbaugesellschaft Woba an einen US-Investor zugestimmt. Dresden, zuvor hoch verschuldet, ist nach dem Verkauf schuldenfrei – allerdings auch frei von kommunalem Wohnungseigentum.
Oskar Lafontaine, Chef der Bundestagsfraktion der Linkspartei, hatte die Dresdner neun aufgefordert, die Partei zu verlassen. Die Partei dürfe bei der Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge nicht mitmachen. Dies sei für Linke die rote Linie.
Nun wehren sich die Dresdner Christine Ostrowski und Ronald Weckesser mit einem geharnischten offenen Brief. Sie votieren für „linke Realpolitik und gegen ideologische Symbolpolitik“. Den US-Investor habe man auf „langjährigen Kündigungsschutz und Mietpreisbegrenzungen“ festgelegt. In Dresden gebe es „erheblichen Wohnungsleerstand“, was die Privatisierung unproblematisch mache. Außerdem sei die „Konsolidierung der öffentlichen Finanzen keine neoliberale Spinnerei, sondern sozialpolitischer Imperativ“. Ganztagsschulen müssten auch bezahlt werden.
Der Brief ist ein Frontalangriff auf Lafontaines keynesianistische Grundthese, dass mehr Staat und mehr öffentliche Investitionen der Königsweg seien. Lafontaine, schreiben Ostrowski und Weckesser, „erweckt den Eindruck, dass öffentliches Eigentum unverzichtbar für die öffentliche Daseinsvorsorge ist. Wenn aber Wohnen so existenziell ist, dass es nicht privatisiert werden darf, bleibt zu fragen, ob die Verstaatlichung von Bäckereien auf die linke Agenda gehört, ist doch das tägliche Brot mindestens so unentbehrlich.“
Der Woba-Verkauf war nicht nur in der Linkspartei scharf angegriffen worden. Auch Mietervereine bezweifeln, dass sich der US-Investor langfristig an die Abmachungen hält.
Gegen die neun sind inzwischen Ausschlussanträge eingereicht worden. Der Dresdner Bundestagsabgeordnete Michael Leutert sagte zur taz, sie hätten gegen den Willen der Partei den Verkauf betrieben, ohne über Alternativen wie Teilverkauf oder die Bildung von Mietergenossenschaften nachzudenken. Er ist prinzipiell gegen Ausschlüsse: „Gesinnungspolizei hatten wir früher.“ Wahrscheinlicher als Ausschlüsse scheint eine Spaltung der Linksfraktion im Stadtrat, weil sich die Gegner des Verkaufs überfahren fühlen.
Der Linkspartei-Fraktionschef im Sächsischen Landtag, Peter Porsch, lobte den Brief als Versuch, auf die „argumentative Ebene“ zurückzukehren. Wie viel kommunales Eigentum nötig sei, sagte er der taz, „ist kein Problem der PDS, sondern der Gesellschaft“. Mit „dogmatischen roten Linien“ löse man es nicht.
Die Dresdner Bundestagsabgeordnete Katja Kipping meinte indes zur taz, dass das Ja zum Woba-Verkauf „zu einem Dammbruch“ führe. Der Widerstand gegen Privatisierung von Wohnungen sei schwieriger geworden – weil doch sogar Linke in Dresden dafür waren.
Quelle: taz, 18.3.2006

Entschieden einseitig. Gegen Privatisierungen veranstaltet Berliner Mietergemeinschaft am 11. Februar eine erste Konferenz. Konzentrierte Diskussion zu Folgen der Enteignung der oeffentlichen Hand erwartet.

Am Anfang stand ein bedauerlicher Befund. Auf der Suche nach Bündnispartnern im Kampf gegen Privatisierungen des öffentlichen Wohnungsbestandes in der Hauptstadt traf die Berliner Mietergemeinschaft auf wenig Zuspruch. Wie Andrej Holm am Dienstag auf einer Pressekonferenz berichtete, fand man sich unverständlicherweise weitgehend isoliert. All die vielen Argumente, alle Hinweise auf die Schäden, die den Mietern und dem Gemeinwesen aus dem Verkauf von Wohnungen entstehen, wurden nicht berücksichtigt. Quer durch alle Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus gehe ein Konsens: Nicht das Ob, sondern höchstens das Wie von Privatisierungen sei noch umstritten. Was dabei den einen die wohltuende Wirkung des Marktes, sei den anderen der unhintergehbare Sachzwang der Globalisierung. Innerhalb von zehn Jahren wurden bis 2005 in Berlin etwa 210 000 Wohnungen verkauft – 55 Prozent davon in der Zeit des SPD-PDS-Senates. Höchste Zeit also, sich anderswo nach Bündnispartern umzusehen.  
Widerlegung der Mythen
Am 11. Februar zieht die Mietergemeinschaft auf einer Konferenz im Berliner DGB-Haus Bilanz. Offenbar führte die Suche nach entschiedenen Privatisierungsgegnern zu vielfältigem Erfolg. Da ist der Donnerstagskreis der Linken in der Berliner SPD, für den Gerlinde Schermer engagiert wie eh und je gegen die Verbetriebswirtschaftlichung der öffentlichen Haushalte streitet. Da sind Kollegen aus dem gewerkschaftlichen Bereich und – nicht zuletzt – kritsche Wissenschaftler. Zusammen können sie den Bogen schlagen von einer Widerlegung der Mythen der Privatisierer über die Bereiche Wohnen, Gesundheitswesen und Wasser bis hin zur politischen Praxis. Denn die Konferenz ist entschieden einseitig, wie Joachim Oellerich von der Mietergemeinschaft hervorhob, den Privatisierern wolle man nicht noch ein Podium bieten, auf dem sie ihre »Der Markt wird’s schon richten«-Position ausbreiten können. Der thematischen Breite und Qualität der Debatte muß das aber keinen Abbruch tun, im Gegenteil. An wenigen Orten im Lande wird sich eine so konzentrierte Diskussion zu den Voraussetzungen und Folgen der Enteignung der öffentlichen Hand organisieren lassen wie in Berlin, wo seit 1996 der Verkauf öffentlichen Eigentums Senatsdoktrin ist. 
Großverkäufe am Pranger
Der Reigen der Großverkäufe begann 1997 mit dem Stromversorger BEWAG. Bereits nach vier Jahren verkaufte der Ersterwerber Southern Energy die BEWAG weiter an Vattenfall – zu 150 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von 1,45 Milliarden Euro. Die beachtliche Wertsteigerung ging nicht auf einen Ausbau des Unternehmens zurück: Die Beschäftigtenzahlen wurden halbiert, die Investitionen auf einen Bruchteil zurückgefahren. Die Befunde beim Gasversorger GASAG und den teilprivatisierten Wasserbetrieben fallen nicht anders aus: Die Preise für Gas, Wasser und Strom steigen, die Investitionen und die Belegschaften werden von den privaten Eigentümern massiv reduziert.  Dabei ist es gerade der angestaute Investitionsbedarf der öffentlichen Hand, der zur Legitimation von Privatisierungen angeführt wird: Die Mobilisierung privaten Kapitals für öffentliche Aufgaben in »öffentlich-privaten-Partnerschaften« endet aber selbstverständlich immer mit der Bereicherung der Privaten und der weiteren Einschränkung der Daseinsvorsorge. Die Konferenz wird deshalb Folgen haben müssen. Vielleicht lassen sich verbindliche Verabredungen treffen, um der Hegemonie der Privatisierer etwas entgegenzusetzen – nicht nur im Berliner Wahljahr 2006, nicht nur in Berlin.  
 
Sebastian Gerhardt, junge welt, 08.02.2006

Privatisierung mit Folgen: Tausende landeseigene Wohnungen sind noch zu verkaufen – fuer Mieter ist das nicht immer gut

Helga Loesch hat Angst um ihr Zuhause. Seit 27 Jahren wohnt die 73-Jährige mit ihrem Mann an der Argentinischen Allee in Zehlendorf. Bald soll sie 79 Euro mehr Miete im Monat zahlen. „Wenn dann noch Mieterhöhungen dazukommen, wird das unbezahlbar“, fürchtet ihr Mann Jürgen. Schließlich seien es schon jetzt fast 1 000 Euro mehr, die sie im Jahr zahlen müssen. Grund für die Steigerung der Kaltmiete von 4,10 auf 5,58 Euro pro Quadratmeter sind Modernisierungen, die das US-Unternehmen Oaktree, der neue Eigentümer der ehemals landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gehag, auch gegen den Willen der Mieter durchsetzen will.
„Daran zeigt sich deutlich, welche negativen Konsequenzen eine Privatisierung für Mieter hat“, erklärt Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. Aber trotz dieser Erfahrungen bei der Gehag werden auch andere Gesellschaften weiter Wohnungen verkaufen. So will sich die finanziell angeschlagene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) von 8 000 bis 10 000 Wohnungen trennen. Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land plant den Verkauf von 1 800 Wohnungen in der High-Deck-Siedlung in Neukölln, die Gesobau möchte 2 500 Wohnungen im Märkischen Viertel loswerden. Erst vor Jahresfrist hatte die zur Degewo-Gruppe gehörende Wohnungsbaugesellschaft Marzahn 3 858 Wohnungen an einen holländischen Investor verkauft.
Die SPD-Fraktion will diesen Ausverkauf nun stoppen – sie hat den Senat aufgefordert, dass die landeseigenen Unternehmen keine weiteren Wohnungen verkaufen sollen, es sei denn, es ist – wie bei der WBM – fürs finanzielle Überleben nötig. Außerdem forderte die Fraktion ein Gesamtkonzept für den weiteren Umgang mit den sechs großen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die zurzeit etwa 275 000 Wohnungen besitzen. Ob die SPD die geplanten Verkäufe von Gesobau und Stadt und Land stoppen kann, ist zweifelhaft. Denn in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung glaubt man nicht, dass diese Gesellschaften auf das Geschäft verzichten. Die Wohnungen sollen verkauft werden, weil die Sanierungskosten für die teils 30 bis 40 Jahre alten Häuser zu hoch wären. Viel mehr soll aber nicht verkauft werden. Ziel sei es, 250 000 bis 260 000 Wohnungen im Landesbesitz zu sichern, damit man sozial schwache Mieter versorgen kann.
Der SPD-Bauexperte Jürgen Radebold sagte der Berliner Zeitung, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Finanzverwaltung und der Stadtentwicklungsverwaltung solle in den nächsten zwei Monaten ein Konzept für den Umgang mit den Wohnungsbaugesellschaften erarbeiten. Ob sich die Gruppe mit der Frage beschäftigt, ob das Land weitere Wohnungsbaugesellschaften verkauft, ist aber nicht sicher. Kurz vor den Wahlen im September dürften alle Beteiligten ein solches Thema vermeiden wollen, um Mieter nicht zu beunruhigen. Investoren hoffen bereits auf den Verkauf der Gesobau im Jahr 2007. Offiziell bestätigt das freilich niemand. Für diese Legislaturperiode gilt die Aussage der Koalition, es werde keine weitere Wohnungsbaugesellschaft verkauft.
Dass Verkäufe an Investoren nicht automatisch zu Problemen führen müssen, zeigt das Beispiel Lone-Star-Funds. Die US-Gesellschaft und ihr Tochterunternehmen, die Wohnpark Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft (WVB), haben seit Dezember 2000 5 500 Wohnungen in Hellersdorf gekauft und saniert. Dabei sei „durchaus auf die Interessen der Mieter Rücksicht genommen worden“, sagt Vetter. Nicht aus Nächstenliebe, sondern weil es in Hellersdorf ein Überangebot an Wohnungen gibt. Mehr als die ortsübliche Miete sei nicht drin, sagt WVB-Geschäftsführer Rainer Uhde. Eine sanierte 63 Quadratmeter große Wohnung kostet bei der WVB heute 456 Euro warm.
Die WVB umwirbt ihre Mieter: In ihren vier Wohnparks gibt es Beratungsstellen, einen Sicherheitsdienst, und bei Mietrückständen wird eine Finanzberatung angeboten. Zudem lockt sie mit Angeboten: Wer zum Beispiel nach dem 16. Februar einzieht, darf bis Ostern mietfrei wohnen.
Ganz anders als in Hellersdorf ist Wohnraum in Zehlendorf sehr begehrt. Hier braucht es keine Sonderaktionen, um zahlungskräftigere Mieter zu finden, wenn sich die alten eine Modernisierung nicht leisten können. Viele Mieter an der Argentinischen Allee sind alleinstehende Rentner. „Sie werden gehen müssen, weil ihnen die Wohnungen zu teuer werden, in denen sie seit Jahrzehnten leben“, fürchtet Barbara Boroviczény. Sie hat eine Initiative gegründet. Gemeinsam mit anderen Mietern will sie sich gegen die Modernisierung wehren. Denn die Mieter, die mit der Modernisierung nicht einverstanden waren, wurden im November 2005 auf Zustimmung verklagt – derzeit laufen die ersten Gerichtsverfahren.
Von Iris Brennberger, Ulrich Paul und Sarah Schelp
Quelle: Berliner Zeitung, 30. Januar 2006, http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/521944.html

Wenn der Investor klingelt

Aus der Traum vom humanen Wohnen für alle. Mit dem Verkauf von Millionen Sozialwohnungen an internationale Fonds verraten deutsche Städte ein Jahrhundertwerk
(…) Den Verkauf der Aachener Wohnungsgesellschaft GeWoGe hat die Aufsichtsbehörde, der Kölner Regierungspräsident, genau aus diesem Grund untersagt: Die Veräußerung verstoße gegen die Gemeindeordnung. Die GeWoGe habe die Aufgabe, »breite Schichten der Bevölkerung« mit preiswertem Wohnraum zu versorgen – dieser Verpflichtung könnte Aachen ohne die GeWoGe nicht mehr nachkommen. Die Verpflichtung steht in nahezu allen Gemeindeordnungen. Aufsichtsbehörden könnten, indem sie sich darauf berufen, Wohnungsverkäufe fast immer untersagen. Dass sie es nicht tun, liegt nach Ansicht des Mieterbunds daran, dass die Verkäufe politisch gewollt sind.
(…)
Am heftigsten wird der Streit innerhalb der Dresdner PDS ausgetragen. Die Hälfte ihrer Stadtratsfraktion stimmte mit der CDU für den Verkauf und verhalf dem Beschluss damit zur Mehrheit. Die andere Hälfte ist, wie die Parteibasis, gegen den Verkauf. Durchgesetzt haben sich, wie so oft, wenn die PDS Macht übernimmt, die Pragmatiker. Ihnen geraten die Bedürfnisse der so genannten kleinen Leute, als deren wahrer Anwalt sich die PDS gern geriert, schnell aus dem Blick. Auch in Berlin war es so. Dort verkaufte die PDS mit ihrem Koalitionspartner SPD im Jahr 2004 die mit 70000 Wohnungen größte Wohnungsgesellschaft der Stadt, die GSW. 405 Millionen Euro zahlten Cerberus und Whitehall, eine Fondsgesellschaft der Investmentbank Goldman Sachs, dafür; außerdem übernahmen sie die Schulden von 1,7 Milliarden Euro. Schon in den Jahren zuvor verkaufte Berlin immer wieder einzelne Wohnungen, mal 18400, mal 7250, mal 14000. (…)
Zum vollen Artikel (DIE ZEIT 05.01.2006 Nr.2)