Politischer Fruehschoppen Bahnprivatisierung in Altenbeken: "In den letzten Zuegen. Hoechste Eisenbahn – Stoppt die Boersenbahn!"

Die Große Koalition will die Bahn privatisieren und das Bundeseigentum an der Deutschen Bahn AG an private „Investoren“ – auch Heuschrecken genannt – verkaufen. Es würde sich um die größte und folgenschwerste Privatisierung in der deutschen Geschichte handeln – eine Verschleuderung gesellschaftlichen Vermögens und eine kulturelle Enteignung, mit der 170 Jahre Aufbauleistung gefährdet werden.
Dr. Winfried Wolf ist Verfasser des neuen Buchs „In den letzten Zügen – Zur Kritik der Bahnprivatisierung; 2006; VSA-Verlag Hamburg. Er ist Autor des Standardwerks „Eisenbahn und Autowahn“. Wolf ist Sprecher der Bahnfachleutegruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ und aktiv im Bündnis „Bahn für Alle“, zu dem seit Mai 2006 attac, BUND, Robin Wood, Naturfreunde, UMKEHR eV, Bürgerbahn statt Börsenbahn und „Bahn von unten“ in Transnet zusammenfanden.

Politischer Frühschoppen mit:
Dr. Winfried Wolf
Bündnis „Bahn für Alle“

Sonntag, 12.11.2006,
11:15 Uhr
Bahnhofsgaststätte Klüter,
Altenbeken, Gleis 21

mit im Podium:
Dieter Bursch, WASG
Klaus Koch, Gewerkschaft TRANSNET
Dr. Ulrich Gausmann, Moderation

Altenbeken ist (noch?) mit der Bahn
erreichbar. – Zum Frühschoppen:
Abfahrt um 10.53 Uhr ab Paderborn (11.06)
Abfahrt um 10.39 Uhr ab Warburg (11.01)
Abfahrt um 10.02 Uhr ab Detmold (10.27)

Es laden ein:
Demokratische Initiative Paderborn (DIP)
Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG)
Linkes Forum Paderborn

Widerstaende gegen Wasserprivatisierung/weiter FDCL-Veranstaltungen

Öku-Büro München und FDCL laden ein: „Wasser ist keine Ware! Widerstand gegen Privatisierung und Megaprojekte in El Salvador“ in Berlin und München.
mehr: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=742

Vortrag mit Diskussion mit
Wilfredo Romero arbeitet im Wartungsdienst des staatlichen Wasserversorgers ANDA. Er ist langjähriges Mitglied der Gewerkschaft S.E.T.A (Sindicato de Empresa Trabajadores de ANDA) und hatte verschiedene Funktionen innerhalb der Gewerkschaftsleitung inne. Zur Zeit ist er Generalsekretaer von S.E.T.A. .

Luis Rivera ist Campesino und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Parroquia San Antonio del Mosco. Er ist aktiv in der Koordination des Widerstands gegen das geplante Staudammprojekt El Chaparral beim Río Torola im Nordosten El Salvadors.

Ort: Mehringhof (Versammlungsraum), Gneisenaustr.2a, 10 961 Berlin
Zeit: Donnerstag, 02.11.2006 um 19:00 Uhr
und
Öku-Büro München und attaCafé und FDCL laden ein:
Ort: attaCafé, Dieffenbachstrasse 63
Zeit: Freitag, 03.11.2006 um 19:00 Uhr

Seit einigen Jahren können wir weltweit Konflikte um die Kommerzialisierung und Privatisierung von Wasser verfolgen. Unter dem Druck knapper werden Ressourcen versuchen internationale Finanzorganisationen und Konzerne ein Gut von weltweit strategischer Bedeutung unter ihre Kontrolle zu bringen.
Nicht neu ist, dass die Folgen solcher Entwicklungen generell mehr zu Lasten des Südens gehen. Am Beispiel El Salvador wollen wir untersuchen, wie diese internationalen Entwicklungen sich vor Ort auswirken und auf welche Widerstandsmöglichkeiten die Bevölkerung zurückgreift. Wilfredo Romero, Gewerkschafter des nationalen Wasserunternehmens ANDA und Luis Rivera, Aktivist im Widerstand gegen das geplante Staudammprojekt El Chaparral werden über die Auseinandersetzungen um Staudammprojekte und die drohende Wasserprivatisierung berichten.
Gemeinsam wollen wir außerdem diskutieren, welche Rolle dabei die internationalen Finanzinstitutionen und der umstrittene neoliberale Entwicklungsplan Plan Puebla Panamá spielen.

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Politische Gewalt, Korruption und Demokratie in Peru. Vortrag und Diskussion mit Mariano Paliza (Journalist)

Ort: FDCL, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin, 3. Aufgang, 5. Stock
Zeit: Freitag, 03.11.2006 um 19:00 Uhr

Von der Unabhängigkeit, über die Herrschaft der Großgrundbesitzer, bis hin zur Bürgerbewegung der letzten Jahre war Peru von einigen wenigen zivil-militärischen Machtgruppen beherrscht, die den Staatapparat zur Beute ihrer Partikularinteressen machten.
Obwohl die Verfassung von 1979 die demokratischste der peruanischen Geschichte war, systematisierte und begründete sie auch die bis dahin schon vorhandene Vormachtstellung der Streitkräfte und ihr Ideensystem, indem sie ihre politische Rolle grundgesetzlich mit der Schaffung der „Sistema Nacional de Defensa“ anerkannte und damit den Weg bahnte für einer Art „Militarismus des 21. Jahrhunderts“.
Dessen erstes Produkt war die in zivil-militärischem Gewande auftretetende Diktatur unter Präsident Alberto Fujimori. Ergänzt wurde dieses Modell durch die Militärische Verfassung von 1993.
Zum Umbruch des neuen Millenniums nahm das peruanische Volk die Plätze und Straßen ein und stürzte das Fujimori-Regime auf der Suche nach einer gerechteren und demokratischeren Gesellschaft. Zwar gelang es der peruanischgen Gesellschaft nach der Flucht und Absetzung Fujimoris im November 2000 unter der Übergangsregierung („Gobierno de Transición“) von Valentin Paniagua ein paar kleine Schritte in Richtung demokratischerer Verhältnisse zu unternehmen. Doch mit der opportunistischen Regierung von Alejandro Toledo kam dieser demokratische Aufbruch schon bald zum Stillstand.
Eine der wichtigsten Initiativen in der Regierungszeit von Übergangspräsidenten Valentin Paniagua war die Einsetzung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission im Juni 2001, mit der die Menschenrechtsverletzungen in den Jahren von 1980 bis 2000 aufgeklärt werden sollten. Vermutlich mehr als 60.000 Tote, unzählige Opfer von Folter, Entführungen und „Verschwindenlassen“ sind die traurige Bilanz von 20 Jahren politischer Gewalt und Terror in Peru. Mehr als 600.000 Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben und leben noch heute als Flüchtlinge im eigenen Land.
Eine der bedeutende Leistung der Wahrheitskommission, deren Schlussbericht im August 2003 fertig gestellt worden war, ist, abgesehen von der Erfassung der Gewalt in Peru in den letzten Jahrzehnten, ihre Diagnose über das Fehlen eines „Grundvertrages“ der peruanischen Gesellschaft.
Wie wird Alan Garcia, der neue Präsident Perus mit diesem Erbe umgehen? Die ersten 100 Tage der neuen Regierung Garcias lassen nichts Gutes ahnen, erklärte doch Garcia die Wiedereinführung der Todesstraffe in Peru zur nationalen Priorität.

Veranstalter:
Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit dem FDCL e.V.
Diese Veranstaltung wird realisiert aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.
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Lesereise von Paco Ignacio Taibo II

Paco Ignacio Taibo II, Begründer des neuen mexikanischen Kriminalromans und Biograf Che Guevaras, wird im Rahmen einer bundesweiten Lesereise in Deutschland zu Gast sein.
Er wird seine zuletzt erschienenen literarischen Werke vorstellen: den Roman Die Rückkehr der Schatten, der vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs den Machenschaften deutscher Nazis in Mexiko nachgeht, sowie den gemeinsam mit Subcomandante Marcos verfassten Krimi Unbequeme Tote, in dem Héctor Belascoarán Shayne, unabhängiger Detektiv in Mexiko-Stadt, und Elías Contreras, »Ermittlungskommission« der EZLN, einer Spur folgen, die in die Zeit des schmutzigen Krieges zurückreicht.
Darüber hinaus wird Paco Ignacio Taibo II für Fragen zu den aktuellen sozialen Auseinandersetzungen in Mexiko zur Verfügung stehen.

Zeit: Montag, den 20. November um 20:00 Uhr
Ort: Im Mehringhof (Versammlungsraum, 1.St. links)
Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin (U-Bhf. Mehringdamm U6/U7)
Veranstalter: Buchladen Schwarze Risse in Kooperation mit Lateinamerika Nachrichten und FDCL
Kontakt: Buchladen Schwarze Risse, Tel.: 030-6928779, mehringhof@schwarzerisse.de

Kontakt für die Lesereise (Nürnberg, 15.11.; München, 16.11.; Heidelberg, 17. 11.):
Theo Bruns, Tel.: 040-80609208, E-Mail: theobruns@t-online.de

Bücher des Autors bei Assoziation A:
Taibo II, Paco Ignacio: 1968 und Gerufene Helden
Taibo II, Paco Ignacio: Erzengel
Taibo II, Paco Ignacio: Vier Hände
Taibo II, Paco Ignacio: Die Rückkehr der Schatten
Marcos | Taibo II: Unbequeme Tote

Informationen zu Paco Ignacio Taibo II:
Paco Ignacio Taibo II wurde 1949 in Gijon/Spanien geboren und emigrierte im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern nach Mexiko. Er studierte Literatur, Soziologie und Geschichte ohne Abschlüsse und arbeitete als Journalist, Universitätsdozent und Sachautor. Als Schriftsteller weltweit bekannt wurde er durch seinen „unabhängigen“ Detektiv Hector Belascoarán Shayne, der in der Bundeshauptstadt Mexico-Stadt seine Fälle bearbeitet, sowie durch seine Biografie des Ernesto Che Guevara.
Taibo ist Mitbegründer der Internationalen Vereinigung der Krimischriftsteller und Organisator der Semana Negra, einem jährlichen internationalen Krimifestival in Gijon, mit Lesungen, Kulturprogramm und Hunderttausenden Besuchern.
Umfassende Informationen zur Bio-Bibliografie Taibos finden sich auf einer Website der Alligatorpapiere. Eine weitere ausführliche Website zur Person gibt es in spanischer und italienischer Sprache bei vespito.net

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FDCL
Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.
Centro de Investigación y Documentación Chile-América Latina
Centro de Pesquisa e Documentação Chile-América Latina
Research and Documentation Center Chile-Latin America
Gneisenaustraße 2a
10961 Berlin, Alemania, Alemanha
Fon: 49-(0)30-693 40 29
Fax: 49-(0)30-692 65 90
email: fdcl-berlin(at)t-online.de

Weitere Informationen unter
http://www.fdcl.org

Estland kauft Bahn zurueck – Deprivatisierung ohne Folgen?

Die WOZ schreibt: 
Bevor der Verkehr ganz zusammenbricht, kauft der Staat die Bahn zurück. Aber hat er was daraus gelernt?
Auf der Hauptstädteverbindung zwischen dem estnischen Tallinn und dem lettischen Riga fahren keine Personenzüge mehr. Auf dem Trassee ist oft nur noch eine Geschwindigkeit von vierzig Stundenkilometern möglich. Auch zwischen anderen Städten reist man mit dem Bus schneller, billiger und mit besseren Verbindungen. Estlands Bahn ist heruntergewirt- schaftet, und der Grund dafür ist die Privatisierung. Schon vor Jahren hatte die Tageszeitung «Postimees» geschrieben: «Wenn das Geld den Zugverkehr bestimmt, landet er auf dem Abstellgleis.»
Estlands Privatisierungskommission hatte in den neunziger Jahren stolz verkündet, die Zerschlagung der Eisenbahn sei Teil des «radikalsten jemals gemachten Versuchs, ein staatliches Monopol zu brechen». Die baltische Sektion der Staatsbahn der ehemaligen Sowjetunion war in Häppchen aufgeteilt und an Privatfirmen aus den USA, Britannien und Estland verkauft worden. Der Güterzugverkehr und grosse Teile der Netzinfrastruktur fielen an die Gesellschaft Eesti Raudtee. Dass neben dem Zugbetrieb auch das Schienennetz aus der nationalen Verantwortung an Privatinteressen übertragen wurde, war von Anfang an kritisiert worden: Zumindest das Netz müsse unter staatlicher Kontrolle bleiben. Die BefürworterInnen der Privatisierung entgegneten, dass der Staat ja weiterhin ein Drittel der Anteile von Eesti Raudtee und damit Einfluss behalten werde.
Tatsächlich hatte aber die private Zweidritteleigentümerin Baltic Rail Services (BRS) das alleinige Sagen, eine Gesellschaft von hauptsächlich US-amerikanischen InvestorInnen. Und sie lieferte praktisch vom ersten Tag an negative Schlagzeilen. Mit Meldungen über Sicherheitsprobleme, weil das Schienennetz mit ausrangierten schweren Dieselloks aus den USA ruiniert wurde und weil die meisten der mit BRS vereinbarten Investitionen nicht getätigt wurden.
Als die Regierung in Tallinn sich das nicht länger bieten lassen wollte und mit empfindlichen Konventionalstrafen drohte, bot die BRS den Verkauf ihrer Anteile an. Erste Verhandlungen über eine Wiederverstaatlichung scheiterten im Februar an unvereinbaren Preisvorstellungen. Die BRS versuchte daraufhin den Verkauf an russische und deutsche InteressentInnen, doch ohne Erfolg. Die Gesellschaft hatte im August einen Plan für die kommenden Jahre mit einem beinahe vollständigen Investitionsstopp vorgelegt, aufgrund dessen der baldige Zusammenbruch des Bahnverkehrs vorherzusehen war. Daraufhin zog die Regierung in Tallinn die Notbremse: «Wir können nicht mehr länger herumsitzen und zusehen», sagte Wirtschaftsminister Edgar Savisaar. Vom Parlament wurde ein Nachtragshaushalt beschlossen, in dem nun über 280 Millionen Franken für eine Wiederverstaatlichung noch in diesem Jahr reserviert sind. Das ist zweieinhalb Mal so viel Geld, wie die BRS vor fünf Jahren bezahlt hatte. Für die InvestorInnen bei BRS ein glänzendes Geschäft, denn sie haben nach Einschätzung von InsiderInnen Eesti Raudtee nicht nur ausgeplündert, sondern auch als Sicherheit für günstige Bankkredite benutzt. Übrig geblieben sei eine wertlose Gesellschaft, die all ihrer Aktivposten beraubt worden sei.
Aus dem teuren Abenteuer hat man in Tallinn offenbar zumindest eines gelernt. Die Gleis- und Signalanlagen sollen auch im Falle einer neuen Privatisierung Staatseigentum bleiben. Für den Verkehrsbetrieb sucht die Regierung hingegen neue private AkteurInnen. Estnische Medien nennen neben russischen und estnischen InvestorInnen auch die Deutsche Bahn mit ihrer Güterzugfirma Railion als Kaufinteressentin. Railion ist bereits in mehreren westeuropäischen Ländern aktiv (darunter in der Schweiz) und könnte durchaus ein Interesse an einer Expansion nach Osteuropa haben. Eesti Raudtee ist vor allem wegen des russischen Transitverkehrs zu Estlands Ostseehäfen interessant. Zudem gibt es Pläne für eine Güterzugverbindung von der Ostsee zum Pazifischen Ozean und für einen Containerverkehr von Nordeuropa nach China. Die Bahnen und Häfen des Baltikums könnten dabei eine zentrale Rolle spielen.

Neue kommerzialisierungskritische Aktionsgruppe in Berlin: "Media Spree Versenken!"

Sie fragen sich: „Globalisierung, Privatisierung, Vertreibung … wie sieht das konkret im Alltag aus?“ und überprüfen das an aktuellen Kommerzialisierungs- und Privatisierungsprojekten in Friedrichshain-Kreuzberg (Berlin).

Aus einer Einladung zu einer Infoveranstaltung im August 2006:

„media spree, nike/Casa 103 sind Projekte in Kreuzberg-Friedrichshain, die eines gemeinsam haben: sie wollen Geld abzocken.
media spree ist ein gigantisches, kommerzielles und aggressives (Konzern)Projekt, das die Wohnstruktur und die Lebensqualität in Kreuzberg platt machen will. Doch es ist noch nicht zu spät, um dies zu verhindern!
Nike/Casa 103 ist ein Club, der kreative Undergroundkultur anzapft, das Image des Kreuzberger Ghettos für sich vermarktet, um Geld damit zu machen. Doch wir können wenn wir wollen den Club zum Aufgeben zwingen!
Wir laden Euch dazu ein, sich mit uns auszutauschen und Informationen über die Projekte zusammenzutragen. Wir wollen eine Kampagne gegen media spree ins Leben rufen, eine Strategie gegen die Privatisierung von Kreuzberg/F-Hain entwickeln und unsere Kräfte bündeln. Es braucht ein breites Bündnis, um für ein selbstbestimmtes Bethanien, gegen die Privatisierung des sozialen Wohnungsbaus, gegen Mieterhöhungen und die Verwandlung unseres Kiezes in einen unangenehmen Geld- und Mitteclub zu kämpfen.
Es gibt viele Formen, um media spree zum Sinken zu bringen und für die Schließung von nike/casa 103 zu sorgen.
Wir sind viele, wir sind vielfältig und wir sind subversiv:
media spree versenken! casa103/nike town shut it down!“

Mittlerweile gab es verschiedene Aktionen, z.B. anlässlich der der Grundsteinlegung auf dem privatisierten Gelände der Bahn, mehr bei indymedia.

Konferenz: Sachzwang Privatisierung?

Strategien zur Verteidigung öffentlicher Güter in Europa

mit:
Oskar Lafontaine (Vorsitzender der Fraktion Die Linke. im Bundestag)
Sahra Wagenknecht (MdEP)
Harald Wolf (Wirtschaftssenator des Landes Berlin)
Francis Wurtz (Vorsitzender der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament)
Dr. Werner Rügemer (Journalist und Buchautor)
Prof. Dr. Jörg Huffschmid (Universität Bremen)
Veronika Hannemann (Ver.di Bezirk Berlin, Fachgruppe Wasser)
Alexis Passadakis (Attac, Weed)
Benedict Ugarte Chacón (Initiative Berliner Bankenskandal)
Dr. Klaus Lederer (Vorsitzender der Linkspartei.PDS Berlin, angefragt)

Samstag, 7. Oktober 2006
im Europahaus, Unter den Linden 78, Berlin

Sachzwang Privatisierung?
Ob Wasser oder Energieversorgung, Krankenhäuser oder Verkehrsbetriebe, Post oder Bahn, Sozialwohnungen oder Schulen – es gibt kaum einen Bereich, der vom Privatisierungswahn der letzten 15 Jahre verschont geblieben ist. Dass mehr und mehr öffentliche Güter zur Ware werden, ist einerseits die Folge der neoliberalen Politik der EU-Kommission. Zum anderen sind durch Steuergeschenke an Reiche und große Unternehmen Haushaltslöcher entstanden, die durch den Verkauf des „Tafelsilbers“ wieder gefüllt werden sollen.
Was kann man gegen den Verkauf öffentlichen Eigentums und die Kommerzialisierung sozialer Leistungen tun und wie kann man die Rekommunalisierung privatisierter Betriebe vor Ort durchsetzen? Wir laden herzlich dazu ein, mit ExpertInnen aus Politik, Wissenschaft und sozialen Bewegungen über diese Fragen zu diskutieren. Ziel ist es, anhand von konkreten Beispielen (Berliner Wasserbetriebe, Berliner Sparkasse) die Hintergründe und Folgen von Privatisierungen aufzuzeigen und Strategien zur Rekommunalisierung privatisierter Betriebe zu entwickeln.

Programm:

13 – 15 Uhr:
Droht die Privatisierung von Sparkassen und welche Alternative gibt es?
mit Harald Wolf, Prof. Dr. Jörg Huffschmid, Benedict Ugarte Chacón

15 – 17 Uhr:
Lokale Proteste gegen Privatisierung und Strategien der Rekommunalisierung am Beispiel der Berliner Wasserbetriebe
mit Dr. Werner Rügemer, Alexis Passadakis, Veronika Hannemann, Dr. Klaus Lederer (angefragt)

17.30 – 19.30 Uhr
Von Frankreich lernen? Der Kampf gegen Deregulierung und Privatisierung in der EU
mit Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht, Francis Wurtz

Um Anmeldung wird gebeten.

Telefon: +32-2-28-45619 (Brüssel) oder 030-227-70419 (Berlin)
mailto:Sahra.Wagenknecht@europarl.europa.eu
http://www.sahra-wagenknecht.de

Copyright-Gerangel um Galileo (Euro-Satelliten-Navigation)

Zitat aus dem Streit: „Man könne ja wohl auch keinen Leuchtturm bauen und verhindern, dass jemand beobachtet, wie oft das Licht aufleuchtet, und die Koordinaten misst: ‚Kann der Besitzer von mir eine Lizenzgebühr fordern, wenn ich das Licht anschaue? Nein. Warum sollte dann das Anschauen des Galileo-Satelliten etwas anderes sein?'“ Mehr im Telepolis-Artikel:
„Galileo-Code gecrackt“ von Florian Rötzer 11.07.2006
US-Wissenschaftler nehmen für sich das Recht in Anspruch, einen Code für das EU-Navigationssystem Galileo zu cracken, da man „elementare Daten über die physische Welt nicht durch Copyright schützen“ könne
Ende letzten Jahres, am 28.12.2005, wurde der erste Satellit des europäischen Satellitennetzes Galileo (1) in seine Umlaufbahn gebracht ( Verspätete Feierstimmung am 28. Dezember (2)). „Giove-A“ (Galileo In-Orbit Validation Element-A) ist ein Testsatellit. Eigentlich sollte bereits im Frühjahr 2006 ein zweiter folgen, der Start wurde jedoch auf den Herbst verschoben. Ab 2008 sollen dann die ersten vier „echten“ Galileo-Satelliten folgen, um dann 2010 in Konkurrenz mit dem amerikanischen GPS-System und dem russischen Glonass zu treten. Giove-A dient der Frequenzsicherung, der technischen Validierung und hat einen Signalgenerator an Bord.
Wie Mitarbeiter des Global Positioning System (GPS) Laboratory (3) der Cornell University berichten, haben sie den bislang geheim gehaltenen Code des Satelliten Giove-A geknackt. Das betrifft den Offenen Dienst (Open Service) von Galileo, der kostenlose Positions-, Geschwindigkeits- und Zeitangaben beispielsweise für Fahrzeuge und Mobiltelefone liefern soll. OS nutzt zwei Frequenzen für seine Signale, wodurch Fehler, verursacht durch Störungen in der Ionosphäre, korrigiert werden können und daher die Positionsbestimmungen genauer werden. Die Frequenzen enthalten zwei Code-Signale. Die Daten der Entfernungsmessung werden einem der Codes hinzugefügt, der zweite, der Pilot-Code, bleibt frei. Satelliten werden durch einen pseudozufälligen Code (PRN – pseudo random code) für den Empfänger identifiziert.
Der PRN auf dem Frequenzband L1 wurde, wie die amerikanischen Wissenschaftler süffisant anmerken (4), aber nicht veröffentlicht, obwohl es sich um das Signal des angeblich kostenlosen und frei zugänglichen OS handelte. Ein wenig scheinheilig spekulieren sie darüber, dass Galileo im Gegensatz zum GPS, das vom Pentagon mit Steuergeldern betrieben wird, möglicherweise auch für diese PRN-Codes eine Gebühr verlangen könnte. Nach langen Auseinandersetzungen mit dem Pentagon musste die EU nachgeben und für Galileo ein gleiches Grundsignal wie das GPS benutzen ( Wie weit geht der Einfluss? (5)). Das Pentagon kann so auch das Galileo-Signal in seiner Genauigkeit heruntersetzen, während es für das Militär das GPS-Signal weiter unbeeinträchtigt nutzen kann. Aufgrund des Abkommens mit den USA sind die Europäer verpflichtet, auch kostenlose Signale anzubieten, sagen die US-Wissenschaftler, was sie aber eben versäumt hätten – weswegen sie das wohl auf eigene Faust nachholen wollten.
Im Januar hatten die Wissenschaftler bei dem britischen Unternehmen Surrey Space Technologies Ltd. (6), das Giove-A entwickelt hat, nachgefragt, um die PRN-Codes zu erhalten, nachdem am 12. Januar die ersten Navigationssignale von Giove-A gesendet (7) wurden. Aber in Großbritannien wurden sie ebenso wie später in Deutschland abschlägig beschieden. Daraufhin begannen sie mit dem Versuch, diese zu knacken. Nachdem sie die Signale vom Satelliten entdeckt und, auch durch die Hilfe eines Tipps eines deutschen Wissenschaftlers, die Codes entschlüsselt und im April auf ihrer Website veröffentlicht (8) hatten, konnte eine kanadische Firma mit ihren GPS-Geräten den Satelliten verfolgen.
Kurz danach, am 19. April, wurden die PRN-Codes bekannt (9) gegeben, nur stimmten sie offenbar nicht mit denen überein, die vom Testsatelliten tatsächlich benutzt wurden. Überdies wurde vom Galileo-Konsortium vorausgeschickt, dass die „Galileo Navigation Primary Codes“ geistiges Eigentum seien, woraus die US-Wissenschaftler schlossen, dass man „aus dem Open Source Code Geld machen“ wolle. Nach Mark Psiaki vom GPS Laboratory ist das seltsam und stellt für ihn gewissermaßen die Rechtfertigung dar, den Code zu knacken. Man könne ja wohl auch keinen Leuchtturm bauen und verhindern, dass jemand beobachtet, wie oft das Licht aufleuchtet, und die Koordinaten misst: „Kann der Besitzer von mir eine Lizenzgebühr fordern, wenn ich das Licht anschaue? Nein. Warum sollte dann das Anschauen des Galileo-Satelliten etwas anderes sein?“
Angeblich waren sich die Wissenschaftler erst einmal doch nicht so ganz sicher, ob das Kracken eines Codes für ein offenes System, der aber nicht veröffentlicht wurde, nicht doch eine Copyright-Verletzung darstellt. Schließlich ist hier die US-Regierung zum Schutz ihrer Wirtschaft besonders scharf. Man habe sich also mit dem Rechtsberater der Universität darüber verständigt, der den Wissenschaftlern in diesem Fall die Lizenz zum Cracken gegeben habe. Die Begründung klingt jedenfalls interessant:
–Uns wurde gesagt, dass das Cracken der Verschlüsselung von kreativen Inhalten wie Musik oder Filmen illegal sei, aber das Cracken der von einem Navigationssignal verwendeten Verschlüsselung ist ein faires Spiel. … Die Europäer können elementare Daten über die physische Welt nicht durch Copyright schützen, selbst wenn die Daten von einem Satelliten kommen, den sie gebaut haben.–
Dasselbe könnte man freilich auch für Filme oder Fotos sagen. Und natürlich erst recht für genetische Daten. Man könnte auch fragen, ob diese Daten tatsächlich elementar sind, da man sie ja nur erhalten kann, wenn es Satelliten gibt, die die entsprechenden Signale aussenden.

Update vom 12.7.
Timo Thalmann, der den Blog Geograffiti (10) betreibt, hat bei Galileo Joint Undertaking (11) (GJU) wegen des von den US-Wissenschaftlern propagierten Hacks einmal nachgefragt (12). Hans Peter Marchlewski, General Counselor von GJU, sieht das gelassen:
–Es handele sich bei GIOVE-A um einen ersten Testsatelliten für das geplante europäische Satellitennavigationssystem Galileo, der natürlich einen anderen Code benutze, als das spätere komplette System. Nichts anderes haben die Wissenschaftler der Cornell Universität festgestellt. Allerdings sei der jetzt verwendete Code sehr einfach und kurz gehalten und damit nach Angaben der Galileo Technik-Verantwortlichen relativ simpel und in ein paar Stunden tatasächlich mit jedem PC knackbar. „Das hat uns alles sonderlich überrascht und macht uns auch nicht nervös“, sagte Marchlewski.–
Geprüft würde derzeit die rechtliche Argumentation, also dass Navigationssignale als elementare Daten über die physische Welt gelten und sie daher nicht als geistiges Eigentum geschützt werden können. Marchlewski geht davon aus, dass man mit dem Signal keine Geschäfte machen will, wie die Amerikaner dies unterstellten, definitiv zurückweisen wollte er es aber auch nicht.

LINKS
(1) http://ec.europa.eu/dgs/energy_transport/galileo/index_en.htm
(2) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21661/1.html
(3) http://gps.ece.cornell.edu/
(4) http://www.news.cornell.edu/stories/July06/GPS.code.cracked.TO.html
(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/17/17749/1.html
(6) http://www.sstl.co.uk/
(7) http://www.sstl.co.uk/index.php?loc=27&id=895
(8) http://gps.ece.cornell.edu/galileo
(9) http://www.galileoju.com/page.cfm?voce=s2&idvoce=64&plugIn=1
(10) http://www.geografitti.de/
(11) http://www.galileoju.com/
(12) http://www.geografitti.de/index.php?itemid=134

analyse&kritik macht Schwerpunkt Privatisierung

Die Ausgabe läuft unter dem Schwerpunkt Privatisierung ist politisch. Aus dem Inhaltsverzeichnis der kommenden Ausgabe 507 vom 16.6.2006:

  • Was ist und welchem Zweck dient Privatisierung? Anmerkungen zu einer linken Politik öffentlicher Güter
  • Privatisierung von Bildung. Wandel der fordistischen Bildungshierarchie
  • Die verkaufte Stadt. Wohnungsprivatisierung und Finanzinvestoren
  • Bahnprivatisierung. Als aus dem Ob ein Wie wurde
  • Für eine Politik öffentlicher Güter. Erste Annäherungen

Und auf Papier im gut sortierten Kiosk/Bahnhofsbuchhandel.

Transformation netzgebundener Infrastrukturen und sozial-oekologische Entwicklung der Geschlechterverhaeltnisse

Ein kritischer Blick auf die Privatisierung im Bereich Verkehr (EU-Politiken zu „gemeinwirtschaftlichen Leistungen“ bzw. öffentlichen Dienstleistungen, sog. Bahnreform/Regionalisierung des ÖPNV etc.) zeigt: Sobald es um finanzstarke Sektoren bzw. netzgebundene Infrastrukturen geht, von denen alle abhängig sind und die erhebliche Auswirkungen auf jeden Alltag und Haus-/Versorgungsarbeit haben, finden sich keine feministischen Analysen, keine Daten oder vertiefenden Erkenntnisse aus der Perspektive der Gender Studies.
Eine der wenigen Ausnahmen: Anfang 2005 legte Meike Spitzner vom Wuppertal-Institut eine systematische Untersuchung im Verkehrsbereich für Deutschland und ein Gender-Analyse-Konzept für die Privatisierung von Infrastrukturen vor. Auch die Privatisierungen im Bereich Energie, Wasser und Telekommunikation lassen sich damit kritisch analysieren.

Spitzner, Meike (2004): Netzgebundene Infrastrukturen unter Veränderungsdruck – Gender-Analyse am Beispiel ÖPNV. Untersuchung zur sozial-ökologischen Regulation netzgebundener Infrastruktursysteme: Transformationen des Öffentlichen Personennahverkehrs und sozial-ökologische Entwicklung der Geschlechterverhältnisse“. Untersuchung im Auftrag des Verbundforschungsprojekts „Sozial-ökologische Regulation netzgebundener Infrastruktursysteme“ des Forschungsverbunds netWORKS im BMBF-Förderschwerpunkt „Sozial-ökologische Forschung“, Themenschwerpunkt 2 „Sozial-ökologische Transformationen im Ver- und Entsorgungssektor (STRIVE)“. Schriftenreihe NetWORKS-Papers Nr.13. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik (Difu). ISBN 3-88118-384-1.

Es gibt die Studie zum download. Weitere Studien auf der einer und einer zweiten Publikationsliste.

Meike Annamarie Spitzner ist Projektleiterin der Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik und zuständig für die wissenschaftliche Koordination „Gender“ am Wuppertal Institut für Klima•Umwelt•Energie GmbH im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen und erreichbar per Telefon (++49-202-2492-151 (Sekr: -184) (Fax: -263)) und per email.

Deutsche Bank Research praesentiert "Privatisierungsoptionen fuer das deutsche Autobahnnetz"

DBResearch schreibt in der Presseankündigung für ihr Papier: „Die geographische Lage Deutschlands im Herzen Europas bietet zahlreiche Chancen für auch zukünftiges wirtschaftliches Wachstum. Die gestiegene Bedeutung von Logistik und Verkehr für das Bruttoinlandsprodukt sind hierfür klare Zeichen. Jedoch wird nicht im gleichen Maße, wie das Verkehrsaufkommen steigt, in den Ausbau der Infrastruktur investiert – im Gegenteil: die Straßeninfrastruktur wird seit Jahren auf Verschleiß gefahren. Eine stärkere zweckgebundene Nutzerfinanzierung und die Einbindung privatwirtschaftlichen Know-hows bei Finanzierung und Betrieb der Straßeninfrastruktur ist mehr als angezeigt.“

Kampagne englischer Gewerkschaften gegen (Re-)privatisierungen im oeffentlichen Dienst

Die IG-Metall-Zeitung für die Siemens-Beschäftigten informiert über eine neue Kampagne englischer Gewerkschaften:"Privatisierungen von Staatsunternehmen und Aufgaben des öffentlichen Dienstes stellen für Gewerkschaften weltweit eine Herausforderung dar. Schließlich gehen dabei in gut organisierten Branchen oft attraktive Arbeitsplätze mit sicherer Altersversorgung verloren – im Gegenzug leidet die Öffentlichkeit zuweilen unter schlechteren Dienstleistungen. Am Ende profitieren davon vor allem die Unternehmen, die die attraktiven Aufträge mit dem Versprechen von Kosteneinsparungen an Land gezogen haben.Jetzt machen britische Gewerkschaften Front gegen weitere Privatisierungen im öffentlichen Dienst. Unter dem Titel "Public Services NOT Private Profits" haben die Transportarbeitergewerkschaft TSSA, die Journalistenorganisation NUJ, die Lehrervereinigung NATFHE und elf weitere Arbeitnehmerorganisationen Ende März in London eine Kampagne gestartet. In einem Flugblatt  formulieren sie ihr Anliegen:

+ Der öffentliche Dienst und seine Beschäftigten sind durch die Regierungspläne zu Privatisierungen und Job-Abbau unter beispiellosem Druck. In allen Bereichen des öffentlichen Diensts und ohne jegliche Konsultation mit Arbeitnehmerorganisationen sollen Dienstleistungen privatisiert werden. Die Kosten für die Beschäftigten und die Konsumenten spielen dabei anscheinend keine Rolle.
+ den Bereichen Gesundheit, Ausbildung, Kommunalverwaltung, in Gefängnissen und praktisch allen Bereichen der Verwaltung sollen Dienstleistungen privatisiert werden. Das geplante Education & Inspections Gesetz ist dabei nur der neueste Angriff auf die Idee des öffentlichen Diensts. Selbst dort, wo die Privatisierung gescheitert ist und der Staat die Dienstleistungen zurückholen musste, z.B. bei der Eisenbahn, wird jetzt re-privatisiert!
+ Hunderttausende Jobs sind in Gefahr. Das Einkommen, die Renten und die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes sind in Gefahr. Öffentliche Leistungen, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist, werden bedroht.
Der aktuelle Angriff auf den öffentlichen Dienst ist so stark, dass allmählich die Idee des öffentlichen Dienstes selbst in Frage gestellt wird.

Moderne Raubzuege

In der Jungen Welt vom 1.4.06, S. 10 beschreibt Sahra Wagenknecht, wie deutsche Großbanken in Zusammenspiel mit der EU-Kommission, dem Berliner Senat und der Anwaltskanzlei Freshfields die Privatisierung von Sparkassen durchsetzen wollen.
Privare = rauben (Latein). Damit ist über das Wesen von Privatisierungen eigentlich alles gesagt. Es geht um den Raub von gesellschaftlichem Vermögen und die Umleitung von Einnahmen (Zinsen, Mieten, Dividenden u.a.) auf private Konten bei gleichzeitiger Abwälzung von Schulden, Risiken und sonstiger »Altlasten« auf die Allgemeinheit. Erwünschter Nebeneffekt ist die Zerschlagung organisierter Kernbelegschaften im öffentlichen Dienst, um künftigen Streikaktionen vorzubeugen und flächendeckend Löhne senken zu können.
Zum Gelingen derartiger Raubzüge tragen verschiedene Akteure bei. So bedienen sich die Großbanken und Konzerne willfähriger Anwaltskanzleien zur juristischen Absicherung ihrer Beute; hinzu kommen unerfahrene oder korrupte Politiker, die auf kurzfristige Privatisierungserlöse schielen, ohne die langfristigen Folgen zu berücksichtigen, und Institutionen wie die EU-Kommission, die keine Gelegenheit auslassen, die Privatisierung öffe ntlicher Güter im Interesse des Großkapitals voranzutreiben. Wie die verschiedenen Akteure zusammenwirken und welche Tricks sie anwenden, um eine Privatisierung selbst in jenen Bereichen zu erzwingen, in denen die Widerstände gegen einen Ausverkauf öffentlicher Güter groß sind, soll im Folgenden am Beispiel der Berliner Sparkasse beschrieben werden.
Lobbypartner EU-Kommission
Das aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken gebildete Drei-Säulen-Modell in Deutschland ist den privaten Großbanken schon lange ein Dorn im Auge. Schließlich verhindert es die Übernahme von Sparkassen und steht damit einer Machtkonzentration im deutschen Bankenmarkt im Weg. Daß die deutschen Banken »im Geschäft mit Privatkunden unter der Konkurrenz der Sparkassen leiden und daher nicht annähernd an die Ergebnisse ihrer ausländischen Konkurrenz herankommen« (Handelsblatt 3.8.04) ist ein Verslein, das die deutsche Bankenlobby bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt. Sie weiß, wo sie hinwill.
In Italien etwa wurde im Gefolge einer rüden Privatisierungspolitik der Marktanteil des staatlichen Bankensektors von 75 Prozent Anfang der neunziger Jahre auf nur noch zehn Prozent heruntergedrückt. Parallel zu diesem Prozeß explodierten die Gebühren für Bankdienstleistungen. Im Ergebnis kostet ein Girokonto in Italien heute doppelt so viel wie im europäi schen Durchschnitt.
In Deutschland hingegen ist der Widerstand gegen eine Privatisierung von Sparkassen nach wie vor groß. Folgerichtig suchte und sucht der Bundesverband Deutscher Banken nach Bündnispartnern in Brüssel. Mit Erfolg: 2005 wurden nach einem Entscheid der Europäischen Kommission die Staatsgarantien für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute abgeschafft, was die Sparkassen und Landesbanken dazu zwingt, ihre Geschäftspolitik stärker an den Renditeerwartungen der Kapitalmärkte auszurichten. An der Aushandlung dieses Deals war als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium übrigens just jener Caio Koch-Weser beteiligt, der kürzlich von der Deutschen Bank mit einem hochdotierten Posten für seine Lebensleistung belohnt wurde.
Aber damit nicht genug: Derzeit erwägt die EU-Kommission, das seit 2003 ruhende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufzunehmen, das zur Zulassung privater Sparkassen führen könnte. Im Mittelpunkt des Verfah rens steht das in Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes (KWG) verankerte Namensmonopol für Sparkassen, das den Namen »Sparkasse« für den öffentlichen Bereich reserviert. Zwar ist es der EU-Kommission laut Artikel 295 des EU-Vertrags untersagt, sich in die Eigentumsordnung eines EU-Mitgliedslandes einzumischen, und auch die EU-Bankenrichtlinie erlaubt es, nur bestimmten Instituten den Namen »Sparkasse« zuzuordnen. Doch wo die Wirtschaftslobby ruft, ist Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy zur Stelle und wittert pflichtschuldig Verstösse »gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit«.
Folgen des Bankenskandals
Anlaß des erneuten Vorstoßes der EU-Kommission ist der für 2007 geplante Verkauf der Bankgesellschaft Berlin, zu der auch die Berliner Sparkasse gehört. Sollte ein privater Investor bei der Veräußerung zum Zuge kommen, wäre dies sehr wahrscheinlich der von den privaten Banken lang herbeigesehnte Präzedenzfall, der das gesamte Drei-Säulen Modell zum Einsturz bringen kann.
Daß es eine Auflage der Europäischen Kommission zur Veräußerung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin überhaupt geben konnte, ist den Verantwortlichen des Berliner Bankenskandals anzulasten. Diese haben die Bankgesellschaft in den neunziger Jahren dazu benutzt, um ihre politischen und geschäftlichen Freunde mit Pöstchen und Krediten zu versorgen und hochlukrative Immobilienfonds zu teilweise sittenwidrigen Konditionen (von steuerlichen Verlustzuweisungen bis zu langjährigen Mietgarantien und dem Recht zur Rückgabe zum Nominalwert am Ende der Laufzeit) an etwa 70 000 Anleger aufzulegen. Risiken und Verluste aus diesem Geschäft wurden auf den öffentlich-rechtlichen Teil der Berliner Bankgesellschaft abgewälzt.
Die Sozialisierung der Verluste begann im August 2001, als das Land Berlin der Bankgesellschaft eine Kapitalzuführung von 1,755 Mrd. Euro zukommen ließ. Da diese Summe nicht ausreichte, um eine Pleite abzuwenden und das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin) im November 2001 mit der Schließung der Bankgesellschaft drohte, beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus am 9.4.2002 das Risikoabschirmungsgesetz, wodurch Risiken von bis zu 21,6 Milliarden Euro, die aus faulen Krediten, Wertverlust von Immobilien u. ä. resultieren, vom Land übernommen wurden.
Für die Verluste der Bankgesellschaft bezahlen mußten unter anderem die Bediensteten des Landes Berlin, deren Löhne und Vergütungen um durchschnittlich zehn Prozent gesenkt wurden. Laut Berliner Senat bringt dieser »Solidarpakt«, zu dem sich verdi nach dem Austrit t des Landes Berlin aus dem Arbeitgeberverband nötigen ließ, eine weitere Entlastung der Personalausgaben um 250 Millionen im Jahr 2003 und um jeweils 500 Millionen in den Jahren ab 2004.
Wie zu erwarten war, rief die Unterstützung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin die Brüsseler Wettbewerbshüter auf den Plan. Zwar wurden die staatlichen Beihilfen von der EU-Kommission nachträglich genehmigt; allerdings nur unter der Bedingung daß sich die Bankgesellschaft von mehreren Tochtergesellschaften trennt und 2007 selbst verkauft wird. Damit könnte die zur Bankgesellschaft gehörende Berliner Sparkasse die erste öffentliche Bank in Deutschland werden, die von privaten Investoren übernommen wird. Sicher ist dies allerdings noch nicht. Denn nach wie vor gilt Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes, der es privaten Banken nicht erlaubt, eine Sparkasse zu betreiben. Sollte eine private Bank im Bieterverfahren zum Zuge kommen, müßte die erworbene Bank also unter anderem N amen weitergeführt werden. Das freilich ist gerade nicht der Sinn der Sache.
Mit dem Berliner Sparkassengesetz, das seit Juni 2005 in Kraft ist, versuchte der Berliner Senat, das Unmögliche möglich zu machen: Die Sparkasse sollte de facto privatisiert, die öffentlich-rechtliche Fassade und damit der Name jedoch gewahrt bleiben. Um dies zu erreichen, wurde die Sparkasse in eine teilrechtsfähige Anstalt umgewandelt und die Landesbank Berlin in eine Aktiengesellschaft transformiert, die vom Land Berlin mit der Trägerschaft an der Sparkasse beliehen wurde. Der Clou besteht also darin, daß die Sparkasse ein öffentlich-rechtliches Institut bleibt – allerdings unter dem Dach einer AG, die von privaten Investoren gekauft werden kann.
Fraglich ist allerdings, ob das Berliner Sparkassengesetz juristisch haltbar ist. Zwar existieren in diesem Gesetz einige Paragraphen, welche die Gemeinwohlverpflichtung der Berliner Sparkasse sichern sollen. Allerdings verfügt die Berliner Sparkasse als teilrechtsfähige Anstalt über kein eigenes Vermögen, und auch die von der Sparkasse erzielten Gewinne sollen in die Taschen des privaten Trägers fließen. Hier genau lauert das Problem: Eine Ausschüttung der Gewinne einer Sparkasse an Private ist mit Paragraph 40 KWG nicht vereinbar. Denn nach diesem Gesetz müssen die Überschüsse einer Sparkasse entweder beim Institut verbleiben oder gemeinnützig verwendet werden. Das sieht auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) so.
Da allerdings kein privater Investor auch nur einen müden Euro für ein Institut verausgaben dürfte, das seine Gewinne nicht ausschütten darf, hat Finanzsenator Sarrazin die BaFin in einem Brief gebeten, ihre Auffassung zu überdenken. Zur Unterstützung verweist er dabei auf die Tatsache, daß die Berliner Sparkasse schon in der Vergangenheit – seit Gründung der börsennotierten Bankgesellschaft im Jahr 1994 – ihre Gewinne an die Bankgesellschaft ausgeschütt et hat. »Würde Paragraph 40 KWG tatsächlich eine gemeinnützige Verwendung von Überschüssen voraussetzen und zugleich jegliche Ausschüttungen an private Träger ausschließen, so hätte die BaFin seit Schaffung des Konzerns Bankgesellschaft rechtswidrig gehandelt und müßte sich fragen lassen, warum sie seit zehn Jahren nicht gegen die Verwendung der Bezeichnung ,Berliner Sparkasse‘ eingeschritten ist«.
Richtig ist daran, daß schon die Gründung der Bankgesellschaft Berlin AG gegen geltendes Recht verstoßen und die undurchsichtige Struktur der Bankgesellschaft AG sowie die daraus resultierende unheilvolle Vermischung privater Interessen mit öffentlichen Haftungsgarantien zum Bankenskandal geführt hat. Mit Verweis auf rechtswidrige Bestimmungen der Vergangenheit nun allerdings zu fordern, man müsse erneut ein Institut schaffen, das die öffentlich-rechtliche Fassade mißbraucht, um möglichst hohe Profite auf private Konten zu schleusen, ist mehr als dreist.
An die Überzeugungskraft seines Arguments scheint Sarrazin daher selbst nicht recht zu glauben. Aus eben jenem Grund hat er Binnenmarktkommissar McCreevy zur Wideraufnahme des besagten Vertragsverletzungsverfahrens gegen das Namensmonopol der Sparkasse angeregt. Die unabsehbaren Folgen, die eine Privatisierung von Sparkassen für die mittelständische Wirtschaft, die Beschäftigten und Verbraucher in ganz Deutschland nach sich ziehen würden, interessieren im Berliner Senat offenbar weniger.
Ein passendes Gesetz
Wie Report Mainz am 20. März berichtet hat, wurde das umstrittene Berliner Sparkassengesetz übrigens von der Kanzlei Freshfields, Brückhaus, Deringer erarbeitet – eine »der besten Adressen für milliardenschwere Wirtschaftsdeals«, die »mit dem Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Berateraufträge eng verbunden« ist. Nun ist es nichts Außergewöhnliches, daß sich die Legislative bei Gesetzesvorhaben juristische Expertisen einholt. Daß Lobbykanzleien jedoch den Auftrag bekommen, Gesetze von Anfang an mitzuschreiben, ist ein relativ neues Phänomen. Im Fall des Sparkassengesetzes übernahmen Anwälte von Freshfields auch die Aufgabe, den Berliner Abgeordneten in Anhörungen das Gesetz zu erklären.
Im Übertölpeln von Parlamentariern, Senatoren und Ministern hat die Kanzlei schon einige Erfahrung. So beriet die Kanzlei das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen bei der Einführung der LKW-Maut. Als das Verkehrsministerium nicht in der Lage wa r, den von Freshfields verfaßten 17 000-Seiten-Vertrag selbst zu interpretieren, erhielt die Kanzlei einen weiteren Beratervertrag, damit Modalitäten und Höhe der Schadensersatzforderung ermittelt werden konnten. Auch bei der jüngsten Privatisierung des Dresdner Wohnungsbestandes hatte Freshfields die Finger im Spiel: Sie hat die Stadt Dresden beim Verkauf der städtischen Anteile an der WOBA Dresden GmbH beraten. Käufer war der US-Finanzinvestor Fortress, der die Anteile der Stadt für rund 1,75 Milliarden Euro übernahm; der Deal zählte zu den größten Immobilienverkäufen von Kommunen in Deutschland. Das Interessante daran: Noch im Dezember 2005 beriet Freshfields die Gegenseite, d. h. den Finanzinvestor Fortress, beim Kauf von Wohnungen der Dresdner Bank – Wohnungen, die mit der WOBA in eine gemeinsame Holding gesteckt werden sollen, die spätestens Anfang nächsten Jahres an die Börse gebracht werden soll.
Laut Eigendarstellung verfügt die Kanzlei Freshfields Bruckh aus Deringer »über die wohl umfassendste Erfahrung in Public Private Partnership-Projekten sowohl in Deutschland als auch international. Die Sozietät hat sich in diesem Bereich einen einmaligen Erfahrungshintergrund geschaffen, der eine Reihe von Pilotprojekten mit Modellcharakter einschließt.« Zu diesen Projekten mit Modellcharakter dürfte die angestrebte Privatisierung der Berliner Sparkasse ebenso zählen wie die Privatisierung von Krankenhäusern in Hessen und Hamburg, die Privatisierung von Wasserunternehmen, Stadtwerken und Flughäfen ebenso wie die Teilprivatisierung von Landesbanken. Auch international hat sich Freshfields mit umstrittenen Privatisierungen bzw. Public-Private-Partnerships (PPP) einen Namen gemacht. In Großbritannien war die Kanzlei beispielsweise an der Überführung einiger Londoner U-Bahnlinien in ein PPP-Projekt beteiligt und begleitete zahlreiche Schulprojekte sowie sämtliche PPP-Gefängnisprojekte.
Die angestrebte Privatisierung der Berline r Sparkasse folgt in ihren Grundzügen einem Modell, das schon bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe erprobt wurde. In beiden Fällen wurde der Berliner Senat von Frehsfields-Anwalt Benedikt Wolfers beraten. In beiden Fällen ging bzw. geht es um eine Privatisierung unter Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform – ein Modell, das sich laut Wolfers vor allem dann anbietet, wenn die öffentlich-rechtliche gegenüber der privatrechtlichen Form manifeste wirtschaftliche Vorteile bietet oder die Widerstände gegen eine vollständige Privatisierung zu groß sind.
Wie das neue Sparkassengesetz war auch die im Jahr 1999 in einem geheimen Vertrag von der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) mit den Konzernen RWE und Veolia (ehemals Vivendi) geregelte Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) juristisch und politisch höchst umstritten. Um eine Privatisierung bei Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform zu ermöglichen, wurde damals eine Holding geschaffen, die nach dem Vorbild der Berliner Bankgesellschaft AG sowohl eine Anstalt des öffentlichen Rechts (die Berliner Wasserbetriebe BWB) als auch diverse privatwirtschaftliche Beteiligungen und Tochtergesellschaften unter ihrem Dach vereinte. Und wie schon bei der Bankgesellschaft Berlin hat dieses Holding-Modell den Vorteil, daß es eine massive Subventionierung der privatwirtschaftlichen Unternehmen durch die Anstalt öffentlichen Rechts ermöglicht. Lieferten die Berliner Wasserbetriebe vor der Teilprivatisierung noch Gewinne an den Berliner Haushalt ab, so gehen diese Erlöse nun in erster Linie an die privaten Gesellschafter.
Umstrittenster Punkt des Vertrages ist, daß den privaten Erwerbern eine jährliche Rendite von sieben bis acht Prozent auf das »betriebsnotwendige Kapital« zugesichert wurde – über eine Laufzeit von 28 Jahren. Zwar wurde dieser Teil des Vertrags durch einen Beschluß des Verfassungsgerichts vom 21. Oktober 1999 für nichtig erklärt, trotz dieses Urteils bestand der SPD-PDS-Senat jedoch darauf, den privaten Wasserkonzernen die vereinbarte Zusatzrendite zuzuschanzen. Denn als hätten die Beteiligten geahnt, daß das Teilprivatisierungsgesetz von 1999 juristisch unhaltbar ist, wurde im Vertrag eine Klausel verankert, nach der das Land Berlin sich verpflichtet, die geringeren Gewinne oder höheren Verluste, die sich ergeben, falls das Teilprivatisierungsgesetz ganz oder teilweise für nichtig oder aufgrund einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts mit höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt wird (»Nichtigerklärung«), in vollem Umfang auszugleichen.
Um die unverschämte Rendite bezahlen zu können, muß das Land Berlin nun auf entsprechende Einnahmen verzichten, teils sogar draufzahlen. Gleichzeitig müssen die Berliner Haushalte tiefer in die Tasche greifen. Allein 2004 sind die Wasserpreise in Berlin um über 15 Prozent gestiegen; bis 2009 dürfte sich die Preise um etwa 30 Prozen t erhöht haben. Dabei liegt Berlin schon jetzt bei den Preisen für Wasser und Abwasser bundesweit an der Spitze.
Auch wenn die herrschenden Parteien und Medien nach wie vor ein Loblied auf die Privatisierung singen – auf Dauer läßt sich nicht verbergen, daß es sich bei der Privatisierung öffentlicher Dienste in aller Regel um Raubzüge privater Konzerne und ihrer Berater und Verbündeten handelt, die sich auf Kosten von Beschäftigten, Verbrauchern und Steuerzahlern eine goldene Nase verdienen wollen. Entsprechend nimmt der Widerstand gegen Privatisierungen zu, in manchen Fällen wird auch schon über eine Rückführung privatisierter Unternehmen in öffentliches Eigentum nachgedacht.
Alternativen zum Ausverkauf
Wie die Entwicklung in Berlin zeigt, ist dabei selbst ein Wandel vom Bock zum Gärtner nicht ausgeschlossen. So hat sich der Landesparteitag der Berliner SPD Ende letzten Jahres für die Aufhebung des Beschlusses zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ausgesprochen und die Abgeordneten sowie die sozialdemokratischen Senatsmitglieder dazu aufgefordert »zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Teilprivatisierung der BWB rückgängig gemacht werden kann und bis April 2006 darüber Bericht zu erstatten«. Auf den Bericht darf man gespannt sein – auch wenn kaum zu erwarten ist, daß eine Berliner SPD mit Wowereit, Sarrazin und Fugmann-Heesing in ihren Reihen einen entsprechenden Kurswechsel einleiten wird.
Was für die Berliner SPD gilt, gilt jedoch auch für die Berliner Linkspartei; schließlich trägt Senator Wolf einen Großteil der Verantwortung für die Verabschiedung des neuen Sparkassengesetzes. Klar ist, daß sich ohne massiven Druck aus der eigenen Partei, aus d er Öffentlichkeit, aus Gewerkschaften, Verbänden und sozialen Bewegungen nichts zum Guten ändern wird. Klar ist auch, daß der rot-rote Senat die Forderungen nach einem Stopp von Privatisierungen nicht gänzlich ignorieren kann, wenn er eine Schlappe bei den anstehenden Wahlen im September vermeiden will. Diese Situation gilt es zu nutzen.
Wenn die sich neu formierende Linke ihre Glaubwürdigkeit als Opposition zum Neoliberalismus nicht von vornherein aufs Spiel setzen will, muß die Linkspartei ihre bisherige Politik im Berliner Senat ändern. Im Hinblick auf die Privatisierungspolitik und den Umgang mit dem Berliner Bankenskandal sollte eine Fortsetzung der rot-roten Koalition davon abhängig gemacht werden, ob folgende Forderungen in die Tat umgesetzt werden:

  • Keine weiteren Privatisierungen öffentlichen Vermögen und kein Outsourcing öffentlicher Dienstleistungen an private Anbieter.
  • Revision des Sparkassengesetzes: Der Bestand der Berliner Sparkasse als vollrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenen Organen, eigenem Vermögen und eigener Bankerlaubnis muß garantiert und zugleich sicherstellt werden, daß die Gewinne der Berliner Sparkasse für gemeinnützige Zwecke verwendet werden und nicht in private Taschen zu fließen. Eine solche Gesetzesrevision würde außerdem die Frage einer möglichen Privatisierung elegant lösen, denn kein privater Investor dürfte unter solchen Konditionen noch Interesse bekunden. Zugleich könnte der Auflage der Europäischen Kommission durch Veräußerung der Sparkasse entweder an den Sparkassenverbund selbst oder an eine gemeinnützige Stiftung Rechnung getragen werden. Es gibt nämlich keine Auflage der Kommission, die das Land Berlin zur Privatisierung verpflichtet. Wie und an wen die Sparkasse veräußert wird, liegt in der Verantwortung des Berliner Senats.
  • Keine weitere Aufträge an Kanzleien wie Freshfields, die im Interesse privater Konzerne die Privatisierung öffentlicher Güter vorantreiben; Offenlegung aller Verträge, die der Senat mit Anwälten, Wirtschaftsberatern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geschlossen hat.
  • Revision des Teilprivatisierungsgesetzes der Berliner Wasserbetriebe und in der Perspektive die Rekommunalisierung der BWB.

Modell Rostock

Seit Anfang der Woche geht unter den rund 1000 Beschäftigten des Lübecker Hafens die Angst um: Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) hat die Privatisierung innerhalb von knapp zwei Jahren angekündigt.
Soll mit dem Verkauf der Lübecker Hafengesellschaft (LHG) das Tafelsilber der Hansestadt verscherbelt werden? Bürgermeister Bernd Saxe weist diese Vermutung zurück und betont, es gehe nur darum, einen strategischen Partner zu finden. Von einem klassischen »Ausverkauf« könne nicht die Rede sein. Und doch: Saxe selbst wollte nicht ausschließen, dass bis zu 90 Prozent der LHG, an der die Stadt jetzt 99,98 Prozent hält, in andere Hände gehen. Dazu wolle man sich eines EU-weiten Bieterverfahrens bedienen, kündigte er an.
Gerade hier ist die Gewerkschaft ver.di skeptisch. Man hat das »Heuschrecken«-Beispiel des Rostocker Hafens vor Augen, der vor Jahren mit Geldern ausländischer Investoren herunter gewirtschaft wurde. »Es gab eine große Entlassungswelle, viele kleine Gesellschaften wurden gegründet und es gab viele Fälle von Tarifflucht«, weiß auch Alfred Skritulnieks, Betriebsratsvorsitzender der LHG.
Auch die Lübecker Regionalgruppe des globalisierungskritischen Netzwerks Attac ist skeptisch. Sprecher Andreas Beldowski warnt: »Aus den Erfahrungen der letzten Jahre ist zu erwarten, dass die Stadt ihre Politik den Bürgern mit völlig überzogenen Erwartungen schmackhaft machen will. Die Ernüchterung wird sich wie bei anderen Projekten – etwa die Privatisierung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Stadtwerke – mit Garantie einstellen.«
Die Grünen der Hansestadt lehnen die Pläne des Bürgermeisters nicht grundsätzlich ab, wohl aber eine 90-prozentige Veräußerung. »Über eine Minderheitsbeteiligung würden wir mit uns reden lassen«, betont Susanne Hilbrecht, Grünen- Fraktionsvorsitzende der Bürgerschaft. SPD-Fraktionschef Peter Reinhardt verspricht indes: »Wir werden darauf achten, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben und die tariflichen Vereinbarungen langfristig bestehen bleiben.« Als Aufsichtsratsmitglied bei der LHG war er erbost, dass sein Parteigenossen Saxe Namen möglicher Interessenten öffentlich genannt hat, die nicht einmal im Aufsichtsrat erörtert wurden.
Während von der Bahn AG auf Nachfrage »kein Kommentar« zu hören ist, räumt die Hamburger Hafen und Logistik AG durchaus ein, dass eine Beteiligung in Lübeck eine Option sei – man hätte dann Zugang zur Ostsee. Ein möglicher Interessent soll auch die in Lübeck ansässige Possehl-Gruppe sein, ein Konsortium von 50 mittelständischen Firmen. Auch über skandinavische Finanziers wird spekuliert. Am 30. März wird im nichtöffentlichen Teil der Bürgerschaftssitzung hierüber debattiert.
Am Lübecker Hafen hängen infrastrukturell in der Region weitere 5000 Arbeitsplätze. Er ist europaweit die Nummer 2 für Papier- und Zellulose-Umschlag nach Antwerpen. Zuletzt hat die LHG Jahr für Jahr schwarze Zahlen geschrieben. Doch bei 71 Millionen Euro Verbindlichkeiten und einem errechneten Bedarf von 110 Millionen Euro bis 2015 für eine Flächenerweiterung und zusätzliche Terminals ist die Kapitaldecke weggebrochen, da die Stadt keine Bürgschaften mehr für Investitionen übernehmen darf. Die Europäische Union untersagt dies.
Unabhängig vom Verkauf übt die LHG-Spitze derzeit Druck auf die Belegschaft aus. Man will die wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 39 Stunden erweitern, »um in der Konkurrenz zu Rostock bestehen zu können«, so der Vorsitzende der LHG-Geschäftsführung Manfred Evers.
Von Dieter Hanisch
Quelle: Neues Deutschland, 20.03.06