Mascha Madörin – feministische Ökonomin [Rezension]

Von Brigitte Kratzwald, Graz (www.commons.at)

Zum ersten Mal hörte ich den Namen Mascha Madörin in Zusammenhang mit dem Begriff Care. Von da an war sie oft meine Referenz, wenn es um das Ausmaß und die gesellschaftliche Bedeutung der unbezahlten Arbeit ging. Aber der Horizont und der Arbeitsbereich von Mascha Madörin waren viel weiter. Sie begann in der Entwicklungspolitik und erlebte in Südafrika und Mozambique nicht nur die Auswirkungen der Apartheidpolitik, sondern auch die Probleme nachkolonialer Ökonomien. Sie war Mitbegründerin der Anti-Apartheidbewegung und kritisierte früh die neoliberalen Entwicklungsprogramme der Weltbank. Anschließend beschäftigte sie sich mit dem Finanzplatz Schweiz und gründetet die gleichnamige Aktionsplattform. Schon früh erkannte sie die Bedeutung der Finanzindustrie und ihre enge Verknüpfung mit vielen anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen. Seit den 1990er Jahren schließlich gehörte sie zu den Wegbereiterinnen einer feministischen Ökonomie.
Mascha Madörin war Ökonomin, ihr Blick jedoch ging weit über den üblichen Referenzrahmen der klassischen Ökonomie hinaus. Sie forderte eine »Ökonomie der Ökonomien«. Eine solche Ökonomie sollte Markt, Staat und unbezahlte Arbeit mit ihren je eigenen Logiken und ihre Verzahnung miteinander erfassen. Ihren ersten Unterricht in Ökonomie, meint sie, erhielt sie von ihrer Mutter, ihre wichtigsten Erkenntnisse gewann sie in Mozambique. Sie war eine originär feministische Denkerin in dem Sinn, dass sie immer einen Blick von unten einnahm und dadurch diejenigen Bereiche erfasste, die aus der klassischen Ökonomie hinausfallen. Mit ihrem eigensinnigen Denken lag sie durchaus auch manchmal quer zu anderen linken Positionen.
Außer Ökonomin war Mascha Madörin auch noch Aktivistin, Gründerin und Geschäftsführerin mehrerer NGOs, Lobbyistin und Mentorin für jüngere Frauen, seltener auch Männer. Weil sie auch ihren Lebensunterhalt mit diesen Tätigkeiten verdiente, musste sie ihr Einkommen dabei immer an die Möglichkeiten der jeweiligen Organisationen anpassen und patchworkartig kombinieren. Sie lebte daher schon »prekär«, als es diesen Begriff in dem Zusammenhang noch gar nicht gab.
Das Buch beginnt mit einem ausführlichen, von Urs Häni geführten, Interview mit Mascha Madörin auf das einzelne Kapitel von MitstreiterInnen zu ihren verschiedenen Lebensthemen folgen. Den Schluss bildet ein umfangreiches Verzeichnis von Publikationen und Interviews, das zeigt, dass Mascha Madörin auch eine engagierte Öffentlichkeitsarbeiterin war, die keine Auseinandersetzung scheute.
Alles in allem das Bild eines gelungenen und erfüllten Lebens und gleichzeitig ein Ausschnitt aus der Geschichte der neuen sozialen Bewegungen der Schweiz und deren internationale Vernetzung. Ein motivierendes,
lesenswertes Buch!

Bettina Dyttrich, Stefan Howald (Hg): Querdenken: Mascha Madörin. Edition 8, Zürich 2016, 25,80 EUR

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