geld, viel geld und noch mehr geld

Marco Facci CC BY-NC-ND 2.0
Marco Facci
CC BY-NC-ND 2.0

„Mal Reich sein“ ist die Anwort vieler Jugendlicher, wenn ich sie in Bildungsseminaren frage, was sie sich für ihre Zukunft wünschen. Die Vorstellung von kein Geld haben, ein bisschen Geld haben und viel Geld haben, ist nicht schwer sich zu machen – aus eigener Erfahrung und im Zusammenleben mit anderen. Allerdings ist zwischen viel Geld haben und noch mehr davon haben und dann irgendwann vielleicht reich sein eine große Spanne, die mitunter den erlernten und vorstellbaren Zahlenhorizont verläßt und vor allem in den möglichen Lebensperspektiven der zum Beispiel von mir befragten Jugendlichen nicht vorkommen wird, denn Reiche bleiben unter sich.

Wie geht das?

Es gibt viele Wege und einer sind staatlich festgelegte Steuerprivillegien für Unternehmen:

Steinreich wird man hierzulande am ehesten durch die massenhafte Ausbeutung fremder Arbeitskraft – das industriekapitalistische Modell der Reichtumsmehrung im 19. und 20. Jahrhundert –, durch erfolgreiche Spekulationen an den Finanzmärkten – das »kasinokapitalistische« Modell der Reichtumsmehrung im späten 20. und im 21. Jahrhundert – oder durch eine große Erbschaft – das feudalgesellschaftliche Modell des Mittelalters, welches derzeit fröhliche Urständ feiert. Aufgrund der von CDU, CSU, FDP und SPD in zwei unterschiedlichen Koalitionsregierungen gesetzlich fixierten Verschonungsregelungen für Erben von Betriebsvermögen verwandelt sich Deutschland wieder in eine »patrimoniale Gesellschaft«, wie der französische Ökonom Thomas Piketty ein Land nennt, in dem die Höhe des »väterlichen Erbes« darüber entscheidet, wer arm und wer reich ist. […] Seit dem 1. Januar 2009 können selbst Mitglieder von Unternehmerdynastien, die man in Russland, der Ukraine oder Griechenland als Oligarchen bezeichnen würde, unter bestimmten Voraussetzungen ihr Vermögen steuerfrei übertragen. […] Rückwirkend zum 1. Januar 2009 wurden Erben von Betrieben mit bis zu 20 (statt vorher zehn) Beschäftigten von der Pflicht zur Einhaltung der Lohnsummenregel befreit. Für über 95 Prozent aller Unternehmen galt diese Klausel nun nicht mehr. Das heißt, der Arbeitsplatzerhalt als angebliche Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung von Firmenerben wird fast gar nicht kontrolliert. […] Rückwirkend zum 1. Januar 2009 wurden Erben von Betrieben mit bis zu 20 (statt vorher zehn) Beschäftigten von der Pflicht zur Einhaltung der Lohnsummenregel befreit. Für über 95 Prozent aller Unternehmen galt diese Klausel nun nicht mehr. Das heißt, der Arbeitsplatzerhalt als angebliche Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung von Firmenerben wird fast gar nicht kontrolliert. […]

Auf dem alljährlich von der Stiftung Familienunternehmen – nicht zum ersten Mal mit der Bundeskanzlerin als Gastrednerin veranstalteten – »Tag des deutschen Familienunternehmens« machte Merkel ihren Zuhörern am 12. Juni 2015 in Berlin noch einmal Mut. Es gehe nicht bloß um Arbeitsplätze und Praxistauglichkeit, klagte Merkel, sondern erneut um die Verfassungskonformität der Regelung. Aber Schäuble habe einen gangbaren Weg gewählt und »nach vielen Gesprächen mit Unternehmern Optionsmöglichkeiten eingebaut, womit wir nach wie vor den Kernbereich, nämlich das zu vererbende Vermögen, schützen«. Merkel beruhigte die »werten Familienunternehmer« unter Hinweis auf das »Strucksche Gesetz«,² wonach kein Gesetzentwurf unverändert aus dem Bundestag herauskommt, und beteuerte, sich »der Sensibilität des Gegenstandes eindeutig bewusst« zu sein: »Sie dürfen davon ausgehen, dass wir uns Mühe geben, Regelungen zu finden, die Ihnen helfen.«

Tatsächlich kamen CDU, CSU und SPD den Unternehmerfamilien in dem am 8. Juli 2015 verabschiedeten Regierungsentwurf noch mehr entgegen. So wurde die Freigrenze, bis zu der keine Verschonungsbedarfsprüfung erfolgt, auf 26 Millionen Euro (für normale Familienunternehmen) bzw. 52 Millionen Euro (für Familienunternehmen mit Konzernstrukturen) angehoben. Für Betriebe mit mehr als zehn, aber nicht mehr als 15 Beschäftigten wurde die Lohnsummenpflicht, also die Regelung zur Erhaltung der Arbeitsplätze, erneut aufgeweicht. […] Die fortdauernde erbschaftssteuerrechtliche Privilegierung des Betriebsvermögens ist perfide, Kapitalismus pur und durch nichts zu rechtfertigen, weil sie dem Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes widerspricht: »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.« Die steuerliche Sonderbehandlung von Unternehmenserben treibt die staatliche Begünstigung von Kapitaleigentümern in der bürgerlichen Gesellschaft auf die Spitze. Es gibt keinen vernünftigen Grund für eine solche Besserstellung von Firmenerben, denn weder müssen diese Arbeitsplätze sichern noch müssen die in personaler Verantwortung geführten Betriebe eigens geschützt werden. (junge welt, 25.9.2015)

In der FAZ ist zu lesen, dass

das Ausmaß der Begünstigung der Unternehmenserben […] den höchsten Richtern dann doch zu weit [ging]. Sie sehen darin einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. (FAZ, 25.9.2015)

Und dennoch geht das staatspolitische Gerede in die Richtung, dass kein Unternehmen wegen der Erbschaftssteuer den Standort Deutschland verlassen dürfe.

Zusammengefasst:

  • In der BRD sind Familienunternehmen das, was in Russland die Oligarchen sind.
  • Viel Geld haben ist nicht ausreichend, um in der BRD reich zu werden, wenn der Kreis jener, die dazugehören wird per Erbschaft vergeben.
  • Regierung und Reiche arbeiten einvernehmlich zusammen für den Standort Deutschland und die angebliche Rettung von Arbeitsplätzen.
  • Diejenigen, die diese Arbeitsplätze bekommen, sorgen dafür, dass sich der Reichtum der Reichen nicht schmälert.
  • Das Gleichbehandlungsgebot wird in der Praxis so ausgelegt, dass gleich bei gleich bleibt indem ungleich zu erhalten ist und somit unter sich alle gleich behandelt werden. Wortklauberei? Ja. Aber eben auch die dargestellte Praxis.

 

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