Propaganda mit der Leiche

Marlies Mattern: Ein Feld der Ehre
Eigentlich wollte ich im Rahmen meiner kleinen Reihe zur Märzrevolution 1920 eine Rezension von Marlies Matterns Kriminalroman „Ein Feld der Ehre“ schreiben (und mache das bald auch noch), bin allerdings schon an seiner Oberfläche hängengeblieben und versuche mich nun erstmal im unterschätzten Genre der Buchcoverkritik.

Matterns Buch spielt – soviel sei zur Einordung doch gesagt – in den letzten Märztagen des Jahres 1920 in einem kleinen westmünsterländischen Dorf namens Raesfeld und verwebt einen fiktiven Mord mit tatsächlichen historischen Ereignissen. Traf doch am 26. März die Rote Ruhrarmee dort erstmals auf das putschistische Freikorps III. Marinebrigade von Loewenfeld (welches allerdings jetzt im Regierungsauftrag handelte). Raesfeld wurde zu einem Schauplatz des Weißen Terrors, an dem wenigstens 60 Ruhrarmisten starben, wobei mindestens 25 von ihnen als Gefangene oder Verwundete exekutiert wurden.

Der Buchumschlag (siehe oben) verwendet den Ausschnitt einer Fotografie, die neben den Leichen einiger Ruhrarmisten Schaulustige zeigt.

Josef Kamps: Tote Ruhrarmisten bei Dinslaken

Diethart Kerbs hat das Foto vorbildlich ediert1. Vermutlich wurde es am 2. April 1920 auf einem Feld bei Möllen, Kreis Dinslaken, aufgenommen. Autor ist der Architekt und Amateurfotograf Josef Kamps (1893-1954) aus Eppinghoven bei Dinslaken.

Nun kann man ein solches Bild zeigen, wenn man es in den richtigen Kontext stellt und – immerhin – den Kontext kann man Matterns Buch ja nicht ganz absprechen. Dennoch erscheint mir die Reklame für einen Kriminalroman zu trivial, um diese unbekannten Toten auszustellen und dem Layout unterzuordnen, indem man ihnen auch noch ein Verlagslogo einbrennt. Das ist unsensibel und geschmacklos – mit Harry Graf Kesslers Worten kann man es sehr treffend als „Propaganda mit der Leiche“2 bezeichnen.

Und dazu kommt noch eine grobe Verlagsschlamperei: das Impressum verzichtet fahrlässig auf einen Nachweis des Bildes. Fazit: Meine erste Buchcoverkritik ist ein unzweideutiger Verriß und der visuelle Vorgeschmack auf den Inhalt des Buchs ein übler. Doch davon in Kürze mehr.

  1. Das Bild stammt aus dem Buch: Diethart Kerbs (Hg.), Die Rote Ruhrarmee – März 1920, Berlin 1985, S. 29
    siehe auch: Diethart Kerbs, Ute Matschull-Mesfin, Die Märzrevolution 1920 und die Rote Ruhrarmee – Über die Schwierigkeiten der Bildquellenforschung, in: Fotogeschichte – Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 15, 1985, Frankfurt am Main, S. 15-28 []
  2. Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918-1937, Frankfurt am Main 1979, S. 705
    Kessler bezog sich mit seiner Äußerung auf das erste Staatsbegräbnis des Dritten Reichs, die Beisetzung samt Zeremonie im Berliner Dom von Hans Maikowski. []

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