Bahn: Winterdumping

BahnarbeiterDie Süddeutsche Zeitung berichtet von haarstreubenden Privatisierungsfolgen bei der Deutschen Bahn:

Schneeschippen zu Dumping-Löhnen: Billigarbeiter aus Osteuropa reinigen Züge und Bahnhöfe der Bahn. Der Konzern spricht von „wenigen Einzelfällen“, Kritiker von einer „weit größeren Dimension“.


Die winterlichen Verhältnisse behindern nicht nur den Zugverkehr, sie bescheren der Deutschen Bahn (DB) auch erhebliche Zusatzkosten. Etwa für die Reinigung von Schienenfahrzeugen oder das Schneeräumen auf Bahnhöfen. Dafür wurden nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in den vergangenen Wochen auch Billigarbeiter aus Osteuropa eingesetzt, die bei überlangen Arbeitszeiten mit Hungerlöhnen abgespeist wurden. Gegen einen Subunternehmer wurde deshalb Strafanzeige erstattet. Während die DB „wenige Einzelfälle“ einräumt, geht der Verein Mobifair von einer „weit größeren Dimension“ aus.

„Uns liegen klare Hinweise vor, dass es nicht nur beim Winterdienst deutlich mehr Fälle von Lohndumping gibt, als die Bahn zugibt“, sagt Karl-Heinz Zimmermann, Vorsitzender von Mobifair. Der gewerkschaftsnahe Verein, der sich für saubere Geschäfte und faire Arbeitsbedingungen in der Mobilitätsbranche einsetzt, fordert „umfassende Aufklärung über diese moderne Sklaverei“ (Zimmermann).

Arbeiten ohne Sicherheitswesten
Aufgeflogen ist dies vor wenigen Tagen im Berliner Umland, wo mutmaßlich bulgarische Putzkolonnen Waggons reinigten und auf Bahnhöfen Schnee schippten. Nach Informationen aus DB-Kreisen sollen die Osteuropäer für Dumping-Löhne gearbeitet haben. Konkrete Summen wollte ein Bahn-Sprecher auf Anfrage nicht nennen. Auch zur Zahl der Betroffenen und deren Arbeitsbedingungen machte er keine Angaben. Er sprach lediglich allgemein von „Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und Arbeitsschutzbestimmungen.“

So trugen die Osteuropäer offenbar selbst bei Tätigkeiten im unmittelbaren Gleisbereich nicht die vorgeschriebenen Sicherheitswesten. Die meisten sprachen auch nicht deutsch. Das ist aber unerlässlich, um die vorgeschriebenen Sicherheitsbelehrungen zu verstehen. Ob es solche Unterweisungen überhaupt gegeben hat, ist unklar. Nach Mobifair-Angaben ist dafür die Bahn zuständig. Deren Sprecher machte auch dazu keine Angaben.

Die Billigarbeiter waren die letzten und schwächsten Glieder eines Subunternehmersystems. Mehrere DB-Service- und Regionalgesellschaften vergeben nicht nur Winter- und Reinigungsdienste an Fremdfirmen. Im nunmehr aufgeflogenen Fall in Berlin/Brandenburg war die Firma Sitex Orbis Vertragspartner der Bahn. Sie wollte auf Nachfrage keine Stellungnahme abgeben. Auf ihrer Internetseite behauptet Sitex Orbis, „Europas führender Anbieter von integrierten Objektbetreuungs- und Sicherungslösungen“ zu sein.

Abmahnung von der Bahn
Im konkreten Fall hat Sitex Orbis eine andere Firma als Subunternehmen beauftragt. Dieses soll die Bulgaren losgeschickt haben. Sitex Orbis hat gegen diese Firma inzwischen Strafanzeige erstattet und selbst von der Bahn eine Abmahnung kassiert.

Dass der Berlin/Brandenburger Fall der einzige war, glaubt man auch in Bahnkreisen nicht. Nach SZ-Informationen überprüft die DB derzeit auch verdächtige Subunternehmer in anderen Regionen Deutschlands. Ansonsten wäscht die DB ihre Hände in Unschuld. In den Rahmenverträgen mit Subunternehmern sei geregelt, dass diese sich an geltende Bestimmungen wie Tarifverträge oder das Arbeitnehmer-Entsendegesetz halten müssten, sagte der DB-Sprecher.

Arbeitnehmervertretern reicht dies allerdings nicht aus. Der Gesamtbetriebsrat der DB-Services Nordost fordert, überhaupt keine Leistungen mehr an Subunternehmer zu vergeben. Mobifair-Chef Zimmermann hält die Bahn „in jedem Fall für verantwortlich, denn der Spardruck ist dort so groß geworden, dass Lohn- und Sozialdumping Tür und Tor geöffnet sind“, sagte er.

Quelle: Uwe Ritzer in der SZ vom 16.01.2010

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