100% Mieterhöhung: Jenseits muss zumachen

Früher war alles besser: Als das Jenseits noch am Heini war.

Der taz-Bericht muss den Nachruf ersetzen.

Mit Bierhimmel und Café Jenseits hat die Oranienstraße in Kreuzberg zwei Institutionen des Nachtlebens verloren. Der Verlust ist eine Begleiterscheinung der rasanten Aufwertung des Kiezes.

Die Kreuzberger Oranienstraße ist um ein paar Attraktionen ärmer. Gleich zwei Institutionen des Nachtlebens haben zu Weihnachten für immer die Türen zugemacht: Das Künstlerlokal Café Jenseits am Heinrichplatz, in dem seit den Achtzigern unter einer Spiegelpalme Kaffee getrunken und geraucht wird, gibt es nicht mehr. Er habe sich die „exorbitanten Mieterhöhungen von über 100 Prozent“ nicht mehr leisten können, sagt Wirt Clement de Wroblewsky.

Seit 2005 ist die Gegend rund um die Oranienstraße von teils massiven Mieterhöhungen betroffen. Ein Drittel der Mieten liegt bereits über den für ALG-II-Empfänger festgesetzten Höchstsätzen. Bei Neuvermietungen und Verlängerung von alten Mietverträgen schlagen Vermieter richtig zu. Viele der alteingesessen kleinen Läden können sich die Preise nicht mehr leisten, wie jetzt im Fall des Jenseits. Die Folgen sind im Straßenbild bereits deutlich sichtbar: An die Stelle kleiner Gemüseläden und Alternativkneipen treten Wettbüros oder Filialen von Kleidungs-und Gastroketten.

Die Angst vor einer Gentrifizierungswelle grassiert im Kiez. Mitte Dezember diskutierte im – mittlerweile geretteten – SO 36 der grüne Bezirksbürgermeister mit Anwohneraktivisten zum Thema „Kreuzberg 36 in der Krise?“ Mehr als 200 Menschen kamen, es wurde hitzig über Mietobergrenzen, Mieterberatung und Widerstandsstrategien debattiert.

Das alkohol- und drogenfreie Migrantenprojekt „Café Orya“ in der Oranienstraße 22 hat angesichts der Entwicklung freiwillig aufgegeben. Im Sommer lief der Fünfjahresvertrag mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GSW aus. 1.300 Euro Miete zahlte der Trägerverein, die Progressive Volkseinheit der Türkei (HDB), zuletzt. Alle zwei Jahre wurde eine Erhöhung um 100 Euro fällig. Bei Vertragsverlängerung hätte es noch einmal eine Mieterhöhung gegeben. Der Verein sei aber schon bei der obersten Grenze des Zahlbaren angekommen, sagt Vorstandsmitglied Ahmet Iyidirli. Daher habe man auf eine Vertragsverlängerung verzichtet. Auf ein Entgegenkommen des Vermieters verließ man sich erst gar nicht. Der Verein sucht nach neuen Räumlichkeiten. Auf der immer teurer werdenden Oranienstraße wird er nicht mehr eröffnen können.

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