»Public Private Partnership ist ein Trojanisches Pferd«

Eine Konferenz am Wochenende in Berlin informiert über Privatisierungen im Bildungsbereich. Ein Gespräch mit Gerlinde Schermer, Sprecherin des »Donnerstagskreises – Linke in der Berliner SPD« und Referentin am Sonnabend in Berlin über das Berliner Privatisierungsgeschehen.

Privatisierungen im Bildungsbereich sind ein recht neues und für viele noch schwer greifbares Thema. Was gibt es dazu aus der Hauptstadt zu berichten?

In Berlin sollten auf Betreiben der Finanzverwaltung, der Industrie- und Handelskammer sowie williger Stadträte Hochbaumaßnahmen an Schulen in drei Bezirken über sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaften finanziert werden. Diese Pläne wurden nach Intervention der Parteibasis von SPD und Linkspartei vorerst fallengelassen. Um neuerliche Vorstöße abwehren zu können, ist es entscheidend, die Bürger aufzuklären, was und wer hinter solchen Projekten steckt und welche Risiken sie bergen.

Nur zu …

Eine Public Private Partnership (PPP) ist ein trojanisches Pferd, um Privatunternehmen, die natürlich Gewinn machen müssen, dauerhaft in originär staatliche Bereiche einzuschleusen. In der Regel geschieht das mit dem Vorwand, einer verschuldeten Kommune kurzfristig Sanierungsmaßnahmen zu ermöglichen, für die heute im Haushalt kein Geld locker gemacht werden könne, und mit dem Versprechen, der Vertrag mit den Privaten käme die Kommune am Ende der Laufzeit auch noch billiger. Aber auch ein privater Bauherr baut nur mit Kredit, meist leiht er sich 90 Prozent der Bausumme bei einer Bank. Dieser Kredit kostet Zinsen, und die Kommune muß ihn bezahlen. Das geschieht mit einer Art Leasingrate für die Laufzeit des Vertrages zwischen 25 und 40 Jahren. Diese Zahlung deckt nicht nur die Investitions- und Betriebskosten sondern umfaßt auch einen garantierten Gewinn für die Privaten meist sogar mit Risikoaufschlag. Und all das kommt den Bürger langfristig sehr viel teurer zu stehen.

Gibt es dafür Beispiele?

Ich werde morgen auf der Tagung gemeinsam mit Christina Wendt, einer ver.di-Kollegin aus Darmstadt, den Fall eines in Frankfurt/Main mit viel Tam Tam als PPP-Projekt errichteten Oberstufenzentrums schildern.
Das Beispiel zeigt: Erstens wurde beim Bau gepfuscht, zweitens hat die Kommune kaum Mitspracherechte beim Betrieb, drittens wird das Projekt sehr viel teuerer als geplant, und viertens läuft der Vertrag noch viele Jahre, ohne daß die Bürger ihn kennen. Denn er ist und bleibt geheim!

Themenwechsel: Ist der Einsatz sogenannter freier Träger in der vorschulischen Erziehung für Sie auch schon ein Fall von Bildungsprivatisierung?

Ich habe 1989 den gescheiterten Streik der Erzieherinnen gegen die Übertragung der Kitas in freie Trägerschaft miterlebt. Viele der damaligen Befürchtungen haben sich inzwischen bewahrheitet,
Stichworte: Personalabbau, Arbeitsverdichtung, größere Gruppen. Auch wenn die freien Träger heute noch vollständig öffentlich finanziert werden, sind dies für mich alles erste Schritte auf dem Weg, Privatanbietern den Boden zu bereiten. Sobald nämlich auch nur ein Privater im Kita-Bereich mitmischt, ist das Einfallstor aufgerissen.

Wie das?

Die Ende 2006 beschlossene EU-Dienstleistungsrichtlinie ermöglicht mittlerweile auch den innereuropäischen Handel mit privaten Bildungsdienstleistungen. Zunächst gilt das für den Vorschulbereich, für schulische und berufsbildende Angebote. Richtig brisant werden die Regelungen im Verbund mit denen des Dienstleistungsabkommen GATS. Das verbietet nämlich öffentliche Subventionen, wenn die begünstigte Einrichtung im Wettbewerb mit Privatanbietern steht.

Wurde die Dienstleistungsrichtlinie in punkto Bildungsprivatisierung nicht eigentlich weitgehend entschärft?

Entscheidend sind die kommenden Verhandlungen über die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Bereich. Allein durch PPP-Projekte bei Schulsanierungen beginnen die Grenzen aber schon zu verschwimmen.
Außerdem sollte man wissen: Auf EU-Ebene befinden die Wirtschaftsminister und nicht etwa Bildungspolitiker darüber, was im Bildungsbereich liberalisiert wird.

Welche Hoffnung bleibt dann noch?

Die Bürger müssen die Prozesse durchschauen, und sie müssen sich zur Wehr setzen. Und das kann nur heißen: Bildung muß öffentliche Aufgabe bleiben, ganz egal, ob Berlin mit 60 Milliarden Euro in der Kreide steht.

* Samstag, 13 bis 18 Uhr, Dudenstr. 35-37, U6 Platz der Luftbrücke:
»Öffentliche Aufgaben gehören in öffentliche Hand – Bildung ist keine Ware!«, Konferenz der GEW und des Bündnisses gegen Privatisierung

Interview: Ralf Wurzbacher
http://www.jungewelt.de/2008/02-15/037.php
15.02.2008 / Inland / Seite 8

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