Singst du unter der Dusche?

Roadsidepictures CC BY-NC 2.0
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Das könnte demnächst die Betreiber*innen der Duschbad-Schampoo-Seifen-Duschvorhangindustrie freuen. Es sei denn, du hast viel Geld und kannst dir deine Privatheit kaufen. Das zumindest ist die These von Evgeny Morozov in einem Interview in der Berliner Zeitung.

Facebook und andere soziale Netzwerke sind ein essenzieller Stützpfeiler der Sharing Economy. Die Nutzer sollen immer mehr über sich preisgeben, um die Dienste nutzen zu können. Die Logik ist dieselbe wie bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit. Der Unterschied ist, dass im Falle des Banksystems zahlreiche Schutzvorrichtungen eingebaut wurden, um sicherzustellen, dass gewisse Domänen unseres Lebens dem Zugriffe der Banken und Kreditinstitute entzogen sind. Sie dürfen nicht bespitzeln, was ich unter der Dusche singe und dieses Wissen auch nicht für ihre Entscheidung nutzen, ob ich einen Kredit bekomme oder nicht. Bei der Sharing Economy sind dagegen die meisten dieser Sicherheiten verschwunden. Das liegt unter anderem daran, dass sie sich auf Mittelsmänner wie Facebook verlassen bei der Frage, wer wir sind. Und Facebook hat natürlich keine Grenzen, wenn es darum geht, welche Daten über uns in die Profilbildung einbezogen werden. […] Ich denke, letztlich läuft es darauf hinaus, dass wir nicht nur unsere physischen Dinge teilen. Wir werden alles teilen, was über uns gespeichert wird – selbst kleinste Details unseres Verhaltens. Es wird jemanden geben, der sich dafür interessiert, welche Songs Sie unter der Dusche singen. Früher war es unmöglich, da es weder die Sensoren dafür gab noch die Vernetztheit, um alles aufzuzeichnen. Aber da es nun möglich ist, alles zu erfassen und zu katalogisieren, wird es vielleicht auch einen Shampoo-Hersteller geben, der in Echtzeit diese Informationen kaufen will. In diesem Sinne wird unser gesamtes Leben zu einem gigantischen Marktplatz. Die Marktbeziehungen greifen über auf unser alltägliches Leben. Es kommt zu einer kompletten Finanzialisierung des Alltags, da alles, was Sie nun machen, erfasst und profitabel verkauft werden kann.

Und die Perspektive:

Wer reich ist, kann sich Suchmaschinenoptimierung kaufen, vollkommen verschlüsselte Telefone anschaffen oder sich einen Privatsphäre-Assistenten anstellen, dessen Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass die Person unterhalb des Radars bleibt. Alle anderen werden permanent durchleuchtet werden.

Den Klassencharakter der Überwachungs-, Kontroll- und Verschlüsselungsdebatte arbeitet auch Netzfüralle heraus. Für diejenigen, die nicht reich sind oder es sind, aber nicht vorhaben alle Knete in Privatheit zu investieren, bleibt die digitale Selbstverteidigung und der Kampf um eine emanzipative linke digitale Agenda.

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