Reprivatisierung in Heidenheim?

Mit einem Bürgerentscheid soll der Verkauf ehemals städtischer 
Wohnungen an Immobilieninvestor Gagfah rückgängig gemacht werden.

Am 11. März wird es erstmals in der Geschichte der schwäbischen 
Industriestadt Heidenheim einen Bürgerentscheid geben. Die 36000 
Wahlberechtigten entscheiden, ob der Gemeinderatsbeschluß zum Verkauf der städtischen Anteile an der Grundstücks- und Baugesellschaft in Heidenheim (GBH) aufgehoben werden soll.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatte der Gemeinderat am 9. November mit der Mehrheit aus CDU und Freier Wählergemeinschaft einen entsprechenden Beschluß gefaßt. Geplant ist der Komplettverkauf der GBH an die GAGFAH, einen jener als »Heuschrecken« bezeichneten Wohnimmobilieninvestor mit Sitz in Luxemburg. Der Verkauf der Anteile soll der Stadtkasse Einnahmen in Höhe von 40 Millionen Euro bescheren. Die Grünen, die Mehrheit der SPD-Fraktion und die beiden Gemeinderäte der DKP stimmten dagegen. Sie befürchten weitere Belastungen für die betroffenen Mieter. Zwar befanden sich die 9000 Wohnungen der GBH zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr im direkten Besitz der Stadt, doch durch den 28,6prozentigen Anteil, den die Kommune an dem Unternehmen noch hielt, konnte sie dessen Geschäftspolitik beeinflussen.

Der Verkaufsbeschluß sorgte in der Stadt für Empörung. Die SPD, die 
Grünen, die DKP, der Mieterverein und die IG Metall initiierten ein 
Bürgerbegehren dagegen. Innerhalb weniger Wochen wurden knapp 4300 Unterschriften gesammelt und das Quorum von zehn Prozent der Wahlberechtigten deutlich übertroffen.

Das Kommunalparlament machte am vergangenen Freitag den Weg frei für den Entscheid, indem er das Bürgerbegehren für zulässig erklärte. Falls rund 9000 Heidenheimer der Aufhebung des  Gemeinderatsbeschlusses vom 9. November 2006 zustimmen, hat dies die  Wirkung eines endgültigen Gemeinderatsbeschlusses.

Der DKP-Abgeordnete Ulrich Huber geht davon aus, daß die 
Verkaufsgegner erfolgreich sein werden. »Wir haben beim Sammeln der  Unterschriften gemerkt, daß die Menschen das nicht wollen«, so Huber  gegenüber jW.

Der politische Erfolg der Antiprivatisierungskampagne scheint somit 
greifbar nahe, doch ob damit der Verkauf der städtischen Anteile 
rückgängig gemacht werden kann, steht auf einem anderen Blatt. 
Oberbürgermeister Bernhard Ilg (CDU) stellt sich laut Südwestrundschau vom vergangenen Donnerstag auf den Standpunkt, daß der Verkauf der städtischen Anteile rechtswirksam getätigt worden sei. Die Vertragsbindung der Stadtwerke würde auch durch einen Gemeinderatsbeschluß nicht beseitigt werden, so Ilg auf der Gemeinderatssitzung. Die Stadt könne lediglich auf die Stadtwerke einwirken, daß diese in Verhandlungen über eine etwaige Rückabwicklung des Verkaufs mit der GAGFAH treten. Dies würde aber  Kosten in noch nicht bezifferbarer Millionenhöhe nach sich ziehen, so  Ilg.

Auch Huber sieht die Probleme, die durch die »komplizierte 
juristische Konstruktion« entstanden seien. Jetzt räche sich die 
Entscheidung des alten Gemeinderats, die den Stadtwerken gehörende  GmbH, die den ehemals kommunalen Wohnungsbesitz verwaltete, in die  GBH einzugliedern, an der die Stadtwerke nur Minderheitsanteile halten. Wenn der Bürgerentscheid aber erfolgreich sei, könnten die  Verkaufsbefürworter wenigstens kaum so weitermachen wie bisher.

Die erfolgreiche kommunalpolitische Arbeit der DKP in Heidenheim wird  von Landesbehörden durchaus zur Kenntnis genommen. So heißt es im  Jahresbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: »Die Heidenheimer Ortsgruppe der Deutschen 
Kommunistischen Partei, die seit der Kommunalwahl am 13. Juni 2004  mit zwei Mandaten statt mit bisher einem im örtlichen Stadtrat  vertreten ist, zeigt sich innerhalb der Heidenheimer  Politiklandschaft durchaus rührig. (..) Das Engagement der Partei  stößt in interessierten Bevölkerungskreisen nicht selten auf  Sympathie und zeigt wieder einmal, daß die DKP trotz  bundespolitischer Bedeutungslosigkeit auf kommunaler Ebene durchaus 
in der Lage ist, sich aktiv in das örtliche Tagesgeschehen 
einzumischen und vor allem, bei einem Teil der Öffentlichkeit den 
einen oder anderen Pluspunkt zu sammeln.«

Tageszeitung  Junge Welt, 31. Januar 2007
http://www.jungewelt.de/2007/01-31/042.php

Moderne Raubzuege

In der Jungen Welt vom 1.4.06, S. 10 beschreibt Sahra Wagenknecht, wie deutsche Großbanken in Zusammenspiel mit der EU-Kommission, dem Berliner Senat und der Anwaltskanzlei Freshfields die Privatisierung von Sparkassen durchsetzen wollen.
Privare = rauben (Latein). Damit ist über das Wesen von Privatisierungen eigentlich alles gesagt. Es geht um den Raub von gesellschaftlichem Vermögen und die Umleitung von Einnahmen (Zinsen, Mieten, Dividenden u.a.) auf private Konten bei gleichzeitiger Abwälzung von Schulden, Risiken und sonstiger »Altlasten« auf die Allgemeinheit. Erwünschter Nebeneffekt ist die Zerschlagung organisierter Kernbelegschaften im öffentlichen Dienst, um künftigen Streikaktionen vorzubeugen und flächendeckend Löhne senken zu können.
Zum Gelingen derartiger Raubzüge tragen verschiedene Akteure bei. So bedienen sich die Großbanken und Konzerne willfähriger Anwaltskanzleien zur juristischen Absicherung ihrer Beute; hinzu kommen unerfahrene oder korrupte Politiker, die auf kurzfristige Privatisierungserlöse schielen, ohne die langfristigen Folgen zu berücksichtigen, und Institutionen wie die EU-Kommission, die keine Gelegenheit auslassen, die Privatisierung öffe ntlicher Güter im Interesse des Großkapitals voranzutreiben. Wie die verschiedenen Akteure zusammenwirken und welche Tricks sie anwenden, um eine Privatisierung selbst in jenen Bereichen zu erzwingen, in denen die Widerstände gegen einen Ausverkauf öffentlicher Güter groß sind, soll im Folgenden am Beispiel der Berliner Sparkasse beschrieben werden.
Lobbypartner EU-Kommission
Das aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken gebildete Drei-Säulen-Modell in Deutschland ist den privaten Großbanken schon lange ein Dorn im Auge. Schließlich verhindert es die Übernahme von Sparkassen und steht damit einer Machtkonzentration im deutschen Bankenmarkt im Weg. Daß die deutschen Banken »im Geschäft mit Privatkunden unter der Konkurrenz der Sparkassen leiden und daher nicht annähernd an die Ergebnisse ihrer ausländischen Konkurrenz herankommen« (Handelsblatt 3.8.04) ist ein Verslein, das die deutsche Bankenlobby bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt. Sie weiß, wo sie hinwill.
In Italien etwa wurde im Gefolge einer rüden Privatisierungspolitik der Marktanteil des staatlichen Bankensektors von 75 Prozent Anfang der neunziger Jahre auf nur noch zehn Prozent heruntergedrückt. Parallel zu diesem Prozeß explodierten die Gebühren für Bankdienstleistungen. Im Ergebnis kostet ein Girokonto in Italien heute doppelt so viel wie im europäi schen Durchschnitt.
In Deutschland hingegen ist der Widerstand gegen eine Privatisierung von Sparkassen nach wie vor groß. Folgerichtig suchte und sucht der Bundesverband Deutscher Banken nach Bündnispartnern in Brüssel. Mit Erfolg: 2005 wurden nach einem Entscheid der Europäischen Kommission die Staatsgarantien für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute abgeschafft, was die Sparkassen und Landesbanken dazu zwingt, ihre Geschäftspolitik stärker an den Renditeerwartungen der Kapitalmärkte auszurichten. An der Aushandlung dieses Deals war als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium übrigens just jener Caio Koch-Weser beteiligt, der kürzlich von der Deutschen Bank mit einem hochdotierten Posten für seine Lebensleistung belohnt wurde.
Aber damit nicht genug: Derzeit erwägt die EU-Kommission, das seit 2003 ruhende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufzunehmen, das zur Zulassung privater Sparkassen führen könnte. Im Mittelpunkt des Verfah rens steht das in Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes (KWG) verankerte Namensmonopol für Sparkassen, das den Namen »Sparkasse« für den öffentlichen Bereich reserviert. Zwar ist es der EU-Kommission laut Artikel 295 des EU-Vertrags untersagt, sich in die Eigentumsordnung eines EU-Mitgliedslandes einzumischen, und auch die EU-Bankenrichtlinie erlaubt es, nur bestimmten Instituten den Namen »Sparkasse« zuzuordnen. Doch wo die Wirtschaftslobby ruft, ist Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy zur Stelle und wittert pflichtschuldig Verstösse »gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit«.
Folgen des Bankenskandals
Anlaß des erneuten Vorstoßes der EU-Kommission ist der für 2007 geplante Verkauf der Bankgesellschaft Berlin, zu der auch die Berliner Sparkasse gehört. Sollte ein privater Investor bei der Veräußerung zum Zuge kommen, wäre dies sehr wahrscheinlich der von den privaten Banken lang herbeigesehnte Präzedenzfall, der das gesamte Drei-Säulen Modell zum Einsturz bringen kann.
Daß es eine Auflage der Europäischen Kommission zur Veräußerung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin überhaupt geben konnte, ist den Verantwortlichen des Berliner Bankenskandals anzulasten. Diese haben die Bankgesellschaft in den neunziger Jahren dazu benutzt, um ihre politischen und geschäftlichen Freunde mit Pöstchen und Krediten zu versorgen und hochlukrative Immobilienfonds zu teilweise sittenwidrigen Konditionen (von steuerlichen Verlustzuweisungen bis zu langjährigen Mietgarantien und dem Recht zur Rückgabe zum Nominalwert am Ende der Laufzeit) an etwa 70 000 Anleger aufzulegen. Risiken und Verluste aus diesem Geschäft wurden auf den öffentlich-rechtlichen Teil der Berliner Bankgesellschaft abgewälzt.
Die Sozialisierung der Verluste begann im August 2001, als das Land Berlin der Bankgesellschaft eine Kapitalzuführung von 1,755 Mrd. Euro zukommen ließ. Da diese Summe nicht ausreichte, um eine Pleite abzuwenden und das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin) im November 2001 mit der Schließung der Bankgesellschaft drohte, beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus am 9.4.2002 das Risikoabschirmungsgesetz, wodurch Risiken von bis zu 21,6 Milliarden Euro, die aus faulen Krediten, Wertverlust von Immobilien u. ä. resultieren, vom Land übernommen wurden.
Für die Verluste der Bankgesellschaft bezahlen mußten unter anderem die Bediensteten des Landes Berlin, deren Löhne und Vergütungen um durchschnittlich zehn Prozent gesenkt wurden. Laut Berliner Senat bringt dieser »Solidarpakt«, zu dem sich verdi nach dem Austrit t des Landes Berlin aus dem Arbeitgeberverband nötigen ließ, eine weitere Entlastung der Personalausgaben um 250 Millionen im Jahr 2003 und um jeweils 500 Millionen in den Jahren ab 2004.
Wie zu erwarten war, rief die Unterstützung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin die Brüsseler Wettbewerbshüter auf den Plan. Zwar wurden die staatlichen Beihilfen von der EU-Kommission nachträglich genehmigt; allerdings nur unter der Bedingung daß sich die Bankgesellschaft von mehreren Tochtergesellschaften trennt und 2007 selbst verkauft wird. Damit könnte die zur Bankgesellschaft gehörende Berliner Sparkasse die erste öffentliche Bank in Deutschland werden, die von privaten Investoren übernommen wird. Sicher ist dies allerdings noch nicht. Denn nach wie vor gilt Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes, der es privaten Banken nicht erlaubt, eine Sparkasse zu betreiben. Sollte eine private Bank im Bieterverfahren zum Zuge kommen, müßte die erworbene Bank also unter anderem N amen weitergeführt werden. Das freilich ist gerade nicht der Sinn der Sache.
Mit dem Berliner Sparkassengesetz, das seit Juni 2005 in Kraft ist, versuchte der Berliner Senat, das Unmögliche möglich zu machen: Die Sparkasse sollte de facto privatisiert, die öffentlich-rechtliche Fassade und damit der Name jedoch gewahrt bleiben. Um dies zu erreichen, wurde die Sparkasse in eine teilrechtsfähige Anstalt umgewandelt und die Landesbank Berlin in eine Aktiengesellschaft transformiert, die vom Land Berlin mit der Trägerschaft an der Sparkasse beliehen wurde. Der Clou besteht also darin, daß die Sparkasse ein öffentlich-rechtliches Institut bleibt – allerdings unter dem Dach einer AG, die von privaten Investoren gekauft werden kann.
Fraglich ist allerdings, ob das Berliner Sparkassengesetz juristisch haltbar ist. Zwar existieren in diesem Gesetz einige Paragraphen, welche die Gemeinwohlverpflichtung der Berliner Sparkasse sichern sollen. Allerdings verfügt die Berliner Sparkasse als teilrechtsfähige Anstalt über kein eigenes Vermögen, und auch die von der Sparkasse erzielten Gewinne sollen in die Taschen des privaten Trägers fließen. Hier genau lauert das Problem: Eine Ausschüttung der Gewinne einer Sparkasse an Private ist mit Paragraph 40 KWG nicht vereinbar. Denn nach diesem Gesetz müssen die Überschüsse einer Sparkasse entweder beim Institut verbleiben oder gemeinnützig verwendet werden. Das sieht auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) so.
Da allerdings kein privater Investor auch nur einen müden Euro für ein Institut verausgaben dürfte, das seine Gewinne nicht ausschütten darf, hat Finanzsenator Sarrazin die BaFin in einem Brief gebeten, ihre Auffassung zu überdenken. Zur Unterstützung verweist er dabei auf die Tatsache, daß die Berliner Sparkasse schon in der Vergangenheit – seit Gründung der börsennotierten Bankgesellschaft im Jahr 1994 – ihre Gewinne an die Bankgesellschaft ausgeschütt et hat. »Würde Paragraph 40 KWG tatsächlich eine gemeinnützige Verwendung von Überschüssen voraussetzen und zugleich jegliche Ausschüttungen an private Träger ausschließen, so hätte die BaFin seit Schaffung des Konzerns Bankgesellschaft rechtswidrig gehandelt und müßte sich fragen lassen, warum sie seit zehn Jahren nicht gegen die Verwendung der Bezeichnung ,Berliner Sparkasse‘ eingeschritten ist«.
Richtig ist daran, daß schon die Gründung der Bankgesellschaft Berlin AG gegen geltendes Recht verstoßen und die undurchsichtige Struktur der Bankgesellschaft AG sowie die daraus resultierende unheilvolle Vermischung privater Interessen mit öffentlichen Haftungsgarantien zum Bankenskandal geführt hat. Mit Verweis auf rechtswidrige Bestimmungen der Vergangenheit nun allerdings zu fordern, man müsse erneut ein Institut schaffen, das die öffentlich-rechtliche Fassade mißbraucht, um möglichst hohe Profite auf private Konten zu schleusen, ist mehr als dreist.
An die Überzeugungskraft seines Arguments scheint Sarrazin daher selbst nicht recht zu glauben. Aus eben jenem Grund hat er Binnenmarktkommissar McCreevy zur Wideraufnahme des besagten Vertragsverletzungsverfahrens gegen das Namensmonopol der Sparkasse angeregt. Die unabsehbaren Folgen, die eine Privatisierung von Sparkassen für die mittelständische Wirtschaft, die Beschäftigten und Verbraucher in ganz Deutschland nach sich ziehen würden, interessieren im Berliner Senat offenbar weniger.
Ein passendes Gesetz
Wie Report Mainz am 20. März berichtet hat, wurde das umstrittene Berliner Sparkassengesetz übrigens von der Kanzlei Freshfields, Brückhaus, Deringer erarbeitet – eine »der besten Adressen für milliardenschwere Wirtschaftsdeals«, die »mit dem Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Berateraufträge eng verbunden« ist. Nun ist es nichts Außergewöhnliches, daß sich die Legislative bei Gesetzesvorhaben juristische Expertisen einholt. Daß Lobbykanzleien jedoch den Auftrag bekommen, Gesetze von Anfang an mitzuschreiben, ist ein relativ neues Phänomen. Im Fall des Sparkassengesetzes übernahmen Anwälte von Freshfields auch die Aufgabe, den Berliner Abgeordneten in Anhörungen das Gesetz zu erklären.
Im Übertölpeln von Parlamentariern, Senatoren und Ministern hat die Kanzlei schon einige Erfahrung. So beriet die Kanzlei das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen bei der Einführung der LKW-Maut. Als das Verkehrsministerium nicht in der Lage wa r, den von Freshfields verfaßten 17 000-Seiten-Vertrag selbst zu interpretieren, erhielt die Kanzlei einen weiteren Beratervertrag, damit Modalitäten und Höhe der Schadensersatzforderung ermittelt werden konnten. Auch bei der jüngsten Privatisierung des Dresdner Wohnungsbestandes hatte Freshfields die Finger im Spiel: Sie hat die Stadt Dresden beim Verkauf der städtischen Anteile an der WOBA Dresden GmbH beraten. Käufer war der US-Finanzinvestor Fortress, der die Anteile der Stadt für rund 1,75 Milliarden Euro übernahm; der Deal zählte zu den größten Immobilienverkäufen von Kommunen in Deutschland. Das Interessante daran: Noch im Dezember 2005 beriet Freshfields die Gegenseite, d. h. den Finanzinvestor Fortress, beim Kauf von Wohnungen der Dresdner Bank – Wohnungen, die mit der WOBA in eine gemeinsame Holding gesteckt werden sollen, die spätestens Anfang nächsten Jahres an die Börse gebracht werden soll.
Laut Eigendarstellung verfügt die Kanzlei Freshfields Bruckh aus Deringer »über die wohl umfassendste Erfahrung in Public Private Partnership-Projekten sowohl in Deutschland als auch international. Die Sozietät hat sich in diesem Bereich einen einmaligen Erfahrungshintergrund geschaffen, der eine Reihe von Pilotprojekten mit Modellcharakter einschließt.« Zu diesen Projekten mit Modellcharakter dürfte die angestrebte Privatisierung der Berliner Sparkasse ebenso zählen wie die Privatisierung von Krankenhäusern in Hessen und Hamburg, die Privatisierung von Wasserunternehmen, Stadtwerken und Flughäfen ebenso wie die Teilprivatisierung von Landesbanken. Auch international hat sich Freshfields mit umstrittenen Privatisierungen bzw. Public-Private-Partnerships (PPP) einen Namen gemacht. In Großbritannien war die Kanzlei beispielsweise an der Überführung einiger Londoner U-Bahnlinien in ein PPP-Projekt beteiligt und begleitete zahlreiche Schulprojekte sowie sämtliche PPP-Gefängnisprojekte.
Die angestrebte Privatisierung der Berline r Sparkasse folgt in ihren Grundzügen einem Modell, das schon bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe erprobt wurde. In beiden Fällen wurde der Berliner Senat von Frehsfields-Anwalt Benedikt Wolfers beraten. In beiden Fällen ging bzw. geht es um eine Privatisierung unter Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform – ein Modell, das sich laut Wolfers vor allem dann anbietet, wenn die öffentlich-rechtliche gegenüber der privatrechtlichen Form manifeste wirtschaftliche Vorteile bietet oder die Widerstände gegen eine vollständige Privatisierung zu groß sind.
Wie das neue Sparkassengesetz war auch die im Jahr 1999 in einem geheimen Vertrag von der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) mit den Konzernen RWE und Veolia (ehemals Vivendi) geregelte Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) juristisch und politisch höchst umstritten. Um eine Privatisierung bei Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform zu ermöglichen, wurde damals eine Holding geschaffen, die nach dem Vorbild der Berliner Bankgesellschaft AG sowohl eine Anstalt des öffentlichen Rechts (die Berliner Wasserbetriebe BWB) als auch diverse privatwirtschaftliche Beteiligungen und Tochtergesellschaften unter ihrem Dach vereinte. Und wie schon bei der Bankgesellschaft Berlin hat dieses Holding-Modell den Vorteil, daß es eine massive Subventionierung der privatwirtschaftlichen Unternehmen durch die Anstalt öffentlichen Rechts ermöglicht. Lieferten die Berliner Wasserbetriebe vor der Teilprivatisierung noch Gewinne an den Berliner Haushalt ab, so gehen diese Erlöse nun in erster Linie an die privaten Gesellschafter.
Umstrittenster Punkt des Vertrages ist, daß den privaten Erwerbern eine jährliche Rendite von sieben bis acht Prozent auf das »betriebsnotwendige Kapital« zugesichert wurde – über eine Laufzeit von 28 Jahren. Zwar wurde dieser Teil des Vertrags durch einen Beschluß des Verfassungsgerichts vom 21. Oktober 1999 für nichtig erklärt, trotz dieses Urteils bestand der SPD-PDS-Senat jedoch darauf, den privaten Wasserkonzernen die vereinbarte Zusatzrendite zuzuschanzen. Denn als hätten die Beteiligten geahnt, daß das Teilprivatisierungsgesetz von 1999 juristisch unhaltbar ist, wurde im Vertrag eine Klausel verankert, nach der das Land Berlin sich verpflichtet, die geringeren Gewinne oder höheren Verluste, die sich ergeben, falls das Teilprivatisierungsgesetz ganz oder teilweise für nichtig oder aufgrund einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts mit höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt wird (»Nichtigerklärung«), in vollem Umfang auszugleichen.
Um die unverschämte Rendite bezahlen zu können, muß das Land Berlin nun auf entsprechende Einnahmen verzichten, teils sogar draufzahlen. Gleichzeitig müssen die Berliner Haushalte tiefer in die Tasche greifen. Allein 2004 sind die Wasserpreise in Berlin um über 15 Prozent gestiegen; bis 2009 dürfte sich die Preise um etwa 30 Prozen t erhöht haben. Dabei liegt Berlin schon jetzt bei den Preisen für Wasser und Abwasser bundesweit an der Spitze.
Auch wenn die herrschenden Parteien und Medien nach wie vor ein Loblied auf die Privatisierung singen – auf Dauer läßt sich nicht verbergen, daß es sich bei der Privatisierung öffentlicher Dienste in aller Regel um Raubzüge privater Konzerne und ihrer Berater und Verbündeten handelt, die sich auf Kosten von Beschäftigten, Verbrauchern und Steuerzahlern eine goldene Nase verdienen wollen. Entsprechend nimmt der Widerstand gegen Privatisierungen zu, in manchen Fällen wird auch schon über eine Rückführung privatisierter Unternehmen in öffentliches Eigentum nachgedacht.
Alternativen zum Ausverkauf
Wie die Entwicklung in Berlin zeigt, ist dabei selbst ein Wandel vom Bock zum Gärtner nicht ausgeschlossen. So hat sich der Landesparteitag der Berliner SPD Ende letzten Jahres für die Aufhebung des Beschlusses zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ausgesprochen und die Abgeordneten sowie die sozialdemokratischen Senatsmitglieder dazu aufgefordert »zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Teilprivatisierung der BWB rückgängig gemacht werden kann und bis April 2006 darüber Bericht zu erstatten«. Auf den Bericht darf man gespannt sein – auch wenn kaum zu erwarten ist, daß eine Berliner SPD mit Wowereit, Sarrazin und Fugmann-Heesing in ihren Reihen einen entsprechenden Kurswechsel einleiten wird.
Was für die Berliner SPD gilt, gilt jedoch auch für die Berliner Linkspartei; schließlich trägt Senator Wolf einen Großteil der Verantwortung für die Verabschiedung des neuen Sparkassengesetzes. Klar ist, daß sich ohne massiven Druck aus der eigenen Partei, aus d er Öffentlichkeit, aus Gewerkschaften, Verbänden und sozialen Bewegungen nichts zum Guten ändern wird. Klar ist auch, daß der rot-rote Senat die Forderungen nach einem Stopp von Privatisierungen nicht gänzlich ignorieren kann, wenn er eine Schlappe bei den anstehenden Wahlen im September vermeiden will. Diese Situation gilt es zu nutzen.
Wenn die sich neu formierende Linke ihre Glaubwürdigkeit als Opposition zum Neoliberalismus nicht von vornherein aufs Spiel setzen will, muß die Linkspartei ihre bisherige Politik im Berliner Senat ändern. Im Hinblick auf die Privatisierungspolitik und den Umgang mit dem Berliner Bankenskandal sollte eine Fortsetzung der rot-roten Koalition davon abhängig gemacht werden, ob folgende Forderungen in die Tat umgesetzt werden:

  • Keine weiteren Privatisierungen öffentlichen Vermögen und kein Outsourcing öffentlicher Dienstleistungen an private Anbieter.
  • Revision des Sparkassengesetzes: Der Bestand der Berliner Sparkasse als vollrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenen Organen, eigenem Vermögen und eigener Bankerlaubnis muß garantiert und zugleich sicherstellt werden, daß die Gewinne der Berliner Sparkasse für gemeinnützige Zwecke verwendet werden und nicht in private Taschen zu fließen. Eine solche Gesetzesrevision würde außerdem die Frage einer möglichen Privatisierung elegant lösen, denn kein privater Investor dürfte unter solchen Konditionen noch Interesse bekunden. Zugleich könnte der Auflage der Europäischen Kommission durch Veräußerung der Sparkasse entweder an den Sparkassenverbund selbst oder an eine gemeinnützige Stiftung Rechnung getragen werden. Es gibt nämlich keine Auflage der Kommission, die das Land Berlin zur Privatisierung verpflichtet. Wie und an wen die Sparkasse veräußert wird, liegt in der Verantwortung des Berliner Senats.
  • Keine weitere Aufträge an Kanzleien wie Freshfields, die im Interesse privater Konzerne die Privatisierung öffentlicher Güter vorantreiben; Offenlegung aller Verträge, die der Senat mit Anwälten, Wirtschaftsberatern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geschlossen hat.
  • Revision des Teilprivatisierungsgesetzes der Berliner Wasserbetriebe und in der Perspektive die Rekommunalisierung der BWB.

Modell Rostock

Seit Anfang der Woche geht unter den rund 1000 Beschäftigten des Lübecker Hafens die Angst um: Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) hat die Privatisierung innerhalb von knapp zwei Jahren angekündigt.
Soll mit dem Verkauf der Lübecker Hafengesellschaft (LHG) das Tafelsilber der Hansestadt verscherbelt werden? Bürgermeister Bernd Saxe weist diese Vermutung zurück und betont, es gehe nur darum, einen strategischen Partner zu finden. Von einem klassischen »Ausverkauf« könne nicht die Rede sein. Und doch: Saxe selbst wollte nicht ausschließen, dass bis zu 90 Prozent der LHG, an der die Stadt jetzt 99,98 Prozent hält, in andere Hände gehen. Dazu wolle man sich eines EU-weiten Bieterverfahrens bedienen, kündigte er an.
Gerade hier ist die Gewerkschaft ver.di skeptisch. Man hat das »Heuschrecken«-Beispiel des Rostocker Hafens vor Augen, der vor Jahren mit Geldern ausländischer Investoren herunter gewirtschaft wurde. »Es gab eine große Entlassungswelle, viele kleine Gesellschaften wurden gegründet und es gab viele Fälle von Tarifflucht«, weiß auch Alfred Skritulnieks, Betriebsratsvorsitzender der LHG.
Auch die Lübecker Regionalgruppe des globalisierungskritischen Netzwerks Attac ist skeptisch. Sprecher Andreas Beldowski warnt: »Aus den Erfahrungen der letzten Jahre ist zu erwarten, dass die Stadt ihre Politik den Bürgern mit völlig überzogenen Erwartungen schmackhaft machen will. Die Ernüchterung wird sich wie bei anderen Projekten – etwa die Privatisierung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Stadtwerke – mit Garantie einstellen.«
Die Grünen der Hansestadt lehnen die Pläne des Bürgermeisters nicht grundsätzlich ab, wohl aber eine 90-prozentige Veräußerung. »Über eine Minderheitsbeteiligung würden wir mit uns reden lassen«, betont Susanne Hilbrecht, Grünen- Fraktionsvorsitzende der Bürgerschaft. SPD-Fraktionschef Peter Reinhardt verspricht indes: »Wir werden darauf achten, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben und die tariflichen Vereinbarungen langfristig bestehen bleiben.« Als Aufsichtsratsmitglied bei der LHG war er erbost, dass sein Parteigenossen Saxe Namen möglicher Interessenten öffentlich genannt hat, die nicht einmal im Aufsichtsrat erörtert wurden.
Während von der Bahn AG auf Nachfrage »kein Kommentar« zu hören ist, räumt die Hamburger Hafen und Logistik AG durchaus ein, dass eine Beteiligung in Lübeck eine Option sei – man hätte dann Zugang zur Ostsee. Ein möglicher Interessent soll auch die in Lübeck ansässige Possehl-Gruppe sein, ein Konsortium von 50 mittelständischen Firmen. Auch über skandinavische Finanziers wird spekuliert. Am 30. März wird im nichtöffentlichen Teil der Bürgerschaftssitzung hierüber debattiert.
Am Lübecker Hafen hängen infrastrukturell in der Region weitere 5000 Arbeitsplätze. Er ist europaweit die Nummer 2 für Papier- und Zellulose-Umschlag nach Antwerpen. Zuletzt hat die LHG Jahr für Jahr schwarze Zahlen geschrieben. Doch bei 71 Millionen Euro Verbindlichkeiten und einem errechneten Bedarf von 110 Millionen Euro bis 2015 für eine Flächenerweiterung und zusätzliche Terminals ist die Kapitaldecke weggebrochen, da die Stadt keine Bürgschaften mehr für Investitionen übernehmen darf. Die Europäische Union untersagt dies.
Unabhängig vom Verkauf übt die LHG-Spitze derzeit Druck auf die Belegschaft aus. Man will die wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 39 Stunden erweitern, »um in der Konkurrenz zu Rostock bestehen zu können«, so der Vorsitzende der LHG-Geschäftsführung Manfred Evers.
Von Dieter Hanisch
Quelle: Neues Deutschland, 20.03.06

Gericht gibt gruenes Licht fuer Stadtwerke-Verkauf in Duesseldorf

dpa-Meldung vom 15.12.2005
Düsseldorf – Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat am Mittwochabend grünes Licht für eine Privatisierung der Düsseldorfer Stadtwerke gegeben. Der Stadtrat dürfe an diesem Donnerstag über den weiteren Verkauf von Stadtwerke-Anteilen entscheiden, sagte ein Gerichtssprecher. Das laufende Bürgerbegehren stehe dem nicht entgegen. Die SPD und ein Ratsmitglied hatten zusätzlichen Informationsbedarf geltend gemacht. Nach Ansicht des Gerichts war dieser Bedarf aber nicht ausreichend juristisch untermauert worden. Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) will weitere 25 Prozent der Stadtwerke für 361 Millionen Euro an den Energieversorger EnBW verkaufen. Derzeit hält die Stadt noch 50,1 Prozent der Anteile. Der Energieversorger EnBW besitzt bereits 29,9 Prozent der Anteile. Vor vier Jahren hatte ein Bürgerbegehren den Verkauf der Anteilsmehrheit verhindert. Nach Angaben der Initiative „Mehr Demokratie“ haben sich in den vergangenen Tagen erneut 100 000 Düsseldorfer gegen eine Privatisierung ausgesprochen. Am Mittwoch signalisierten die Stadtwerke Krefeld großes Interesse am Kauf des Anteilspakets. „Der Kaufpreis würde sich rechnen“, sagte Vorstandssprecher Martin Cirener und stellte den Düsseldorfern sichere Arbeitsplätze und niedrige Energiepreise in Aussicht.

Buerger verhindern aehnliche Privatisierung. Stadtwerke-Verkauf: Muehlheim bei Offenbach und Muelheim/Ruhr behalten Versorgung in staedtischer Hand

Das derzeit heiß diskutierte Thema der 49-Prozent-Beteiligung eines Privatunternehmens wie Eurawasser an den Stadtwerken könnte Kreise über die Parlamentsebene hinaus ziehen. Im Umfeld der Kandidatenaufstellung für die Liste Die Linke/Liste Solidarität zur Kommunalwahl im März wurde das Stichwort dazu bereits genannt: Bürgerentscheid. Eine solche Abstimmung der Bürger zum gleichen Anliegen wurde gerade am Sonntag in der Stadt Mühlheim (Kreis Offenbach) durchgeführt – mit Erfolg für die Gegner einer Teilprivatisierung. Bei einer Wahlbeteiligung von 42 Prozent stimmten 97 Prozent der Bürger dafür, „dass die Stadt Mühlheim alleinige Gesellschafterin der Stadtwerke Mühlheim am Main GmbH bleibt“.
Mit diesem Ergebnis war der Bürgerentscheid erfolgreich, da das Quorum einer Mindestwahlbeteiligung von 25 Prozent erfüllt und die Mehrheit der Stimmberechtigten sich im Sinne der Gegner ausgesprochen hatte. Heinz-Jürgen Krug, Sprecher der Attac-Regionalgruppe Rüsselsheim, die ebenfalls vor dem hier geplanten Schritt einer Teilprivatisierung der Stadtwerke warnt, verweist in einer Mitteilung auf ein weiteres Beispiel, nämlich Mülheim/Ruhr. Dort wurde mit knapperer Mehrheit im Sinne der Antragsteller entschieden: Die Zahl der Ja-Stimmen lag nur um 248 über den geforderten 27 187 (20 Prozent der Wahlberechtigten).
An der Ruhr soll bei Änderung bestehender wie Gründung neuer städtischer Gesellschaften die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an Private verhindert werden. Einbezogen waren dort fast alle öffentlichen Bereiche der Daseinsvorsorge, von Abwasser über Energie, Nahverkehr und Gebäudeunterhaltung bis zu Altenheimen und Stadtbücherei. Dem Thema Privatisierung war auch eine Veranstaltung eines Bündnisses von Gewerkschaften, Attac und des Evangelischen Dekanats gestern Abend im Gemeindesaal der Stadtkirche gewidmet (Bericht folgt). (bje)
Quelle: http://www.echo-online.de/suedhessen/template_detail.php3?id=339969