Analyse der WOBA-Privatisierung

Von Mike Nagler ist seine Magisterarbeit online zugänglich: „Ursachen und Auswirkungen von Entstaatlichung öffentlicher Einrichtungen auf die Stadtentwicklung im Kontext einer gesamtgsellschaftspolitischen Entwicklung (am Beispiel der Privatisierung der WOBA Dresden)“, Leipzig, August 2007 193 S. …

Die Woba als Paradebeispiel. Dresdner Wohnungsverkauf erregt bundesweit Aufsehen – Kritik wird lauter

Der Verkauf des Dresdner Wohnungsunternehmens Woba kommt in die letzten Phase. Während in der Stadt bereits über den Einsatz des Kauferlöses gestritten wird, mehren sich bundesweit die warnenden Stimmen.
Gong zur letzten Runde: Bis Montag müssen die Interessenten für den Kauf der Dresdner städtischen Wohnungsgesellschaft Woba – dem Vernehmen nach sind das die Immobilienfonds Appellas, Corpus und Fortress sowie der italienische Mischkonzern Pirelli – ihre Angebote vorgelegt haben. Danach bleibt noch etwas mehr als ein Monat, um mit den Höchstbietenden über Details zu verhandeln. Im März entscheidet der Stadtrat, wer die Gesellschaft mit ihren rund 48 000 Wohnungen übernimmt. Es werde, sagt Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann, »Wettbewerb bis zur letzten Minute« geben.
Gerungen wird schon jetzt um die Verwendung des Verkaufserlöses, der Schätzungen zufolge 650 Millionen Euro betragen könnte. Der Stadtrat hatte ursprünglich beschlossen, das Geld ausschließlich in die Schuldentilgung zu stecken. Im Etat für 2007 hat Vorjohann aber 60 Millionen für Investitionen in Verkehrsbauten und die Sanierung von Schulen, Kitas und Kulturpalast eingestellt.
Die Linksfraktion, die den Verkauf gegen heftige Widerstände aus der Partei mehrheitlich unterstützt, zugleich aber auf einem Junktim zwischen Verkauf und Schuldentilgung besteht, sah sich einer Zerreißprobe ausgesetzt, hat aber nach Aussagen von Stadträtin Christine Ostrowski einen Kompromiss erzielt. Dieser sieht im Kern vor, die 60 Millionen in einen Extratopf zu zahlen, daraus die auch von der Linken lange geforderten Investitionen zu finanzieren und den Topf bis 2010 wieder aufzufüllen. Mehrerlöse sollten »radikal« in die Entschuldung fließen.
Skeptiker dürften sich jedoch in ihren Befürchtungen, mit dem Geld würden Haushaltslöcher gestopft, bestätigt sehen. Die Kritiker finden sich nicht mehr nur in der Dresdner Kommunalpolitik oder beim Deutschen Mieterbund, der vor einem »nicht wieder gut zu machenden Fehler« warnt. Auch Sachsens CDU-Innenminister Albrecht Buttolo bezeichnet den Verkauf kürzlich als »schlechthin unsinnig«, weil die Stadt eine »wichtige Manövriermasse für die kommunale Daseinsvorsorge« preisgebe.
Dass Buttolos Äußerungen in der »Welt« erschienen, belegt zudem, dass der Woba-Verkauf zunehmend bundesweit als Musterfall für den Umgang mit Wohnungen in öffentlichem Besitz angesehen wird. Von knapp vier Millionen solcher Wohnungen sind bereits 600 000 verkauft, in der Regel an angelsächsische Immobilienfonds; eine weitere Million steht zur Veräußerung. Die »Zeit« widmete diesem Thema kürzlich ein umfangreiches Dossier und ging dabei ebenfalls auf den Fall Dresden ein.
Politisch wird das Thema sehr kontrovers diskutiert – quer zu den vorhersehbaren Fronten. Kritiker des Woba-Verkaufs verweisen mit Genugtuung auf ein Interview des Hamburger CDU-Bürgermeisters Ole von Beust in der »Zeit«, in dem die Wahlniederlage im Bund analysiert wird. Von Beust bekennt sich dort zu einer »gewissen Schutzfunktion«, die der Staat ausüben oder für die er Standards setzen müsse. Vor einem Verkauf kommunaler Wohnungen aus ordnungspolitischen oder finanziellen Gründen könne er nur warnen.
Während Dresdner Linke wie Ostrowski in diesem Zusammenhang auf die sehr weitreichende »Sozialcharta« für den Verkauf verweisen, gehen führende Genossen der Linkspartei zum Woba-Verkauf deutlich auf Distanz. Als Oskar Lafontaine letzten Samstag auf der Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz Bausteine für ein Gründungsmanifest vorstellte und Widerstand gegen jegliche Privatisierung kommunaler Dienstleistungen als eine der »Grundlinien« bezeichnete, die in Regierungsbeteiligung nicht überschritten werden dürften, kritisierte der Fraktionschef nicht nur den auch von der Linkspartei mitgetragenen Beschluss zum Verkauf der Berliner Wohnungsgesellschaft GSW, sondern ausdrücklich auch die Vorgänge in Dresden: »Das war ein Fehler.« Linke Politik sei stärker als die der anderen Parteien auf Glaubwürdigkeit angewiesen, so Lafontaine. Wer sich gegen Privatisierungen ausspreche, müsse dies auch in politischer Verantwortung durchhalten.
Von Hendrik Lasch
Quelle: Neues Deutschland vom 18.01.2006 >>> http://www.nd-online.de/funkprint.asp?AID=84273&IDC=2&DB=

Wem gehört die Stadt?

Anlässlich den zehnten Jahrestages des Referendums für den Erhalt des kommunalen Eigentums lädt die Leipziger Anti-Privatisierungs-Initiative (APRIL-Netzwerk) zu einem Austausch- und Vernetzungswochenende. (Flyer als pdf)

Am 27. Januar 2008 sprachen sich die Leipzigerinnen und Leipziger in einem Bürgerentscheid für ein umfassendes Privatisierungsverbot für Bereiche der Daseinsvorsorge aus. Mit dem Ziel der Reduzierung der Schulden der Stadt Leipzig sollten damals nach dem Willen des Oberbürgermeisters und der Mehrheit des Stadtrates in einem ersten Schritt 49,9 Prozent der Anteile der Stadtwerke an private Käufer – im konkreten Fall an Gaz de France (GdF) – veräußert werden. (GdF fusionierte im Juli des selben Jahres mit Suez zu GDF Suez. Seit 2015 heißt der Konzern Engie.) Dem sollte später eine Teilprivatisierung der Kommunalen Holding LVV folgen. Weiterlesen

Soziale Einstellung bringt soziales Wohnen

Konversionsspuren im kommunalisierten Wohnobjekt
Konversionsspuren im kommunalisierten Wohnobjekt

Wohnungsverwaltung und die zur Verfügungstellung von Wohnraum an sich muss nicht als profiträchtiges Unternehmen betrieben werden. Es kommt ganz auf die Einstellung der Wohnungsbaugesellschaft zu ihren Mieter*innen an und wie eine Kommune ihre Bewohner*innen schätzt. In Zweibrücken, Rheinland-Pfalz, hat die Gewobau ein Selbstverständnis, über das ich angesichts der heute üblichen Geschäftsweisen in der Immobilienwirtschaft stolpere und bei der sich die verkehrte Welt Berlins einmal mehr völlig absurd darstellt.

Das primäre Geschäftsziel der Gewobau ist die Bereitstellung preisgünstigen Wohnraums in der Region. „Etwa 30 Prozent der Mieten der Wohnungen der Gewobau werden über Transferleistungen finanziert. Die Kaltmieten solcher Wohnungen liegen hierbei unter 4 Euro je Quadratmeter“, sagt Marx. Diese Preise sind nicht das Ergebnis einer gewinnorientierten Kalkulation, sondern resultieren aus der Verantwortung gegenüber der Kommune als Gesellschafter des Unternehmens. Eine höhere Miete würde ja umgehend zu höheren Kosten bei den Transferleistungen führen und damit zu höheren Belastungen der kommunalen Haushalte. Die Wohnungsbaugesellschaft versteht sich dabei „als handlungsfähiger Arm der Stadt“. […] Dabei wird gleichzeitig versucht, den Wohnungsbestand permanent zu pflegen und – wo nötig – zu sanieren. Von den genannten 4 Euro Kaltmiete gehen daher etwa 2 Euro in die Sanierung. Das ist umso bedeutender, als die 3100 Wohnungen der Gewobau rund 20 Prozent der Einwohner/innen Zweibrückens beherbergen (ver.di: die besonderen 2013:7).

weiterlesen

Jörg-Huffschmid-Preis ausgeschrieben

Zum zweiten Mal ist jetzt der Jörg-Huffschmid-Preis ausgeschrieben worden. Zur Bewerbung um die mit 2.000 Euro dotierte Auszeichnung können Studienabschlussarbeiten (Magister-, Master- und Diplomarbeiten) sowie Dissertationen eingereicht werden. Die Arbeiten sollten aus den folgenden – auch von Jörg Huffschmid bearbeiteten – Themenbereichen stammen:

  • Politische Ökonomie
  • Finanzmarktpolitik
  • soziales Europa
  • Rüstungspolitik und Waffenhandel
  • Globalisierte Arbeitswelten

Jörg Huffschmid hat sich auch vielfach zum Thema Privatisierung geäußert und dazu zahlreiche Studien publiziert.
Die Arbeit kann in deutscher oder englischer Sprache verfasst, und an deutschen, österreichischen oder schweizerischen Hochschulen eingereicht worden sein. Außerdem sollte sie in den letzten zwei Jahren abgeschlossen und bewertet worden sein. Bewerbungen in elektronischer Form bis zum 15. Mai 2013 an Joerghuffschmidpreis2013@gmail.com. Wir freuen uns über jede Unterstützung bei der Verbreitung der Ausschreibung.

Kontakt und weitere Informationen: Stefan Thimmel, wiss. Beirat Attac, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Thimmel@rosalux.de; Peter Herrmann, wiss. Beirat Attac, EURISPES – Instituto di Studi Politici, Economici e Sociali Osservatorio Qualità Sociale, Rome, herrmann@esosc.eu.

 

Ablenkungsmanöver in der Berliner Wohnungspolitik

Hochhaus
Creative Commons License photo by: Bergfels

Es gibt in Berlin etliche Initiativen, Gruppen, Vernetzungen und Bündnisse, die für ein soziales Wohnen in der Stadt kämpfen.
Beispielsweise das Gecekondu am Kottbusser Tor, das Bündnis steigende Mieten stoppen oder die Besetzung des Renter_innen-Treffs in Berlin-Pankow.

Da ist es eine Verhohnepipelung, wenn Stadtentwicklungssenator Michael Müller mit dem „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ der landeseigenen Wohnungsunternehmen WBM, Degewo, Gesobau, Howoge, Stadt und Land sowie Gewobag den Eindruck erweckt, er arbeite sinnvoll und im Sinne aller in Berlin lebenden Menschen. Denn das gefeierte Ergebnis zum Wohl der Mieter_innen ist eine rechnerische Fehlleistung. – Weiterlesen ->

‚Die Welt‘ sieht einen Wendepunkt am Wohnungsmarkt

Wendepunkt am Wohnungsmarkt
Freiburger Bürger stimmen gegen Privatisierung von städtischen
Wohnungen. Der Entscheid schmälert die Chancen für weitere Verkäufe.

Von Richard Haimann
Freiburg – Das Ergebnis war absehbar, die Konsequenzen sind es auch:
„Freiburg ist ein Wendepunkt“, sagt Thomas Beyerle, Chefresearcher der
Allianz-Immobilientochter Degi. Nachdem 70,5 Prozent der
wahlberechtigten Einwohner der Breisgau-Stadt gegen den Verkauf von 7900
städtischen Wohnungen gestimmt haben, drohen nun eine ganze Reihe von
Vorhaben, bei denen die öffentliche Hand auf Investoren angewiesen ist,
auf Eis gelegt zu werden. Beyerle: „Im schlimmsten Fall werden auch
Public-Private-Partnership-Projekte abgeblasen.“

Mit dem Wohnungsverkauf wollte Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter
Salomon 510 Mio. Euro einnehmen, um die Schulden der Stadt zu tilgen.
Nun ist die Kommune finanziell nicht mehr handlungsfähig. Experten
hatten mit dem ablehnenden Votum gerechnet, nachdem die Bürgerinitiative
„Wohnen ist Menschenrecht“ problemlos die nötigen Unterschriften für den
Bürgerentscheid zusammenbekommen.

Nicht nur in Freiburg, bundesweit gebe es erhebliche Ängste in der
Bevölkerung vor den Folgen des Verkaufs kommunaler Wohnungspakete an
ausländische Investoren, weiß Rolf Scheffler, Leiter von
Aengevelt-Research. „Die Menschen hören von hohen Renditezielen und
fürchten, dass die Mieten steigen und die Gebäude verkommen.“ Weder
Politik, noch ausländische Investoren hätten bisher diese Ängste ernst
genommen. Scheffler: „Kein Opportunity Fund hat eine aktive
Kommunikationsstrategie betrieben, um Bürger und Mieter zu gewinnen.“
Dieser Ansicht ist auch Beyerle: „Die Investoren müssen lernen, dass
eine gute Kommunikation 51 Prozent jedes gelungenen Kapitalmarktdeals
ausmacht.“ Wie zum Beweis war gestern kein angelsächsischer Investor
bereit, die Freiburger Entscheidung offiziell zu kommentieren.

Dabei dürfte das Bürgerveto Signalcharakter für andere Kommunen haben,
in denen ein Verkauf von Wohnungsunternehmen geplant ist, meint der
Degi-Chefresearcher. „Politiker werden gut überlegen, ob sie an
Verkaufsplänen festhalten und ihre Wiederwahl aufs Spiel setzen.“ Auch
Public-Private-Partnership-Projekte wie das Sale and Lease Back von
Schulen und Krankenhäuser drohten nun zu scheitern, sagt Beyerle. Bei
diesen Vorhaben verkauft eine Kommune ihre Immobilien an einen Investor
und mietet sie anschließend zurück. Ziel ist es, mit dem Erlös Schulden
zu tilgen.

Für Tobias Just, Immobilienanalyst bei Deutsche Bank Research, hat die
Trendwende bereits beim Verkauf der Dresdner Woba an Fortress im
Frühjahr begonnen. Just: „Damals gab es erstmals massiven Widerstand im
politischen Raum.“ Dieser habe inzwischen erhebliche Ausmaße angenommen.
Diese zeige das Gesetz zur Einführung der Real Estate Investment Trusts
(REITs). Wegen heftigen Widerstands in der SPD sollen die Steuer
optimierten, an einer langfristigen Bestandshaltung interessierten
Trusts keine Wohnungen erwerben dürfen. Damit bleiben die nur an einer
kurzfristigen Renditeoptimierung interessierten Opportunity Funds quasi
die einzigen Ansprechpartner jener Kommunen, die ihre
Wohnungsgesellschaften veräußern wollen, um die Haushaltslage aufzubessern.

Dabei schließt sich nach Ansicht von Just ohnehin das Zeitfenster, in
dem Kommunen noch gute Preise bei Wohnungsverkäufen erzielen können.
Wegen des Zinsanstiegs würden Investoren lediglich in wirtschaftlich
starken Regionen noch Top-Preise zahlen. Das zeigen zwei Beispiele aus
der vergangenen Woche: Für die Übernahme von 87 Prozent der Aktien der
Grundstücks- und Baugesellschaft Heidenheim mit ihren 9000 Wohnungen in
Rheinland-Pfalz blätterte Gagfah 763 Euro/qm hin. Hingegen zahlten
Morgen Stanley Real Estate Fund (MSREF) und Arsago Real Estate für 1900
Wohnungen in Dresden lediglich 630 Euro/qm.

erschienen am 14.11.2006

Fortress geht mit privatisierten Wohnungen an die Boerse

Die Immobilienholding Gagfah mit rund 150 000 Wohnungen in Deutschland zieht wegen der hohen Nachfrage nach Aktien ihren Börsengang auf diesen Donnerstag vor. Bisher war die Erstnotiz der dann wichtigsten deutschen Immobilien-Aktie für den kommenden Montag geplant.

Auf Grund des „starken Investoreninteresses“ habe der US-Finanzinvestor Fortress beschlossen, den Angebotszeitraum für die Aktien zu verkürzen, teilte die in Luxemburg ansässige Gagfah mit. Fortress will sich von etwa 20 Prozent seiner Anteile trennen. Die Aktien werden in einer Preisspanne zwischen 17 und 19 Euro angeboten. Der Ausgabepreis dürfte am Mittwochabend bekannt gegeben werden.

Mit einem Volumen von bis zu 853 Millionen Euro wäre der Börsengang nach Wacker Chemie der zweitgrößte des Jahres. Über den Börsengang der Gagfah-Dachgesellschaft, zu der die Gesellschaften Gagfah (Essen), Nileg (Hannover) und Woba (Dresden) gehören, macht erstmals ein ausländischer Finanzinvestor seine Beteiligung an deutschen Wohnungen zu Geld. dpa

Moderne Raubzuege

In der Jungen Welt vom 1.4.06, S. 10 beschreibt Sahra Wagenknecht, wie deutsche Großbanken in Zusammenspiel mit der EU-Kommission, dem Berliner Senat und der Anwaltskanzlei Freshfields die Privatisierung von Sparkassen durchsetzen wollen.
Privare = rauben (Latein). Damit ist über das Wesen von Privatisierungen eigentlich alles gesagt. Es geht um den Raub von gesellschaftlichem Vermögen und die Umleitung von Einnahmen (Zinsen, Mieten, Dividenden u.a.) auf private Konten bei gleichzeitiger Abwälzung von Schulden, Risiken und sonstiger »Altlasten« auf die Allgemeinheit. Erwünschter Nebeneffekt ist die Zerschlagung organisierter Kernbelegschaften im öffentlichen Dienst, um künftigen Streikaktionen vorzubeugen und flächendeckend Löhne senken zu können.
Zum Gelingen derartiger Raubzüge tragen verschiedene Akteure bei. So bedienen sich die Großbanken und Konzerne willfähriger Anwaltskanzleien zur juristischen Absicherung ihrer Beute; hinzu kommen unerfahrene oder korrupte Politiker, die auf kurzfristige Privatisierungserlöse schielen, ohne die langfristigen Folgen zu berücksichtigen, und Institutionen wie die EU-Kommission, die keine Gelegenheit auslassen, die Privatisierung öffe ntlicher Güter im Interesse des Großkapitals voranzutreiben. Wie die verschiedenen Akteure zusammenwirken und welche Tricks sie anwenden, um eine Privatisierung selbst in jenen Bereichen zu erzwingen, in denen die Widerstände gegen einen Ausverkauf öffentlicher Güter groß sind, soll im Folgenden am Beispiel der Berliner Sparkasse beschrieben werden.
Lobbypartner EU-Kommission
Das aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken gebildete Drei-Säulen-Modell in Deutschland ist den privaten Großbanken schon lange ein Dorn im Auge. Schließlich verhindert es die Übernahme von Sparkassen und steht damit einer Machtkonzentration im deutschen Bankenmarkt im Weg. Daß die deutschen Banken »im Geschäft mit Privatkunden unter der Konkurrenz der Sparkassen leiden und daher nicht annähernd an die Ergebnisse ihrer ausländischen Konkurrenz herankommen« (Handelsblatt 3.8.04) ist ein Verslein, das die deutsche Bankenlobby bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt. Sie weiß, wo sie hinwill.
In Italien etwa wurde im Gefolge einer rüden Privatisierungspolitik der Marktanteil des staatlichen Bankensektors von 75 Prozent Anfang der neunziger Jahre auf nur noch zehn Prozent heruntergedrückt. Parallel zu diesem Prozeß explodierten die Gebühren für Bankdienstleistungen. Im Ergebnis kostet ein Girokonto in Italien heute doppelt so viel wie im europäi schen Durchschnitt.
In Deutschland hingegen ist der Widerstand gegen eine Privatisierung von Sparkassen nach wie vor groß. Folgerichtig suchte und sucht der Bundesverband Deutscher Banken nach Bündnispartnern in Brüssel. Mit Erfolg: 2005 wurden nach einem Entscheid der Europäischen Kommission die Staatsgarantien für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute abgeschafft, was die Sparkassen und Landesbanken dazu zwingt, ihre Geschäftspolitik stärker an den Renditeerwartungen der Kapitalmärkte auszurichten. An der Aushandlung dieses Deals war als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium übrigens just jener Caio Koch-Weser beteiligt, der kürzlich von der Deutschen Bank mit einem hochdotierten Posten für seine Lebensleistung belohnt wurde.
Aber damit nicht genug: Derzeit erwägt die EU-Kommission, das seit 2003 ruhende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufzunehmen, das zur Zulassung privater Sparkassen führen könnte. Im Mittelpunkt des Verfah rens steht das in Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes (KWG) verankerte Namensmonopol für Sparkassen, das den Namen »Sparkasse« für den öffentlichen Bereich reserviert. Zwar ist es der EU-Kommission laut Artikel 295 des EU-Vertrags untersagt, sich in die Eigentumsordnung eines EU-Mitgliedslandes einzumischen, und auch die EU-Bankenrichtlinie erlaubt es, nur bestimmten Instituten den Namen »Sparkasse« zuzuordnen. Doch wo die Wirtschaftslobby ruft, ist Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy zur Stelle und wittert pflichtschuldig Verstösse »gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit«.
Folgen des Bankenskandals
Anlaß des erneuten Vorstoßes der EU-Kommission ist der für 2007 geplante Verkauf der Bankgesellschaft Berlin, zu der auch die Berliner Sparkasse gehört. Sollte ein privater Investor bei der Veräußerung zum Zuge kommen, wäre dies sehr wahrscheinlich der von den privaten Banken lang herbeigesehnte Präzedenzfall, der das gesamte Drei-Säulen Modell zum Einsturz bringen kann.
Daß es eine Auflage der Europäischen Kommission zur Veräußerung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin überhaupt geben konnte, ist den Verantwortlichen des Berliner Bankenskandals anzulasten. Diese haben die Bankgesellschaft in den neunziger Jahren dazu benutzt, um ihre politischen und geschäftlichen Freunde mit Pöstchen und Krediten zu versorgen und hochlukrative Immobilienfonds zu teilweise sittenwidrigen Konditionen (von steuerlichen Verlustzuweisungen bis zu langjährigen Mietgarantien und dem Recht zur Rückgabe zum Nominalwert am Ende der Laufzeit) an etwa 70 000 Anleger aufzulegen. Risiken und Verluste aus diesem Geschäft wurden auf den öffentlich-rechtlichen Teil der Berliner Bankgesellschaft abgewälzt.
Die Sozialisierung der Verluste begann im August 2001, als das Land Berlin der Bankgesellschaft eine Kapitalzuführung von 1,755 Mrd. Euro zukommen ließ. Da diese Summe nicht ausreichte, um eine Pleite abzuwenden und das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin) im November 2001 mit der Schließung der Bankgesellschaft drohte, beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus am 9.4.2002 das Risikoabschirmungsgesetz, wodurch Risiken von bis zu 21,6 Milliarden Euro, die aus faulen Krediten, Wertverlust von Immobilien u. ä. resultieren, vom Land übernommen wurden.
Für die Verluste der Bankgesellschaft bezahlen mußten unter anderem die Bediensteten des Landes Berlin, deren Löhne und Vergütungen um durchschnittlich zehn Prozent gesenkt wurden. Laut Berliner Senat bringt dieser »Solidarpakt«, zu dem sich verdi nach dem Austrit t des Landes Berlin aus dem Arbeitgeberverband nötigen ließ, eine weitere Entlastung der Personalausgaben um 250 Millionen im Jahr 2003 und um jeweils 500 Millionen in den Jahren ab 2004.
Wie zu erwarten war, rief die Unterstützung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin die Brüsseler Wettbewerbshüter auf den Plan. Zwar wurden die staatlichen Beihilfen von der EU-Kommission nachträglich genehmigt; allerdings nur unter der Bedingung daß sich die Bankgesellschaft von mehreren Tochtergesellschaften trennt und 2007 selbst verkauft wird. Damit könnte die zur Bankgesellschaft gehörende Berliner Sparkasse die erste öffentliche Bank in Deutschland werden, die von privaten Investoren übernommen wird. Sicher ist dies allerdings noch nicht. Denn nach wie vor gilt Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes, der es privaten Banken nicht erlaubt, eine Sparkasse zu betreiben. Sollte eine private Bank im Bieterverfahren zum Zuge kommen, müßte die erworbene Bank also unter anderem N amen weitergeführt werden. Das freilich ist gerade nicht der Sinn der Sache.
Mit dem Berliner Sparkassengesetz, das seit Juni 2005 in Kraft ist, versuchte der Berliner Senat, das Unmögliche möglich zu machen: Die Sparkasse sollte de facto privatisiert, die öffentlich-rechtliche Fassade und damit der Name jedoch gewahrt bleiben. Um dies zu erreichen, wurde die Sparkasse in eine teilrechtsfähige Anstalt umgewandelt und die Landesbank Berlin in eine Aktiengesellschaft transformiert, die vom Land Berlin mit der Trägerschaft an der Sparkasse beliehen wurde. Der Clou besteht also darin, daß die Sparkasse ein öffentlich-rechtliches Institut bleibt – allerdings unter dem Dach einer AG, die von privaten Investoren gekauft werden kann.
Fraglich ist allerdings, ob das Berliner Sparkassengesetz juristisch haltbar ist. Zwar existieren in diesem Gesetz einige Paragraphen, welche die Gemeinwohlverpflichtung der Berliner Sparkasse sichern sollen. Allerdings verfügt die Berliner Sparkasse als teilrechtsfähige Anstalt über kein eigenes Vermögen, und auch die von der Sparkasse erzielten Gewinne sollen in die Taschen des privaten Trägers fließen. Hier genau lauert das Problem: Eine Ausschüttung der Gewinne einer Sparkasse an Private ist mit Paragraph 40 KWG nicht vereinbar. Denn nach diesem Gesetz müssen die Überschüsse einer Sparkasse entweder beim Institut verbleiben oder gemeinnützig verwendet werden. Das sieht auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) so.
Da allerdings kein privater Investor auch nur einen müden Euro für ein Institut verausgaben dürfte, das seine Gewinne nicht ausschütten darf, hat Finanzsenator Sarrazin die BaFin in einem Brief gebeten, ihre Auffassung zu überdenken. Zur Unterstützung verweist er dabei auf die Tatsache, daß die Berliner Sparkasse schon in der Vergangenheit – seit Gründung der börsennotierten Bankgesellschaft im Jahr 1994 – ihre Gewinne an die Bankgesellschaft ausgeschütt et hat. »Würde Paragraph 40 KWG tatsächlich eine gemeinnützige Verwendung von Überschüssen voraussetzen und zugleich jegliche Ausschüttungen an private Träger ausschließen, so hätte die BaFin seit Schaffung des Konzerns Bankgesellschaft rechtswidrig gehandelt und müßte sich fragen lassen, warum sie seit zehn Jahren nicht gegen die Verwendung der Bezeichnung ,Berliner Sparkasse‘ eingeschritten ist«.
Richtig ist daran, daß schon die Gründung der Bankgesellschaft Berlin AG gegen geltendes Recht verstoßen und die undurchsichtige Struktur der Bankgesellschaft AG sowie die daraus resultierende unheilvolle Vermischung privater Interessen mit öffentlichen Haftungsgarantien zum Bankenskandal geführt hat. Mit Verweis auf rechtswidrige Bestimmungen der Vergangenheit nun allerdings zu fordern, man müsse erneut ein Institut schaffen, das die öffentlich-rechtliche Fassade mißbraucht, um möglichst hohe Profite auf private Konten zu schleusen, ist mehr als dreist.
An die Überzeugungskraft seines Arguments scheint Sarrazin daher selbst nicht recht zu glauben. Aus eben jenem Grund hat er Binnenmarktkommissar McCreevy zur Wideraufnahme des besagten Vertragsverletzungsverfahrens gegen das Namensmonopol der Sparkasse angeregt. Die unabsehbaren Folgen, die eine Privatisierung von Sparkassen für die mittelständische Wirtschaft, die Beschäftigten und Verbraucher in ganz Deutschland nach sich ziehen würden, interessieren im Berliner Senat offenbar weniger.
Ein passendes Gesetz
Wie Report Mainz am 20. März berichtet hat, wurde das umstrittene Berliner Sparkassengesetz übrigens von der Kanzlei Freshfields, Brückhaus, Deringer erarbeitet – eine »der besten Adressen für milliardenschwere Wirtschaftsdeals«, die »mit dem Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Berateraufträge eng verbunden« ist. Nun ist es nichts Außergewöhnliches, daß sich die Legislative bei Gesetzesvorhaben juristische Expertisen einholt. Daß Lobbykanzleien jedoch den Auftrag bekommen, Gesetze von Anfang an mitzuschreiben, ist ein relativ neues Phänomen. Im Fall des Sparkassengesetzes übernahmen Anwälte von Freshfields auch die Aufgabe, den Berliner Abgeordneten in Anhörungen das Gesetz zu erklären.
Im Übertölpeln von Parlamentariern, Senatoren und Ministern hat die Kanzlei schon einige Erfahrung. So beriet die Kanzlei das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen bei der Einführung der LKW-Maut. Als das Verkehrsministerium nicht in der Lage wa r, den von Freshfields verfaßten 17 000-Seiten-Vertrag selbst zu interpretieren, erhielt die Kanzlei einen weiteren Beratervertrag, damit Modalitäten und Höhe der Schadensersatzforderung ermittelt werden konnten. Auch bei der jüngsten Privatisierung des Dresdner Wohnungsbestandes hatte Freshfields die Finger im Spiel: Sie hat die Stadt Dresden beim Verkauf der städtischen Anteile an der WOBA Dresden GmbH beraten. Käufer war der US-Finanzinvestor Fortress, der die Anteile der Stadt für rund 1,75 Milliarden Euro übernahm; der Deal zählte zu den größten Immobilienverkäufen von Kommunen in Deutschland. Das Interessante daran: Noch im Dezember 2005 beriet Freshfields die Gegenseite, d. h. den Finanzinvestor Fortress, beim Kauf von Wohnungen der Dresdner Bank – Wohnungen, die mit der WOBA in eine gemeinsame Holding gesteckt werden sollen, die spätestens Anfang nächsten Jahres an die Börse gebracht werden soll.
Laut Eigendarstellung verfügt die Kanzlei Freshfields Bruckh aus Deringer »über die wohl umfassendste Erfahrung in Public Private Partnership-Projekten sowohl in Deutschland als auch international. Die Sozietät hat sich in diesem Bereich einen einmaligen Erfahrungshintergrund geschaffen, der eine Reihe von Pilotprojekten mit Modellcharakter einschließt.« Zu diesen Projekten mit Modellcharakter dürfte die angestrebte Privatisierung der Berliner Sparkasse ebenso zählen wie die Privatisierung von Krankenhäusern in Hessen und Hamburg, die Privatisierung von Wasserunternehmen, Stadtwerken und Flughäfen ebenso wie die Teilprivatisierung von Landesbanken. Auch international hat sich Freshfields mit umstrittenen Privatisierungen bzw. Public-Private-Partnerships (PPP) einen Namen gemacht. In Großbritannien war die Kanzlei beispielsweise an der Überführung einiger Londoner U-Bahnlinien in ein PPP-Projekt beteiligt und begleitete zahlreiche Schulprojekte sowie sämtliche PPP-Gefängnisprojekte.
Die angestrebte Privatisierung der Berline r Sparkasse folgt in ihren Grundzügen einem Modell, das schon bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe erprobt wurde. In beiden Fällen wurde der Berliner Senat von Frehsfields-Anwalt Benedikt Wolfers beraten. In beiden Fällen ging bzw. geht es um eine Privatisierung unter Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform – ein Modell, das sich laut Wolfers vor allem dann anbietet, wenn die öffentlich-rechtliche gegenüber der privatrechtlichen Form manifeste wirtschaftliche Vorteile bietet oder die Widerstände gegen eine vollständige Privatisierung zu groß sind.
Wie das neue Sparkassengesetz war auch die im Jahr 1999 in einem geheimen Vertrag von der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) mit den Konzernen RWE und Veolia (ehemals Vivendi) geregelte Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) juristisch und politisch höchst umstritten. Um eine Privatisierung bei Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform zu ermöglichen, wurde damals eine Holding geschaffen, die nach dem Vorbild der Berliner Bankgesellschaft AG sowohl eine Anstalt des öffentlichen Rechts (die Berliner Wasserbetriebe BWB) als auch diverse privatwirtschaftliche Beteiligungen und Tochtergesellschaften unter ihrem Dach vereinte. Und wie schon bei der Bankgesellschaft Berlin hat dieses Holding-Modell den Vorteil, daß es eine massive Subventionierung der privatwirtschaftlichen Unternehmen durch die Anstalt öffentlichen Rechts ermöglicht. Lieferten die Berliner Wasserbetriebe vor der Teilprivatisierung noch Gewinne an den Berliner Haushalt ab, so gehen diese Erlöse nun in erster Linie an die privaten Gesellschafter.
Umstrittenster Punkt des Vertrages ist, daß den privaten Erwerbern eine jährliche Rendite von sieben bis acht Prozent auf das »betriebsnotwendige Kapital« zugesichert wurde – über eine Laufzeit von 28 Jahren. Zwar wurde dieser Teil des Vertrags durch einen Beschluß des Verfassungsgerichts vom 21. Oktober 1999 für nichtig erklärt, trotz dieses Urteils bestand der SPD-PDS-Senat jedoch darauf, den privaten Wasserkonzernen die vereinbarte Zusatzrendite zuzuschanzen. Denn als hätten die Beteiligten geahnt, daß das Teilprivatisierungsgesetz von 1999 juristisch unhaltbar ist, wurde im Vertrag eine Klausel verankert, nach der das Land Berlin sich verpflichtet, die geringeren Gewinne oder höheren Verluste, die sich ergeben, falls das Teilprivatisierungsgesetz ganz oder teilweise für nichtig oder aufgrund einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts mit höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt wird (»Nichtigerklärung«), in vollem Umfang auszugleichen.
Um die unverschämte Rendite bezahlen zu können, muß das Land Berlin nun auf entsprechende Einnahmen verzichten, teils sogar draufzahlen. Gleichzeitig müssen die Berliner Haushalte tiefer in die Tasche greifen. Allein 2004 sind die Wasserpreise in Berlin um über 15 Prozent gestiegen; bis 2009 dürfte sich die Preise um etwa 30 Prozen t erhöht haben. Dabei liegt Berlin schon jetzt bei den Preisen für Wasser und Abwasser bundesweit an der Spitze.
Auch wenn die herrschenden Parteien und Medien nach wie vor ein Loblied auf die Privatisierung singen – auf Dauer läßt sich nicht verbergen, daß es sich bei der Privatisierung öffentlicher Dienste in aller Regel um Raubzüge privater Konzerne und ihrer Berater und Verbündeten handelt, die sich auf Kosten von Beschäftigten, Verbrauchern und Steuerzahlern eine goldene Nase verdienen wollen. Entsprechend nimmt der Widerstand gegen Privatisierungen zu, in manchen Fällen wird auch schon über eine Rückführung privatisierter Unternehmen in öffentliches Eigentum nachgedacht.
Alternativen zum Ausverkauf
Wie die Entwicklung in Berlin zeigt, ist dabei selbst ein Wandel vom Bock zum Gärtner nicht ausgeschlossen. So hat sich der Landesparteitag der Berliner SPD Ende letzten Jahres für die Aufhebung des Beschlusses zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ausgesprochen und die Abgeordneten sowie die sozialdemokratischen Senatsmitglieder dazu aufgefordert »zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Teilprivatisierung der BWB rückgängig gemacht werden kann und bis April 2006 darüber Bericht zu erstatten«. Auf den Bericht darf man gespannt sein – auch wenn kaum zu erwarten ist, daß eine Berliner SPD mit Wowereit, Sarrazin und Fugmann-Heesing in ihren Reihen einen entsprechenden Kurswechsel einleiten wird.
Was für die Berliner SPD gilt, gilt jedoch auch für die Berliner Linkspartei; schließlich trägt Senator Wolf einen Großteil der Verantwortung für die Verabschiedung des neuen Sparkassengesetzes. Klar ist, daß sich ohne massiven Druck aus der eigenen Partei, aus d er Öffentlichkeit, aus Gewerkschaften, Verbänden und sozialen Bewegungen nichts zum Guten ändern wird. Klar ist auch, daß der rot-rote Senat die Forderungen nach einem Stopp von Privatisierungen nicht gänzlich ignorieren kann, wenn er eine Schlappe bei den anstehenden Wahlen im September vermeiden will. Diese Situation gilt es zu nutzen.
Wenn die sich neu formierende Linke ihre Glaubwürdigkeit als Opposition zum Neoliberalismus nicht von vornherein aufs Spiel setzen will, muß die Linkspartei ihre bisherige Politik im Berliner Senat ändern. Im Hinblick auf die Privatisierungspolitik und den Umgang mit dem Berliner Bankenskandal sollte eine Fortsetzung der rot-roten Koalition davon abhängig gemacht werden, ob folgende Forderungen in die Tat umgesetzt werden:

  • Keine weiteren Privatisierungen öffentlichen Vermögen und kein Outsourcing öffentlicher Dienstleistungen an private Anbieter.
  • Revision des Sparkassengesetzes: Der Bestand der Berliner Sparkasse als vollrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenen Organen, eigenem Vermögen und eigener Bankerlaubnis muß garantiert und zugleich sicherstellt werden, daß die Gewinne der Berliner Sparkasse für gemeinnützige Zwecke verwendet werden und nicht in private Taschen zu fließen. Eine solche Gesetzesrevision würde außerdem die Frage einer möglichen Privatisierung elegant lösen, denn kein privater Investor dürfte unter solchen Konditionen noch Interesse bekunden. Zugleich könnte der Auflage der Europäischen Kommission durch Veräußerung der Sparkasse entweder an den Sparkassenverbund selbst oder an eine gemeinnützige Stiftung Rechnung getragen werden. Es gibt nämlich keine Auflage der Kommission, die das Land Berlin zur Privatisierung verpflichtet. Wie und an wen die Sparkasse veräußert wird, liegt in der Verantwortung des Berliner Senats.
  • Keine weitere Aufträge an Kanzleien wie Freshfields, die im Interesse privater Konzerne die Privatisierung öffentlicher Güter vorantreiben; Offenlegung aller Verträge, die der Senat mit Anwälten, Wirtschaftsberatern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geschlossen hat.
  • Revision des Teilprivatisierungsgesetzes der Berliner Wasserbetriebe und in der Perspektive die Rekommunalisierung der BWB.

Jenseits der roten Linie. In Dresden haben Linkspartei-Politiker fuer die Privatisierung von oeffentlichem Wohneigentum gestimmt. Aus Finanznot.

Oskar Lafontaine will sie deshalb aus der Partei werfen. Jetzt haben sie ihn in einem geharnischten offenen Brief geantwortet

Es ist ein Konflikt, in dem es um viel geht – das Selbstverständnis der Linkspartei zwischen Realpolitik und Opposition. In Dresden haben neun Linkspartei-Stadträte kürzlich dem Verkauf der kommunalen Wohungsbaugesellschaft Woba an einen US-Investor zugestimmt. Dresden, zuvor hoch verschuldet, ist nach dem Verkauf schuldenfrei – allerdings auch frei von kommunalem Wohnungseigentum.
Oskar Lafontaine, Chef der Bundestagsfraktion der Linkspartei, hatte die Dresdner neun aufgefordert, die Partei zu verlassen. Die Partei dürfe bei der Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge nicht mitmachen. Dies sei für Linke die rote Linie.
Nun wehren sich die Dresdner Christine Ostrowski und Ronald Weckesser mit einem geharnischten offenen Brief. Sie votieren für „linke Realpolitik und gegen ideologische Symbolpolitik“. Den US-Investor habe man auf „langjährigen Kündigungsschutz und Mietpreisbegrenzungen“ festgelegt. In Dresden gebe es „erheblichen Wohnungsleerstand“, was die Privatisierung unproblematisch mache. Außerdem sei die „Konsolidierung der öffentlichen Finanzen keine neoliberale Spinnerei, sondern sozialpolitischer Imperativ“. Ganztagsschulen müssten auch bezahlt werden.
Der Brief ist ein Frontalangriff auf Lafontaines keynesianistische Grundthese, dass mehr Staat und mehr öffentliche Investitionen der Königsweg seien. Lafontaine, schreiben Ostrowski und Weckesser, „erweckt den Eindruck, dass öffentliches Eigentum unverzichtbar für die öffentliche Daseinsvorsorge ist. Wenn aber Wohnen so existenziell ist, dass es nicht privatisiert werden darf, bleibt zu fragen, ob die Verstaatlichung von Bäckereien auf die linke Agenda gehört, ist doch das tägliche Brot mindestens so unentbehrlich.“
Der Woba-Verkauf war nicht nur in der Linkspartei scharf angegriffen worden. Auch Mietervereine bezweifeln, dass sich der US-Investor langfristig an die Abmachungen hält.
Gegen die neun sind inzwischen Ausschlussanträge eingereicht worden. Der Dresdner Bundestagsabgeordnete Michael Leutert sagte zur taz, sie hätten gegen den Willen der Partei den Verkauf betrieben, ohne über Alternativen wie Teilverkauf oder die Bildung von Mietergenossenschaften nachzudenken. Er ist prinzipiell gegen Ausschlüsse: „Gesinnungspolizei hatten wir früher.“ Wahrscheinlicher als Ausschlüsse scheint eine Spaltung der Linksfraktion im Stadtrat, weil sich die Gegner des Verkaufs überfahren fühlen.
Der Linkspartei-Fraktionschef im Sächsischen Landtag, Peter Porsch, lobte den Brief als Versuch, auf die „argumentative Ebene“ zurückzukehren. Wie viel kommunales Eigentum nötig sei, sagte er der taz, „ist kein Problem der PDS, sondern der Gesellschaft“. Mit „dogmatischen roten Linien“ löse man es nicht.
Die Dresdner Bundestagsabgeordnete Katja Kipping meinte indes zur taz, dass das Ja zum Woba-Verkauf „zu einem Dammbruch“ führe. Der Widerstand gegen Privatisierung von Wohnungen sei schwieriger geworden – weil doch sogar Linke in Dresden dafür waren.
Quelle: taz, 18.3.2006

Dresdner PDS legt sich mit Lafontaine an

Berlin – Der Verkauf aller fast 50 000 kommunalen Wohnungen in Dresden an einen privaten Investor hat zu einem äußerst heftigen Streit in der Linkspartei/PDS geführt. Mehrere Dresdner PDS- Stadträte, die dem Verkauf zugestimmt hatten, warfen Oskar Lafontaine, dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, vor, „ideologische Symbolpolitik“ statt „linker Realpolitik“ zu betreiben. Sie warfen Lafontaine vor, die Dresdner Entscheidung „zum Präzedenzfall vermeintlicher Unterwerfung linker Politik unter den Neoliberalismus“ gemacht zu haben.
Lafontaine hatte den Verkauf der Dresdner Wohnungsbaugesellschaft Woba als falsch kritisiert. „Weder die Wähler noch die Partei haben die Abgeordneten für den Verkauf von kommunalen Wohnungen in die Parlamente gewählt“, sagte er – und legte ihnen indirekt den Parteiaustritt nahe: „Wer das will, ist in anderen Parteien besser aufgehoben.“
Unterzeichner des an Lafontaine gerichteten offenen Briefes sind Christine Ostrowski und Roland Weckesser, Exponenten des realpolitischen Flügels der Partei in Sachsen. Sie warfen dem Chef der Bundestagsfraktion vor, die „Schlachten von gestern mit Mitteln von vorgestern zu schlagen“. Es sei „Pseudo-Logik“, dass die Bewirtschaftung eines Wohnungsbestandes in Folge einer Privatisierung automatisch unsozialer sein müsse. Lafontaines Kritik habe mit Politik „nichts zu tun, es ist eine Form politischer Religiosität“. Konsolidierung der öffentlichen Finanzen sei „keine neoliberale Spinnerei, sondern sozialpolitischer Imperativ“. m.m.

Quelle: Tagesspiegel, 18.03.2006

Neues Deutschland: Lafontaine mahnt Kommunalpolitiker der Linken –

Berlin (ots) – Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, hat Kommunalpolitiker der Linkspartei gemahnt, sich gegen eine weitere Privatisierung öffentlichen Eigentums zu stellen. »Wer neoliberalen Politikinhalten anhängt, ich will das ja respektieren, ist besser in einer anderen Partei als in der neuen Linken aufgehoben«, sagte Lafontaine der Tageszeitung »Neues Deutschland« (Montagausgabe). Die Linke habe »nur eine Berechtigung im Parteienspektrum der Bundesrepublik, wenn sie sich dem Neoliberalismus widersetzt«. Es gebe sowohl eine Verpflichtung gegenüber den Wählern als auch gegenüber der eigenen Partei. Diese dürfe man »nicht kalt lächelnd zur Seite schieben, wie es einige selbstherrliche Mandatsträger tun«. Selbst einige Politiker in Union und SPD würden inzwischen ein »Ende des Privatisierungswahns«
fordern. Zwischen dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken und Stadträten der Linkspartei in Dresden war es kürzlich zu einem Konflikt über den geplanten Verkauf der Dresdner Wohnungsbaugesellschaft Woba gekommen. Lafontaine sieht in solcher Privatisierung eine »verderbliche Entwicklung«, wie er im ND-Interview sagte. Er möchte »keine Gemeindeparlamente haben, in denen die Abgeordneten nur noch Daumenlutschen können, weil sie nichts mehr zu entscheiden haben, weder über Mieten, Gas und Wasser, noch über die Friedhofs- und Parkgebühren. Markt und Gesellschaft können nur funktionieren, wenn es einen starken öffentlichen Sektor gibt.«
Quelle: Neues Deutschlan, 12.02.2006 >>> http://www.presseportal.de/story.htx?nr=784899&firmaid=59019