Demographie und Mieten: Verkehrte Welt in Berlin

Berlin wächst. Und mit der steigenden Nachfrage nach Wohnraum, steigen auch die Mieten in der Stadt. Gebetsmühlenartig haben der Berliner Stadtentwicklungssenator Müller und sein Staatssekretär Gothe dies in den vergangenen Monaten wiederholt. Deshalb muss z.B. auch auf dem Tempelhofes Feld gebaut werden. Denn Berlin könne es sich einfach nicht leisten, eine Freifläche in dieser Lage unbebaut zu lassen. Ob die steigenden Mieten vielleicht eher etwas mit der Privatisierung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wie der GSW zu tun haben könnten? Oder auch mit der Berechnung des Mietspiegels, in den nur die Vetragsneuabschlüsse der letzten vier Jahre eingehen, der also de facto ein ‚Mietsteigerungsspiegel‘ ist?

Aber statt politischer Ökonomie wird in Berlin die Demographie bemüht, um Preisbildung am Wohnungsmarkt zu erklären. Die Stadt wächst, also steigen die Mieten!

Zu blöd nur, dass die Volkszählung nun ergeben hat, dass Berlin gar nicht wächst. Im Gegenteil: Seit 1991 hat die Stadt einen Bevölkerungsrückgang von 4,5 Prozent zu verzeichnen. Auch mit den demographischen Entwicklungen innerhalb Berlins lässt sich die Mietentwicklung kaum erklären. So ist Pankow der Bezirk mit dem höchsten Bevölkerungszuwachs, die stärksten Mietsteigerungen sind aber unter anderem in Neukölln und Kreuzberg zu verzeichnen.

Haben die ex-orbitanten Mietsteigerungen in Berlin also doch eher etwas mit Politik zu tun, als mit Demographie? Ist das simple Angebot-Nachfrage-Modell, das der Berliner Senat gern bemüht, vielleicht ‚unterkomplex‘ — um es freundlich auszudrücken?

Aber zum Glück gibt es da noch Bürgermeister Wowereit, der uns die Sache mit der Volkszählung noch einmal genau erklärt: Berlin sei weiter eine wachsende Stadt, so Wowereit an diesem Wochenende gegenüber der Berliner Zeitung. Nur eben auf einer anderen Basis als bislang angenommen. Bis 2030 wird die Stadt deswegen trotzdem um 245.000 EinwohnerInnen wachsen. Punkt.

Worauf sich diese Annahme gründet? Das weiß kein Mensch! Nach der Volkszählung umso weniger. Aber eines ist sicher: Die steigenden Mieten liegen an der steigenden Nachfrage, also daran, dass Berlin wächst. Mit Politik hat das nichts zu tun! Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

One Response to “Demographie und Mieten: Verkehrte Welt in Berlin”

  1. Stefan,

    Also steigende Mietpreise mit der steigenden Bevölkerungszahl zu erklären kann Berlin in Zukunft knicken, Zensus sei dank. Mal sehen, welche fadenscheinigen Begründungen dann kommen werden! Aber auch wenn die Ergebnisse der Volkszählung diese Argumentation zunichte gemacht haben, hat es für Berlins Politiker ja doch etwas Gute: so kann man nun die City Tax wieder ins Gespräch bringen. Im schlimmsten Fall führt dies neben dem Rückgang der Einwohner weiterhin zu einem Rückgang der Touristen! Quelle: http://www.berlinportal.org/volkszaehlung-berlin-hat-sich-verrechnet/399

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