Hungerstreikerklärung im Privatgefängnis Burg

Hungerstreikerklärung des Gefangenen Stefan Milde in Burg. Dort betreibt der Baukonzern Bilfinger Berger das erste Privatgefängnis der BRD. Der Mannheimer Konzern rückt damit vom traditionellen Baugeschäft ab und setzt auf Dienstleistung. Mehr in der vollständigen Erklärung lesen. Weiter unten gibt es dort auch eine Linksammlung zu diesem Gefängnis.

„Bei uns sitzen sie sicher!“, steht auf dem roten Kissen. Das Merchandising bietet auch T-Shirts, Tassen und anderen Schnickschnack. Ob die 658 schweren Jungs in der Justizvollzugsanstalt Burg die humorvollen Sprüche für lustig halten, bleibt fraglich. Doch nicht allein der Souvenirladen von Deutschlands erstem Privatknast verdient das Prädikat „einfallsreich“. Auch beim Bau, der Finanzierung und dem technischem Betrieb der High-Tech-Haftanstalt nahe Magdeburg geht Sachsen-Anhalt neue Wege. Erstmals liegt die Verantwortung komplett in einer Hand: beim Mannheimer Konzern Bilfinger Berger.

Wer von den Lebenslänglichen und anderen Langzeithäftlingen in dem reinen Männergefängnis das Jahr 2034 noch hinter Gittern miterlebt, weiß niemand. Sicher ist allerdings schon, dass dann das modernste Gefängnis Deutschlands in 25 Jahren vom Land Sachsen-Anhalt übernommen wird. Solange bewegen sich die Strafgefangenen und die 210 privaten und staatlichen Mitarbeiter gewissermaßen auf geliehenem Terrain.

Public Private Partnership – kurz PPP – nennt sich das Modell, auf das immer mehr klamme Kommunalparlamente und Länderregierungen zurückgreifen. Der Begriff bezeichnet die Mobilisierung privaten Kapitals und Fachwissens zur Erfüllung staatlicher Aufgaben. Klingt einfach, doch der Weg zur Unterzeichnung des 3000-Seiten-Vertrags von Burg war steinig. Während sich der Staat auf seine hoheitlichen Aufgaben wie Gestaltung des Vollzugs oder Disziplinarmaßnahmen konzentrieren will, muss der Privatbetreiber den regulären Knastbetrieb am Laufen halten.

Dieses detailliert festgelegte Aufgabenspektrum reicht von der Verpflegung und Gefangenenbeschäftigung in Werkstätten über die Reinigung und Instandhaltung der Zellen, Besucherräume und Freihöfe bis hin zur Wartung von 350 Videokameras und über 2000 Sicherheitsschlössern. Eine eigene Gefängnisbücherei mit 5000 Titeln und 2000 DVDs muss ebenso gepflegt werden wie die Sporthalle und der piekfeine Rasenplatz. Weitere Leistungen sind die medizinische Versorgung durch Krankenpfleger und Ärzte.

Und wenn ein randalierender Insasse seine Zelleneinrichtung zertrümmert? „In diesem Fall sind Bilfinger und seine Subunternehmer aus dem Schneider. Das zahlt der Häftling selbst“, erklärt der Gefängnisdirektor Holger Lüth. Das Rundum-Service-Paket mit 100-Millionen-Neubau bezahlt Sachsen-Anhalt in Monatsraten zu 1,7 Mio. EUR ab, ein Vierteljahrhundert lang.

Die eigentliche Anstalt besteht aus vier Häusern, deren Bewohner unterschiedliche Haftkleidung tragen. Jeweils ein Haus ist der Sicherungsverwahrung von besonders gefährlichen Häftlingen und dem Wohngruppenvollzug für leichtere Fälle vorbehalten. Alle Dauergäste schlafen in Einzelzellen. Die Hafträume verfügen neben Bett und Tisch über eine Toilette , ein Waschbecken und einen kleinen Kühlschrank. Einheitliche Flachbildfernseher können für 8 EUR monatlich gemietet werden. „Das lässt sich stemmen bei rund 240 EUR Monatslohn“, rechnet Lüth vor.

Bilfinger Berger gilt in der Branche als alter Hase in Sachen Knastbau. Neben der Anstalt Burg haben sich Vorstandschef Herbert Bodner und seine Strategen auch den Bau und Betrieb der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf gesichert und jüngst die Justiz- und Verwaltungszentren in Chemnitz und Wiesbaden übergeben. In Bremerförde steht der Konzern vor dem Zuschlag und in Australien wehen bereits über drei Gefängnissen die blauen Flaggen der Mannheimer. Im PPP-Marktranking hat Bilfinger eigenen Angaben zufolge sogar den größten deutschen Baukonzern Hochtief überrundet. Weltweit liegen 25 PPP-Projekte in Händen der Nordbadener Zentrale. Die Palette reicht von Schulen über Krankenhäuser bis hin zu Autobahnen und Verwaltungszentren.

Zur Zeit werden in Deutschland rund 4 Prozent der öffentlichen Einrichtungen von privaten Trägern realisiert. Doch der Markt wächst rasch, denn die Staatskassen sind leer. Herbert Bodner rechnet deshalb mittelfristig mit einem Ausbau der starken Position seines Unternehmens im Feld PPP. Der große Erfolg der Dienstleistungssparte bedeutet aber gleichzeitig den langsamen Abschied vom traditionellen Baugeschäft.

Quelle: Südwest Aktiv, Montag 05.10.2009

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