Proll als Sammelbegriff des Klassenhasses

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foto CC BY-ND 2.0: martin teschner

Alle kennen wahrscheinlich das Wort Proll. Der eine oder andere mag das Wort aus seinem und ihrem aktiven Wortschatz gestrichen haben. Das wäre erfreulich, denn mit dem Wort und seiner Benutzung geht eine abwertende Auffassung und Diskriminierung von Arbeiter_innen und der Arbeiter_innen-klasse einher. Der Historiker und Journalist Owen Jones hat dies in seinem Buch „Prolls. Die Dämonisierung der Arbeiterklasse“ herausgearbeitet:

Die Dämoniesierung der Arbeiterklasse ist das Triumphgeheul der Reichen, die von unten nicht mehr bedroht sind und sich nun über die Arbeiter lustig machen (Jones 2012, 299).

Das Buch will Aspekte der Lebensumstände einer Mehrheit der Arbeiterklasse aufzeigen (vgl. 42).

Ich wollte, dass man wieder über Klassenfrage spricht – ob man mir nun zustimmt oder nicht (ebd.16f).

Das Buch ist  aufschlussreich und lesenswert. Sein Anliegen ist es, den Arbeiter_innen und „einfachen Leuten“ Gehör zu verschaffen und gegen die Irrtümer anzugehen, dass alle zur Mittelschicht gehörten, es keine Klassen mehr gäbe und soziale Probleme auf das Versagen des Einzelnen zurückzuführen seien (vgl. 29).

Die gegenwärtige Prollschelte setzt eine lange, unwürdige Tradition des Klassenkampfes fort. Sie kann aber nur mit dem Blick auf neuere Ereignisse erklärt werden (ebd. 69).

Denn:

Die Existenz der Arbeiterklasse zu bestreiten, ist politisch bequem. Wir haben gesehen, wie das Zerrbild des Prolls das wirkliche Leben der meisten Arbeiter übertüncht. Die elitären Klassenkämpfer wissen, dass die Arbeiterklasse immer der Nährboden der Linken war (ebd. 279).

Was hier für Großbritanien analysiert wird, trifft in vielen Punkten auch in der BRD zu (vgl. auch Roger Behrens), wo es schon vor Jahrzehnten in häßlich verdrehter Sponti-Manier hieß: „Eure Armut kotzt mich an“. Der Spruch war in den 1990ern vor allem am Heck neuwertiger Mittelklassewagen zu lesen und ist mittlerweile sogar als Bedürftige abweisender Fußabtreter marktgängig. Aber:

Eine neue Klassenpolitik kann nicht auf Großbritanien beschränkt sein (ebd. 298).

Der Schluss des Buches stellt fest, dass:

Teil des Problems ist, dass die Arbeitslosigkeit entpolitisiert wurde (ebd. 291).

Der Autor stellt praktische Überlegungen an, wie es anständige, qualifizierte, sichere und gutbezahlte Arbeitsplätze geben könnte, und wie gleichtzeitig soziale Probleme, wie die Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus, zu lösen wären. Oder wie eine grüne Klassenpolitik praktisch aussähe, die sogar für die Arbeiterschicht ökologischen Gestaltungsspielraum mit sich brächte (vgl. 292).

Als Leseprobe gibt es das Vorwort im Freitag zu lesen. Aus meiner Lektüreempfehlung zum Jahresende ergeben sich wichtige Anregungen, Erkenntnisse und Aufgaben für das neue Jahr.

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