Es lebe die Videoüberwachung

Jeder kennt die Situation aus Fernsehkrimis a la CSI und Tatort: Nach einem Raubüberfall lässt sich die Kommissarin die Videobänder aus einer Überwachungskamera geben, zum Beispiel in einem Supermarkt. Die Bänder werden in mühevoller Kleinstarbeit ausgewertet, der Täter stundenlang auf den Aufnahmen gesucht — und schließlich auch gefunden. Unscharfe Szenen werden digital nachbearbeitet und alle Adleraugen bemüht: Was hält der Täter auf der Videoaufnahme in der Hand? Wer ist die Person daneben? Und: Lässt sich gar das Namensschild auf der Jacke entziffern?

Kürzlich hatte ich Gelegenheit zu einem ganz persönlicher Realitätsabgleich: Vor etwa zwei Wochen habe ich in einem Kaufhaus in Neukölln ein Paar Handschuhe gekauft. Erst zu Hause bemerkte ich beim Blick auf den Bong, dass mir die Handschuhe doppelt abgezogen worden waren. Vielleicht hatte der Kassierer sich vertan, weil ich zunächst mit zwei Paar Handschuhen an der Kasse gestanden hatte, das teurere dann aber wieder weglegen hatte lassen? Wie dem auch sei: 17 Euro in den Sand setzen, das tut weh.

Eine Woche lang ärgerte ich mich. Wie sollte ich beweisen, dass ich wirklich nur ein Paar Handschuhe gekauft hatte? Da könnte ja jeder kommen… Dann entschied ich mich, den Vorgang doch zu reklamieren. Insgeheim rechnete ich mir wenig Chancen aus. Nicht zuletzt waren seit dem Kauf mittlerweile etliche Tage vergangen.

Und dann das: Die Frau am Serviceschalter guckt auf meinen Kassenbong, auf dem nicht nur der Betrag, sondern auch die Kasse, der Name des Kassierers sowie Datum und Uhrzeit des Kaufs verzeichnet sind. Sie ruft den Sicherheitsdienst im Haus an. Der sucht sich — noch am Telefon — die fragliche Überwachungsaufnahme aus dem Kassenbereich heraus. Statt mühsam Videobänder zu durchforsten, wie seine KollegeInnen im Film es tun, gibt er vermutlich nur die besagten Daten in seinen Computer ein und kann die Bilder direkt abrufen. Innerhalb von wenigen Minuten kommt per Telefon die Bestätigung: ‚Ja, zur fraglichen Zeit stand der Mann mit zwei Paar Handschuhen an der Kasse. Der Kassierer legte ein Paar weg. Der Kunde bezahlte das andere und steckte es ein. Alle Angaben sind korrekt. Der Betrag kann erstattet werden…‘

Da war ich aber baff!

Ich wünschte, die Frau am Serviceschalter hätte mich für blöd erklärt. ‚Wir sind doch hier nicht bei George Orwell!“ Das hatte ich hören wollen. Für diese Antwort hätte ich gern auf mein Geld verzichtet. Scheiß auf meine 17 Euro. Es lebe die Videoüberwachung…

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